Zeit für Pilze #3

Bären und T-Rex sind auch nur Jäger – Sebastian Rahs

Mit der lächerlichen Steinschleuder in Autodrom-Optik im Anschlag fühle ich mich unglaublich gut. »British-Ready«, fällt mir ein. Das Bleischrot wirkt solide genug, um einem der vielen umherflatternden Hühnchen den Garaus zu machen. Ich wünsche mir einen Hasen. Nach kurzer Zeit schon stelle ich mir vor, wie viele andere »Jäger« jetzt gerade zeitgleich mit mir hier umherschleichen. Heimische Bären, murmle ich in meinen Bart und muss unweigerlich an die finale Filmszene aus »Jurassic Park« denken. Die kurz vor dem Angriff stehenden Raptoren werden vom blitzartig unbemerkt im Besucherzentrum stehenden acht Meter hohen T-Rex gefressen. »Als die Dinosaurier die Erde beherrschten«. Ich bin begeistert von diesem Vergleich und will ihn sofort notieren. Mir gruselt. Ich verstoße gerade gegen die Bären-Regel Nummer Eins, sich immer laut bemerkbar durchs Dickicht zu bewegen. Ein großer Haufen Scheiße lässt mich richtig unrund laufen und ich beschließe den Abstieg. In der Nähe unserer »Insel« steh ich plötzlich weniger als zehn Meter entfernt von einem kleinen Rehlein. In den wenigen Sekunden der Entscheidung beschließe ich, es nicht anzuschießen, nur um es dann nach stundenlanger Verfolgung zu verlieren. So gut sind wir nicht. Von der Situation begeistert, fange ich sofort an, einen riesigen Speer zu schnitzen, den ich ursprünglich sogar auf der Ausrüstungsliste stehen hatte. Dieser wird später leider nur mehr als Fahnenstange dienen.

Zurück im Lager will ich mein Anglerglück ein weiteres Mal herausfordern. Noch hoch enthusiasmiert von meiner Jagderfahrung, verlier ich auf einer großen, spiegelglatten Granitkuppe das Gleichgewicht und rutschte in Richtung vier Grad kaltes Wasser. In letzter Sekunde kann ich mich mit wenigen Fingern in einem Riss halten und nach einer Sekunde der Besinnung über die Wichtigkeit jeder Bewegung stabilisieren. Als Yannick wieder im Lager eintrifft, sitze ich mit nassen Schuhen am Feuer. Ich kann so klar und geordnet denken wie nie zuvor. Das Hier und Jetzt – unsere Situation – ist mir schlagartig unwichtig geworden. Ich muss intensiv über mein Zuhause und dessen Definition nachdenken. Darüber, was ich an meinem Leben ändern könnte, damit es mir und allen Menschen, die ich gerne habe, noch besser geht. Alles erscheint mir wichtiger als das Hier. Ich will nach Hause. Nahtoderfahrung wahrscheinlich. Ich kann diese Überlegungen nicht detailliert wiedergeben, Yannick jedenfalls wirkt nicht sehr überzeugt, eher verschwitzt und abgekämpft. Auch er hat sich offensichtlich Gedanken gemacht – mehr auf das Hier und Jetzt bezogene vielleicht. Die erfolglose Jagd, die noch nicht begonnene Hütte, gerade spricht einiges gegen uns. Nach einem kurzen, kargen Gespräch sind wir uns einig. Wir brechen an dieser Stelle unser Projekt ab.

Mit unserem Entschluss dreht auch der Wind Richtung Süden. Zusehends belegt Polarluft die umliegenden Berge mit Frost. Beschleunigt von der Wetterstimmung sammeln wir alles an Treibholz im Umkreis eines Kilometers, sortieren es nach Brennbarkeit und errichten unser Not-Shelter für die kommende Nacht. Der Wald klingt wie ein Bienenstock – das könnte Gulbranssen gemeint haben. Yannick beschließt, um gefühlt drei Uhr nachmittags schlafen zu gehen. Ich koche Pilzsuppe.

EPILOG – Yannick Gotthardt

Im Grunde sind Sebastian und ich uns einig: Aussteigen im Schnelldurchlauf – das geht nicht. Auf praktikable Gegenstände wie Zelte und Kocher zu verzichten, weil der kurze Aufenthalt sonst zum Campingurlaub degradiert werden würde, macht zwar vordergründig Sinn, sich aber das Leben schwer zu machen, indem man auf relevante Werkzeuge verzichtet, macht das erfolgreiche Aussteigen nicht realistischer. Im Grunde ist die richtige Lösung naheliegend: Das nächste Mal schaffen wir einfach hunderte Kilo Material in eine noch entlegenere Wildnis und schauen, was die Jahreszeiten so bringen. Oder wir machen einfach nochmal alles genau gleich, und ergänzen unsere Ausrüstung um moderne Handfeuerwaffen. Steyr Mannlicher Pro Hunter beispielsweise – aber das wussten wir ja eigentlich schon im Voraus.

 

TOOLBOX für den perfekten Ausstieg

  • Energieriegel
  • gescheites Zelt
  • gescheite Axt
  • Schießgewehr

PARVIN RAZAVIS 1000-KCAL-POWER-RIEGEL

Für (beinahe) einen Kilo Power-Riegel benötigt man:

65g Sesamsamen                                                            390 Kcal
80g Sonnenblumenkerne, 30g davon gehackt            487,2 Kcal
50g Cashewkerne, gehackt                                                292 Kcal
65g Hanfsamen                                                            397,8 Kcal
125g getrocknete Marillen                                                315 Kcal
50g getrocknete Cranberries                                                141,5 Kcal
25g Maulbeeren                                                            66 Kcal
50g Haferflocken, zart schmelzend                                    181 Kcal
50g Erdmandel/Tigernuss, geröstet                                    217,5 Kcal
200g Erdnussbutter                                                            1280 Kcal
90g Reissirup (6EL)                                                            283,5 Kcal
90g Agavensirup (6EL)                                                273,6 Kcal

940g Masse // 460 Kcal pro 100g entspricht 1.000 Kcal pro Riegel à 217,39g

Um die Konsistenz zu verbessern, Marillen zu Zesten schneiden, Cranberries und Maulbeeren halbieren, Cashewkerne sehr grob hacken.
Die vermengte Masse fingerdick auf ein Backblech walken und 15min bei 200°C backen.

VERWANDTE ARTIKEL