Less of the same

Gemüsebäuerinnen und Gemüsebauern beleben ein altes Konzept wieder: das Konzept des Market Gardens, der die Region mit Gemüsevielfalt versorgt. Bis 2030 soll es in jedem größeren Ort Europas einen Market Garden geben.

Jungpflanzen wachsen in grünen Reihen heran.
Der »Market Garden« bezeichnet traditionell jenen Bereich der Gemüseanbauflächen, der zum Verkauf bewirtschaftet wurde. Was mit dem Pflug bearbeitet wurde, war die Farm, was mit der Hacke bearbeitet wurde, war der Garten. Bild: Grand Garten

Junge Leute ohne familiären landwirtschaftlichen Hintergrund können sich, sofern sie nicht mit größeren Mengen Kapital ausgestattet sind, den Berufswunsch LandwirtIn eher abschminken, ein Trend geht Richtung Großbetrieb. Gleichzeitig wird landwirtschaftliche Nutzfläche durch den laufenden Flächenverlust einerseits, durch den Kauf von Land andererseits sukzessive knapper. Österreich liegt in Sachen Flächenversiegelungsgeschwindigkeit im europäischen Spitzenfeld.
Ein Ansatz sind Hofübergabebörsen, auf denen LandwirtInnen ohne familieninterne Nachfolge, externe NachfolgerInnen finden. Ein anderer, spezifisch für den Bereich Obst und Gemüse, ist das Konzept des Market Gardens. Auf Deutsch: Vielfaltsgärtnerei. Hier wird eine relativ kleine Fläche – etwa ein Hektar, statt 100 Hektar – sehr intensiv bewirtschaftet. Aber biologisch und für die Direktvermarktung.
»Ich produziere nicht auf zehn Hektar Karotten, weil da bräuchte ich halb Österreich als KundInnen – sondern ich produziere nur in zwei oder drei Beeten Karotten und beliefere damit 150–250 Haushalte«, sagt der Absdorfer Market Gardener Alfred Grand. So kann ein lokaler Markt mit Gemüsevielfalt versorgt werden – in Direktvermarktung. Grand macht das durch das System Gemüsekisterl – er beliefert einen Umkreis von zehn Kilometern und möchte zeigen, dass nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen Gegenden der Markt für Gemüse-Abos durchaus vorhanden ist.

Bild: Grand Garden.


Spezialisierung engt ein

Die Kleinheit bedingt die Direktvermarktung. Und wer groß ist und sich auf wenige Kulturen spezialisiert, muss den Handel beliefern und zu dessen Konditionen produzieren – und auch Handelsmargen miteinberechnen. »Wenn ich sieben Äpfelbäume habe, kann der Handel damit nichts anfangen, aber ich kann in jedes Biokisterl drei Äpfel geben. Und wenn die Äpfel nix werden, dann hab ich niemandem Äpfel versprochen«, erklärt Grand.
Was für die einen ein Nachteil ist – sich nicht aussuchen zu können, welches Gemüse man bekommt – ist für die anderen ein Vorteil – eine Entscheidung weniger treffen und Anregung zu bekommen, auch Gemüse und Obst zu verarbeiten, das man ansonsten vielleicht gar nicht erst kauft. Vor allem Familien könnten sich laut Grand für das System begeistern, weil das Kisterl Kindern Überraschungen biete und durch die mitgelieferten Rezepte anrege, Neues zu probieren. »Nicht jeder mag das. Aber manche Leute wissen die Zwangsbeglückung zu schätzen. Sie bekommen ein paar Tage vor der Lieferung Informationen über die Gemüsesorten, die sich im Kisterl befinden werden, per Mail.«
Einige der Market Gardener sind gut vernetzt und verfolgen ambitionierte Ziele. Grand ist einer von ihnen und erklärt: »Wir sind eine Initiative von Market Gardeners und das Ziel für Europa lautet: In jedem größeren Ort soll bis 2035 ein Market Garden stehen.« Mit den größeren Orten sind Orte wie Absdorf mit seinen 2.000 EinwohnerInnen gemeint. Das soll nicht nur die Lebensmittelproduktion als Betätigungsfeld wieder zugänglicher machen, sondern durch den geringen Flächenverbrauch auch eine ganzjährige dezentrale Lebensmittelversorgung in Bioqualität ermöglichen.

Alfred Grand ist Landwirt im niederösterreichischen Absdorf. »Nebenbei« beschäftigt er sich seit 20 Jahren mit Regenwürmern. Sein Forschungs- und Demonstrationsbauernhof hat drei Schwerpunkte: Bodengesundheit, Agroforst und Market Gardening. Bild: Michèle Pauty.

Was ist drin, im Kisterl?

Ein großes Biokistl kostet beim Team vom Grand Garten 20 Euro die Woche, das kleine 15 Euro. Im Schnitt bringt ein Kisterl also rund 1.000 Euro Umsatz im Jahr, seine 150 KundInnen erwerben bei ihm so Gemüse um 150.000 Euro. Dafür wird derzeit gut ein halber Hek­tar bewirtschaftet. »Als Startkapital für die Bewirtschaftung eines Hektars inklusive Pacht brauche ich in Österreich rund 50.000 Euro«, erklärt Grand. »Wenn man zu zweit ist und im ersten Jahr nichts für die eigene Arbeit entnimmt.«
Es ist das erste Jahr des Bestehens des Market Gardens in Absdorf. Im Juni 2019 erfolgte die Vermessung der auch zuvor schon landwirtschaftlich genutzten, gut einen Hektar großen Fläche, das Einzäunen gegen Gemüseraub durch Hasen und das Anlegen der Beete. Der Rest der Fläche soll folgen.

Die Schleiereule wirkte bei ihrer Ankunft auf der Grand Farm noch etwas desorientiert. Gut, dass sie von einem Profi an ihr künftiges – speziell für ihre Bedürfnisse angelegtes – Zuhause gewöhnt wurde. Bild: Grand Garden.

Forschung im Garten

Der Absdorfer Market Garden unterscheidet sich von anderen, weil er ein Forschungsgarten ist. Hier sollen Erkenntnisse generiert werden, die zur Verbreitung der Idee beitragen. Die Beetbreite von 0,75 Metern und die -länge von rund 30 Metern sind beispielsweise auf das Konzept der Handarbeit mit Lowtech-Geräten abgestimmt. Welche Fruchtfolge optimal ist usw., das gehört erst systematisch erforscht.
Derzeit braucht es in diesem Market Garden vier bis fünf Vollzeitarbeitskräfte, Forschung und Erfahrung sollen schnelle Effizienzsteigerungen bringen – damit dieselbe Produktionsmenge von zwei bis drei Menschen erwirtschaftet werden kann.     


     


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