Bauer sucht Zukunft

Bergmahd, Foto: Umweltbüro Markus Grabher

Bergmahd
Foto: Umweltbüro Markus Grabher

Der Bauer als ökologisch umsichtiger Landschaftsgestalter oder als industrieller Lebensmittelproduzent? Ein aktuelles Beispiel zeigt, warum die Themen Landwirtschaft und Umweltschutz schwer vereinbar sind. 

Der Beruf des Bauers steht am Scheideweg und gegensätzlicher könnten die Wege, die er einschlagen kann nicht sein:

Auf der einen Seite steht der intensiv wirtschaftende Bauer, nennen wir ihn der Einfachheit halber Ackermann. Das primäre Ziel von Bauer Ackermann ist die Herstellung von Nahrungsmitteln und zwar in großen Mengen, um billiges Geld. Auf seinen Feldern ist alles der Ertragsmaximierung untergeordnet. Zu diesem Zweck setzt Ackermann die modernen Mittel der Agrartechnik, wie Kunstdünger und chemische Unkrautvernichter, voll ein. Kein Platz für wild lebende Pflanzen und Tiere. „Wo die Blüten fehlen, gibt es keine Bienen und Schmetterlinge mehr. Spätestens ab viermaliger Mahd kann auch kein Vogel brüten und seine Jungen großziehen. Auf österreichischem Intensivgrünland wird aber  bis zu sechsmal im Jahr gemäht“, so der Biologe Georg Bieringer.

Auf der anderen Seite steht der Bauer, der sich nicht nur als Nahrungsmittelerzeuger, sondern auch als Landschaftsgestalter sieht und bewusst Leistungen für die natürliche Vielfalt erbringt. Nennen wir ihn Wiesinger. Er düngt sparsam, vermeidet chemische Pflanzenschutzmittel und mäht seine Wiesen nur ein- bis dreimal im Jahr oder lässt sie in ökologisch verträglichem Ausmaß beweiden. Schlecht für den Ertrag, gut für Flora und Fauna. Laut Georg Bieringer gehen die Uhren hier langsamer, da viele Pflanzenarten die Zeit haben zu wachsen, zu blühen und Samen zu bilden, die im nächsten Jahr keimen und wieder für bunte Blumen sorgen.

Entwicklungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU – zunehmende Wertschätzung von Allgemein-Leistungen

Seit 1993 bewegt sich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union weg von der ausschließlichen Förderung landwirtschaftlicher Produktion. Seit 2004 gibt es sogar eine produktionsunabhängige „Betriebsprämie“. Es werden also neben der Nahrungsmittelherstellung auch zunehmend Leistungen anerkannt, die der Gesellschaft insgesamt zugute kommen, also nicht Produkte im herkömmlichen Sinn, sondern gemeinnützige Dienstleistungen wie die Pflege der Kulturlandschaft oder die Bewahrung biologischer Vielfalt. Eine begrüßenswerte Entwicklung aus Sicht des Naturschutzes.

Die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik – gleich viel Kuchen für alle!

Im Zuge der aktuellen GAP-Reform für 2014-2020 soll die Förderung noch stärker an ökologische Standards gebunden werden. „Das sogenannte Greening und eine für landwirtschaftliche Nutzflächen wirklich einheitliche Flächenprämie unterstützen das Ziel, dass die Landwirtschaft neben Nahrungsmitteln auch Gemeingüter bereitstellt“, so Bieringer. Georg Grabherr, der Initiator der Petition „Rettet die Blumenwiesen“  und Wissenschafter des Jahres 2012 spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „ökologischen Paradies“. Die einheitliche Förderprämie sei sehr begrüßenswert, denn weniger intensiv – also sanft und naturverträglich – wirtschaftende Bauern wie Wiesinger sollen genauso hohe Förderungen bekommen wie die auf Produktionsmaximierung ausgerichteten Intensivbetriebe wie jener von Ackermann.

Foto: flickr/Roberto Verzo -CC BY 2.0

Foto: flickr/Roberto Verzo -CC BY 2.0

Österreichs Antwort auf diese Reform – ein Sonderweg

Durch die Einführung dieser EU-weit geplanten einheitlichen Förderprämie müssten Intensivbetriebe, wie jener von Ackermann, Einbußen hinnehmen – Kuchen teilen eben. Daher will die österreichische Agrar-Lobby und -Politik diese Reform abwandeln: Bauern wie Ackermann sollen um 75% mehr Förderungen erhalten als Bauern wie Wiesinger.  Kleinere Kuchenstücke für weniger intensives Grünland also, eine differenzierte statt einer einheitlichen Förderprämie.

Biologe Georg Bieringer dazu: „Das seitens der österreichischen Agrarpolitik geplante Modell der differenzierten Flächenprämie ist ein klares Signal an jeden Bauern, der heute noch Blumenwiesen und Almen pflegt, dass seine Arbeit der Öffentlichkeit nichts wert ist. Wenn der Bauer seine Wiese kräftig düngt und in ertragreiches, aber artenarmes Einheitsgrün verwandelt, weil er dafür die vierfache Förderung bekommt, kann man ihm keinen Vorwurf machen.  Genauso wenig kann man ihm einen Vorwurf machen, wenn er unter diesen Bedingungen die steile Bergwiese, die er bisher mit der Sense gemäht hat, nicht mehr bewirtschaftet. Sehr viele für den Naturschutz besonders wertvolle Flächen würden also verlorengehen.“

Wer entscheidet in Österreich über die Zukunft der Bauern?

Wer die Machstrukturen in der österreichischen Agrarpolitik kennt, wird verstehen, warum Österreich diesen Sonderweg zugunsten der Intensivbetriebe einschlagen möchte: „Seit Jahrzehnten bestimmt der intensive Ackerbau (der besonders im Osten des Landes angesiedelt ist, Anm. der Red.) die Förderlandschaft Österreichs, und während der gesamten Zeit der österreichischen EU-Mitgliedschaft waren die Landwirtschaftsminister stets Bauernbündler aus der Osthälfte Österreichs. Was der Bauernbund beschließt, geschieht normalerweise auch.“, so Bieringer. Auch Georg Grabherr  meint: „Ich würde nicht gleich von vornherein sagen: Jeder Bauer, der mehr als 20 Hektar hat, ist böse. Aber die Umsetzung und Ausdeutung dessen was aus Brüssel kommt, kann sehr stark beeinflusst werden in der Umsetzung, durch Österreich selbst, durch die Agrarpolitik.“

Österreich ohne bunte Blumenwiesen, Hutweiden und Almen?

Eine nur am Ziel intensiver Produktion interessierte Agrarpolitik geht aber nicht nur auf Kosten von Flora und Fauna. Blumenwiesen und Almen haben hohen Erholungswert, machen viele Regionen Österreichs zu Tourismusmagneten und sind Orte an denen Naturerfahrung stattfinden kann. Der indirekte Beitrag von Wiesinger zur Volkswirtschaft ist monetär schwer bezifferbar, aber mit Sicherheit beträchtlich. „Der Produktionsauftrag an die Landwirtschaft ist ein wesentliches Element und wichtig für das Selbstverständnis im Agrarberuf, in der Landwirtschaft. Aber auf der anderen Seite soll die Tätigkeit für die Natur und für die Vielfalt der Lebewelt genauso viel wert sein und darf nicht abgewertet werden“, so Grabherr.

Hutweide Foto: A. Mrkvicka

Hutweide
Foto: A. Mrkvicka

Umwelt und Landwirtschaft in zwei Ministerien?

Die Blumenwiesen-Problematik zeigt, dass Agraragenden und Umweltschutz in einem Ministerium schwer vereinbar sind. Würden die häufig gegensätzlichen Interessen von verschiedenen Ministern vertreten, gäbe es vermutlich auch mehr  öffentliche Diskussion um solche Probleme. Laut Georg  Bieringer sei es sehr bedenklich, wenn „ein paar Bauernbündler im stillen Kämmerlein“ darüber entscheiden, wie 5 Milliarden Euro (!) Steuergeld verteilt werden soll.

Naturschützer starten Petition „Rettet die Blumenwiesen“

Aus diesem Grund haben zahlreiche österreichische NGOs (WWF, BirdLife, Naturfreunde, Alpenschutzverein, Naturschutzjugend, Umweltdachverband, Berg- und KleinbäuerInnen Vereinigung, Bioverband Erde und Saat, Naturschutzbund, Unabhängiger Bauernverband) die Petition „Rettet die Blumenwiesen!“ ins Leben gerufen. Während die österreichische Agrarpolitik also eine Gefahr darin sieht den Fördergeld-Kuchen so aufzuteilen, dass intensiv wirtschaftende Bauern  Einbußen hinnehmen müssten, wollen Naturschützer die Leistungen der Bauern für die Allgemeinheit abgegolten und wertgeschätzt sehen. Seit Anfang Dezember ist die Petition nun online und hat bereits über 20.000 Unterstützer.

Beziehen Österreichs Politiker Stellung?

Erste große Erfolge der Petition: im Regierungsübereinkommen der Koalition wurden einmähdige Wiesen für eine einheitliche Basisprämie aufgenommen, werden also gleich hoch gefördert wie Intensivflächen. Es ist zwar keine vollwertige Auszahlung ab 2015 vorgesehen, aber eine langsame, stufenweise Erhöhung. Almen und Hutweiden sollen jedoch nach den Plänen der Politik nach wie vor bei der Basisprämie benachteiligt werden.

Auch der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat sich zu diesem Thema positioniert. Bei seiner Angelobung am 16. Dezember legte er ein Bekenntnis zu einer produzierenden Landwirtschaft ab. Es sei ihm wichtig, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Bauern ihr Einkommen im Wesentlichen aus ihrer Produktion erwirtschaften. Am 19. Dezember – also nur drei Tage nach seiner Angelobung – wurden ihm die ersten 16.500 Unterstützungserklärungen durch die Initiatoren der Petition übergeben. Noch am selben Tag hat er in einer Presseaussendung erklärt, sich für den Erhalt der Blumenwiesen, Almflächen und Hutweiden einzusetzen.

In Österreich sind die Bundesländer für den Naturschutz zuständig und  treffen daher wesentliche Entscheidungen. Am 31. Jänner sollen die Unterstützungserklärungen daher bei einer Konferenz der Naturschutz-LandesrätInnen übergeben werden.

HIER geht’s zur Petition.

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