Unterwegs mit dem Bio-Kontrolleur: Vertrauen ist gut, Bio ist besser

„Ja, euch geht's gut“, Bio-Kontrolleur Claus Ottmann-Warum ist mit der Freilandhaltung bei den Mastschweinen am Köglerhof zufrieden: Sie haben genug Platz zum Suhlen und einen trockenen Unterstand zum Schlafen. Bild: Jürgen Schmücking

„Ja, euch geht’s gut“, Bio-Kontrolleur Claus Ottmann-Warum ist mit der Freilandhaltung bei den Mastschweinen am Köglerhof zufrieden: Sie haben genug Platz zum Suhlen und einen trockenen Unterstand zum Schlafen. Bild: Jürgen Schmücking

Wer Bio-Lebensmittel konsumiert, vertraut auf das Bio-Zertifikat. Der Weg dorthin führt über die Bio-Kontrolle – am Hof, beim Verarbeiter, in der Küche. Wir haben einem Bio-Kontrolleur bei der Arbeit vor Ort über die Schulter geschaut.

Freundliche Gesichter, entspannte Stimmung, vertrauter Ton. Hin und wieder eine Diskussion über das Warum und Wie oder das Für und Wider. Fragen, auf die Antworten folgen und die wieder neue Fragen auslösen. Freunde bei einem gemütlichen Kaffeeplausch? Nein, der Schein trügt: Heute ist Kontrolltag. Claus Ottmann-Warum hat für den ersten Teil der Arbeit viel Zeit eingeplant, 70 Prozent der Inspektionszeit geht für den verwaltungstechnischen Teil drauf. »Machen wir zuerst den Papierkram über die Landwirtschaft oder über die Gastronomie?«, fragt die Bäuerin Elisabeth Bauernfeind.

»Zuerst die Verwaltung Landwirtschaft, dann die Begehung am Hof und dann Verwaltung und Begehung der Gastronomie«, lautet die Antwort. »Dann hol ich die Ordner und ruf meinen Mann. Der kann dir die Fragen in der Landwirtschaft besser beantworten, und wir machen später die Gastro-Kontrolle.«

Auch das wird überprüft: Sind alle Sackanhänger des zugekauften Bio-Saatguts verhanden? Bild: Jürgen Schmücking

Auch das wird überprüft: Sind alle Sackanhänger des zugekauften Bio-Saatguts verhanden? Bild: Jürgen Schmücking

Für Claus Ottmann-Warum ist die Bio-Kontrolle am Hof von Elisabeth und Klaus Bauernfeind nicht nur bereits seit einigen Jahren Routine, sondern auch ein Idealfall. »Die wollen ihren Betrieb einfach gut führen und informieren sich auch während des Jahres bei uns.« Mit den knapp elf Hektar Acker- und Grünland, der Haltung von drei Geflügelarten, Schweinen, Rindern und Schafen, dem Futtermittelanbau plus Zukäufen, mit der eigenen Obstverarbeitung und dem Mostheurigen ist der Köglerhof in der Koglerau im oberösterreichischen Mühlviertel zwar kein großer, aber trotzdem ein sehr komplexer Betrieb – auch für einen Routinier wie Ottmann-Warum.

Bio-Lammfleisch – von den eigenen Kärntner Brillenschafen – steht ebenfalls auf der Köglerhof Speisekarte. Bild: Jürgen Schmücking

Bio-Lammfleisch – von den eigenen Kärntner Brillenschafen – steht ebenfalls auf der Köglerhof Speisekarte. Bild: Jürgen Schmücking

Bio das ganze Jahr über

Inzwischen häufen sich am Tisch die Ordner. Dort, wo sonst die Gäste des über dem Donautal liegenden Köglerhofs sitzen, sich an der herrlichen Aussicht erfreuen und Bio-Köstlichkeiten schlemmen, ist jetzt am Vormittag alles für »Büroarbeiten« reserviert. Bei der Überprüfung der Aufzeichnungen geht es vor allem um Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Elisabeth Bauernfeind holt den Mehrfachantrag für die Förderungen der Agrarmarkt Austria (AMA), er dient mit seinen aktuellen Angaben über die Flächenbewirtschaftung am Hof als Grundlage für den Abgleich mit den Daten der Kontrollstelle. Nein, diesmal hat sich an den Ackerflächen für die Futtermittel nichts geändert.

Ottmann-Warum überprüft als nächstes die Angaben zu Ackerkulturen, Fruchtfolgen und Tierbestand, sieht Lieferscheine, Rechnungen und Bio-Zertifikate zu den eingekauften Futtermitteln durch – und stellt viele Fragen. Am Ende der Kontrolle soll schließlich gewährleistet und ersichtlich sein, dass gemäß den Bio-Richtlinien der EU und dem Verband Bio Austria gewirtschaftet wird – und zwar das ganze Jahr über und nicht nur an den Tagen rund um den Kontrolltermin. Dafür wird das Bio-Zertifikat verliehen.

So sollte es sein: Kontrolleur und Kontrollierte begegnen sich auf Augenhöhe. Bild: Jürgen Schmücking

So sollte es sein: Kontrolleur und Kontrollierte begegnen sich auf Augenhöhe. Bild: Jürgen Schmücking

So richtig trennen lassen sich dabei die Kontrollen von Landwirtschaft und Gastronomie nicht. »Wir bereiten gleichlautende Aufzeichnungen vor. Alles, was bei uns in der Landwirtschaft verkauft wird, ist der Einkauf fürs Lokal«, erklärt Klaus Bauernfeind und freut sich darüber, dass beides an einem Tag und von einem Kontrolleur inspiziert wird. Das spart Kosten. Allerdings braucht es dafür Kontrolleure mit Erfahrung.

Selbst für Claus Ottmann-Warum mit seinen 18 Jahren Dienstzeit bei der Austria Bio Garantie und Kontrollfahrten von rund 40.000 Kilometern pro Jahr ist eine kombinierte Prüfung oft eine Herausforderung: »Ich muss rechnerisch ermitteln, ob sich die erzeugte Menge eines Produktes mit den dafür eingesetzten Betriebsmitteln ausgeht.« Die Probe aufs Exempel folgt sogleich. »1.420 Gansl-Portionen sind in unserem Mostheurigen jetzt für November reserviert. Bei fünf bis sechs Portionen, die sich je Gans ausgehen, brauchen wir dafür 260 Gänse. 80 bis 90 Gänse sind noch zusätzlich für den Verkauf ab Hof vorbestellt«, gibt Bauer und Wirt Bauernfeind an. Das war einfach.

Das Motto von Gastwirtin und Köchin Elisabeth Bauernfeind: möglichst Bio und g’schmackig. Bild: Jürgen Schmücking

Das Motto von Gastwirtin und Köchin Elisabeth Bauernfeind: möglichst Bio und g’schmackig. Bild: Jürgen Schmücking

Claus rechnet schnell nach und vergleicht das Ergebnis mit den Angaben aus den Tierlisten: Dort ist die Rede von 350 Gänsen. »260 plus 90 sind 350, ja, passt. So etwas nennt man Warenfluss, da müssen die Aufzeichnungen dazu stimmen.« Dabei helfen Faustregeln, Berechnungstabellen und Richtwerte – aber vor allem langjährige Praxis und ein gutes Gespür.

Vier-Augen-Prinzip

Bei sogenannten Folge-Audits dreht sich viel um Beanstandungen aus früheren Kontrollen. Claus Ottmann-Warum hat dazu immer die Zertifizierungsakten der letzten beiden Jahre mit. Im Vorjahr war zum Beispiel die Standardauslauffläche für die 40 Legehennen bei den Bauernfeinds nicht ganz so groß, wie sie laut den Bio-Richtlinien und Verbandsstandards vorgeschrieben ist: nämlich 400 m², also 10 m² pro Henne. Das ist bei der Durchsicht des Berichts einem Kollegen von Ottmann-Warum – Vier-Augen-Prinzip ist bei Kontrollen die Regel – im Büro der Austria Bio Garantie aufgefallen und vermerkt worden.

In der Zwischenzeit wurden die Koppeln im Obstgarten und auf der Wiese mit Hilfe eines beliebig erweiterbaren Elektrozauns vergrößert. Ganz pragmatisch. »Jetzt sind die Legehennen braver und haben Respekt vor jedem Zaun. Vorher sind sie oft drübergehüpft.« Na bitte – zwei Fliegen mit einer Klappe. »Das schauen wir uns jetzt gleich vor Ort an«, beschließt der studierte Agrarier die Zettelwirtschaft und beginnt mit der Hofbegehung.

Pick-Paradies für Legehennen: der naturbelassene Obstgarten. Bild: Christa Grünberg

Pick-Paradies für Legehennen: der naturbelassene Obstgarten. Bild: Christa Grünberg

Geschnatter, Gegacker und Raum zum Scharren

Nachdem in den zugekauften Futtersäcken das drin ist, was draufsteht – als erfahrener Kontrolleur erkennt manches bereits am Geruch –, steht die Kontrolle der Tierhaltung auf dem Programm. »Ich schau mir das an, was zurzeit gerade sichtbar ist. Bei der Freilandhaltung kommt es darauf an, dass die Tiere jederzeit eine ausreichend große, saubere und trockene Liegefläche zur Verfügung haben.« Leises Geschnatter. Weil gerade Ganslessen auf der Speisekarte am Köglerhof steht, sind von den 350 freilebenden Gänsen nicht mehr viele zu sehen. Der kleine Rest genießt die noch verbleibende Freiheit auf der vier Hektar großen Weide. Lautes Gegacker.

Die Masthendln haben es besonders gut getroffen. »Das ist die beste Zweiplatznutzung, die wir haben«, zeigt Klaus Bauernfeind stolz das Hackschnitzellager, in dem sich im Jahr durchschnittlich 150 Tiere tummeln. Das begeistert auch den Kontrolleur: »Das ist perfekt. Sie haben es trocken, einen Scharrraum und genug Licht.« Letzteres war offensichtlich nicht von Anfang an so. »Wir haben die Lichtfläche vergrößert, damit sie fünf Prozent der Stallfläche entspricht.« Auch die 15 Schweine haben es mit dem neuen Freigehege nebst trockenem Unterstand auf Stroh für die Nacht jetzt viel besser getroffen als früher im engen Stall.

Was als Bio ausgelobt wird, muss bio sein

Bei so viel gut gemästeten Gänsen, Hendln, Rindern, Schweinen und Schafen und den gut erzogenen Legehennen ist Claus Ottmann-Warum zuversichtlich: Elisabeth Bauernfeind fabriziert Köstliches – aus Fleisch und Eiern, aber auch aus Gemüse, Kräutern, Beeren und sonstigen Bio-Zutaten, mehrheitlich aus Eigenbau oder von Bio-Lieferanten aus der Umgebung. Bevor ihn sein Weg in die Küche führt, durchforstet er noch einmal Ordner für Ordner nach Lieferscheinen und Rechnungen dieser Zulieferer und schaut sich die Speisekarte vom Köglerhof genau durch. »Da kontrolliere ich die Auslobung, also die Kennzeichnung auf den Warenbegleitpapieren und die Bewerbung auf den Speisekarten.«

Bild: Jürgen Schmücking

Bild: Jürgen Schmücking

 

Gerne würden die Bauernfeinds in ihrem Mostheurigen alles in Bio anbieten und nicht nur für das »Bio-Teilsortiment« ein Zertifikat erhalten. „Aber wenn ich zum Beispiel Powidl in Bio-Qualität haben möchte, ist das ein schwieriges Unterfangen“, merkt Klaus Bauernfeind an. Daher ist eben „nur“ das Bio, was den Gästen auch als Bio verkauft wird – immerhin mindestens 90 Prozent der Rohstoffe und Zutaten für die Menüs. »Die werden bei der Gastro-Kontrolle natürlich genau überprüft. Was als Bio ausgelobt wird, muss bio sein.«

In der Gastronomie kontrolliert Claus Ottmann-Warum auch unangemeldet. Wenn er auf Zutaten in konventioneller Qualität stößt, sei es auf einer Rechnung oder in einem Küchenregal, wird er misstrauisch und fragt nach. »Was ich da schon an Ausreden gehört habe – damit könnte ich Bücher füllen.« In Lisi Bauernfeinds Reich hat Ottmann-Warum allerdings auch nach zwei Stunden intensivstem Streifzug durch Küche und Speis nichts zu beanstanden.

Für Claus Ottmann-Warum war es ein erfolgreicher Tag, für BIORAMA-Autorin Christa Grünberg ein unvergessliches Erlebnis. Bild: Jürgen Schmücking

Für Claus Ottmann-Warum war es ein erfolgreicher Tag, für BIORAMA-Autorin Christa Grünberg ein unvergessliches Erlebnis. Bild: Jürgen Schmücking

Alles in allem war es ein guter Tag. Die Kontrolle ist ohne Abmahnungen abgelaufen. Claus hat noch vor Ort einen positiven Vorbericht verfasst. Er ist zuversichtlich: »Bis Ende 2015 sind die Landwirtschaft und der Mostheurige am Köglerhof wieder zertifiziert. Bis zum nächsten Jahr!« Aber dann wird er nur mehr die Gastronomie überprüfen. Nach drei Jahren muss der landwirtschaftliche Betrieb von jemand anderem kontrolliert werden – damit die Objektivität weiterhin gewährleistet ist. Schließlich müssen sich auch die Kontrollstellen an Vorschriften halten.

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