#Klamottenkur #Nunukaller #Groschenfallen #Männerundshoppen #Dariadaria

nunu07

Bild: Elisabeth Mondl

Nunu Kaller hat ein Jahr lang keine Kleidung gekauft. Für die Klamottenkur hat BIORAMA sie getroffen und ein bisschen mit ihr geplaudert.

BIORAMA: Du hast eine „Shoppingdiät“ gemacht und ich bin gerade mitten in der „Klamottenkur“. Ist das jetzt Trend?

Nunu Kaller: Ich habe schon auch das Gefühl, dass es ein gewisser Trend ist, der einher geht mit diesen Nachhaltigkeits- und Biobewegungen. Ich krieg ein bisschen ein ungutes Bauchgefühl bei Trends, weil ein Trend auch schnell wieder vergeht. Es gibt immer mehr Leute, die nicht okay finden, was in Bangladesch abgeht und die das nicht unterstützen wollen. Auch der Aspekt Umweltschutz wird dabei immer wichtiger. Ich kann aber ganz schwer einschätzen, ob das eine immer größer werdende Gruppe ist, oder ob ich nur immer tiefer in diese Szene eingetaucht bin.

Die Klamottenkur bedeutet in sieben Wochen dürfen 50 Teile getragen werden. Was hältst du generell davon?

Ich finde alles super, was dir einen bewussteren Umgang mit deinen Besitztümern beibringt – ganz allgemein formuliert. Und gerade im Bereich der Mode finde ich auch diese Aktion super, wo eine Amerikanerin, die in dieser total schicken Agenturszene, wo es nur um Äußeres geht, in Manhattan gearbeitet hat. Sie hat dann beschlossen, sie zieht jetzt für einen Monat nur mehr sechs Teile an. Nach drei Wochen ist es dann dem Ersten im Büro aufgefallen. Finde ich absolut toll diese ganzen Konzepte. Jeder beschließt für sich etwas anderes.

50 Teile – ist das viel oder wenig?

Ich bin eine, die immer einen sehr großen Kleiderschrank mit viel Auswahl hatte. Und das war mir auch bewusst, also hab ich irgendwann beschlossen, auszumisten. In zwanzig Minuten hatte ich meine Ikea-Taschen voll und hab das dann hergeschenkt. 50 Teile – das ist nicht viel. Ich habe definitiv mehr als 50 Teile. Man muss das ja mal wirklich alles zusammenrechnen – vom einzelnen Socken über die Unterwäsche bis zum Wintermantel – da kommen überraschend schnell 50 Teile zusammen.

Du hast in einem Blogpost über die österreichische Bloggerin Dariadaria geschrieben, dass „bei dir das Thema im Vordergrund steht und bei ihr der Style“. Also sind das für dich zwei verschiedene Dinge?

Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich eine Null an der Kamera bin. Richtig gute Fashionblogs leben unter anderem von wirklich tollen Bildern. Ich schieße die Fotos mit meinem Handy aus der Hüfte und mache Selfies über den verstaubten Spiegel. Ich hab einfach keine Geduld fürs Fotografieren.

Das habe ich damit gemeint, die Bildsprache und das modische Teil an sich stehen bei diesen Blogs klar im Vordergrund, während es bei mir Fragen nach dem Ort und der Art der Produktion sind. Madeleine war auf einem guten Weg. Ich finde es sehr schade, dass sie gerade deswegen so beleidigt wurde.

Warum reagieren denn viele Menschen – wie auch im Falle von Dariadaria / Madeleine – so ablehnend anstelle von anerkennend auf einen nachhaltigen Kleidungsstil?

Viele fühlen sich wahrscheinlich auf den Schlips getreten, wenn das eigene Konsumvorbild nur noch nachhaltig konsumiert. In den Köpfen der Leute stellt es sich so dar, als wäre man dadurch etwas Besseres, weil man ja nur noch nachhaltig konsumiert. Das finde ich wahnsinnig schade, weil das eine mit dem anderen relativ wenig zu tun hat. Der Groschen muss bei jedem selbst fallen.

Du schreibst von einem Modeblogger, der sich jetzt auch an der Shoppingdiät versucht. Shoppen und viele Aspekte, die damit zusammenhängen sind oft extrem weiblich – gilt das auch für Konsumdiäten?

Was Kleiderkonsumdiäten angeht. Es heißt ja immer Männer hassen Shopping. Aber es gibt einen Punkt, da erwischt du sie immer. Kauf dir ein Jahr keine neuen Platten oder keine neuen Elektronika, kauf dir ein Jahr keinen neuen Computerkram, irgendetwas gibt es meistens. Grundsätzlich ist Konsum weiblich, Werbung ist eher weiblich. Es ist sicher eine weiblichere Thematik, aber das schließt Männer ja nicht aus. Konsumieren tun wir alle.

Auf deinem Blog gibst du auch Strick- und Nähanleitungen. Kann man das Nähen also als eine Art Nebeneffekt von der Diät sehen oder eine permanente Lust auf Neues?

Ja, definitiv. Das Nähen ist mit Sicherheit – nennen wir es einfach mal – eine Nachwirkung von der Diät, die geblieben ist. Aber ich mache das nicht, weil es mir um das Auffüllen von meinem Kleiderschrank geht, sondern um die Beschäftigung an sich. Stricken entspannt. Damit kann ich ziemlich gut abschalten. Mein halber Freundeskreis ist schon mit Mützen ausgestattet.

Gab denn während der Diät es eine Situation, wo du fast schwach geworden wärst?

Eigentlich nicht. Ich wusste, ich bin da jetzt drin. Meine Blogleser wurden immer mehr und da wollte ich mich auch nicht gerade blamieren. Ich war aber auch nie wirklich in Gefahr. Rückblickend – wenn ich mir meine Haben-Wollen-Posts anschaue – dann waren das jedes Mal braune Stiefel. Die habe ich mir nach diesem Jahr auch als erstes gekauft.

Du sagst, der Groschen muss bei jedem selbst fallen. Wann hast du dich entschieden, nachhaltig zu kaufen?

Da gab es mehrere Momente. Der erste war als ich meinen gesamten Kasten ausgeräumt und die Teile gezählt habe. Da ist mir schon ziemlich schlecht geworden.

Auch so ein Moment war der Baumwollanbau in Indien. Den Bauern wird durch Werbung erklärt, sie sollen ein spezielles Industriesaatgut kaufen. Die Bauern verschulden sich, um größere Landstücke und dieses Saatgut zu kaufen. Dieses Saatgut soll vor allem auch dem Kapselwurm entgegenzukommen, dem größten Schädling auf der Baumwolle. Dieser Kapselwurm ist aber resistent geworden. Die Bauern waren durch ihre Käufe von Land und Saatgut hoch verschuldet. Und den Kapselwurm hatten sie auch auf der Baumwolle. Der indische Bauer weiß sich dann finanziell nicht mehr zu helfen. Der einzige Ausweg: sie trinken Pestizide, um sich das Leben zu nehmen. Das war sicher einer meiner größten Schlüsselmomente.

Genauso wie ein paar Monate nach Rana Plaza. Eine Pressekollegin war direkt vor Ort am Gelände und hat dort die fertig produzierten Kleidungsstücke – schon mit deutschen Markerln versehen – quasi aus den Ruinen gezogen. Ein paar Wochen später war ich bei ihr und hab diese Kleidung gesehen. Kleidung, die in dem Moment produziert wurden als Rana Plaza zusammengestürzt ist. Da ist für mich einfach Schluss.

Nunu Kallers ist Autorin des Buches „Ich kauf nix! – Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde“ – erschienen im Kiwi-Verlag. Und hier geht’s zu ihrem Blog.

VERWANDTE ARTIKEL