Eine kulinarische Reise durch Kuba oder: Wie schmeckt Sozialismus?

Marktangebot: Bohnen, Reis, Tomaten. Bild: Katrin Pliger

Marktangebot: Bohnen, Reis, Tomaten. Bild: Katrin Pliger

Wie funktioniert Stadtlandwirtschaft und Agrarökologie in Kuba? Und was macht die kubanische Küche aus? Eine kulinarische Reise ins Land der Gegensätze.

Wir besuchen Kuba, die „Perle der Antillen“ und heute berühmtes Beispiel für eine nachhaltige Landwirtschaft. Ein großer Teil der Fläche wird „agrarökologisch“ bewirtschaftet, wie die nachhaltige, biologische Landwirtschaft in Kuba genannt wird. Havanna, die größte Stadt der Insel, überzeugt alle Bio-Interessierten durch ihr Modell der städtischen Landwirtschaft, durch die 70 % des Gemüsebedarfs gedeckt werden können.

Die grüne Revolution

Die aus heutiger Sicht günstigen Bedingungen für die nachhaltige Landwirtschaft ergaben sich infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion, damals engster Handelspartner Kubas und Lieferant von billigem Erdöl, Pflanzenschutz-, Dünge- und Nahrungsmittel. Nach dem Zerfall des Ostblockes im Jahr 1989 standen die Traktoren still – wie überhaupt vieles zu dieser Zeit. „Zurück zum Ursprung“ war die Devise: gepflügt wurde wieder mit Ochsengespannen, Produkte wurden mit Kutschen transportiert, Pflanzenschutzmittel wurden aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt und Mischkulturen lösten viele Monokulturen ab. Kuba erlebte eine andere grüne Revolution.

Gemüseverkäuferin am Markt. Bild: David Witzeneder

Gemüseverkäuferin am Markt. Bild: David Witzeneder

Slow aber nicht Slowfood

Doch so „slow“ wir auch vieles in Kuba empfinden – Slowfood steckt noch in den Kinderschuhen. Der Sozialismus hat seine Spuren hinterlassen, auch in den Küchen. Während auf anderen Karibikinseln raffinierte Gerichte mit Fisch und duftenden Gewürzen gereicht werden, öffnete man auf Kuba während vieler Jahre sowjetische Konservendosen. Während der „Spezialperiode zu Friedenszeiten“, wie Zeit nach 1989 auch genannt wird, waren Nahrungsmittel knapp und die Vielfalt begrenzt. In der Küche wurde improvisiert und mit den vorhandenen Zutaten wurde etwas gezaubert.

Hinzu kommt, dass Teile der Bevölkerung Kubas in Zeiten des Zucker-Booms auf den Plantagen arbeiteten und die Mahlzeiten in speziell dafür gebauten Verpflegungsanhängern zu sich nahmen. So „verlernten“ viele Menschen das Kochen. Auch die Abstammung vieler Einwohner Kubas von den westafrikanischen Staaten und aus dem Norden Spaniens haben ihre Spuren hinterlassen. In der nordspanischen und afrikanischen Küche werden typischerweise deftige Eintöpfe zubereitet und die Vielfalt der Zutaten ist oft begrenzt.

Auf den Tellern der staatlichen Restaurants wird dieses Bild allzu oft bestätigt. Und auch die Kubaner selbst sind sich der monotonen heimischen Küche bewusst und wiederholen einer nach dem anderen: „arroz y frijoles no pueden faltar en la mesa“, also Reis und Bohnen dürfen bei Tisch nicht fehlen.

Der Klassiker: Reis mit Bohen, dazu Maniok, Schweinefleisch, ein Stück Banane. Bild: Edel Rivero Camejo

Der Klassiker: Reis mit Bohen, dazu Maniok, Schweinefleisch, ein Stück Banane. Bild: Edel Rivero Camejo

Auf dem Markt

Uns reicht dieses Angebot jedenfalls nicht, wir machen uns auf die Suche nach Bananen und Ananas um unsere karibisch-kulinarischen Träume wahr werden zu lassen. Die erste Station ist ein Supermarkt und wir werden gleich enttäuscht: Kein Obst und Gemüse, dafür deutsche Tomatensauce, Barilla Nudeln, Red Bull und Nestlé Produkte. Viele Lebensmittel muss Kuba importieren. So auch einen Großteil seines Hauptnahrungsmittels, nämlich Reis.

Dieses Bild spiegeln die spärlich bestückten Supermärkte mit ihren vielen uns vertrauten Waren wider. Aber wir suchen immer noch die frischen Früchte und fragen uns durch die Ortschaft. Da entdecken wir endlich die kleinen Märkte, oft versteckt, aber gut gefüllt mit leuchtenden, wunderschön arrangierten Tomaten, Kohlköpfen, Orangen oder Papayas und gut besucht von den Einheimischen.

Immer dabei sind Bohnen, auch sehr häufig sind die frittierten Kochbananen Platanos –hier mit Hühnchenfaschiertem. Bild: Edel Rivero Camejo

Immer dabei sind Bohnen, auch sehr häufig sind die frittierten Kochbananen Platanos –hier mit Hühnchenfaschiertem. Bild: Edel Rivero Camejo

Was essen die Kubaner?

Neugierig geworden, befragen wir die Marktbesucher zu ihren Koch- und Essgewohnheiten. Und wir ahnen es schon: Am häufigsten werden Reis und Bohnen genannt. Und was ist mit Salat? Gemüse? Kräutern? fragen wir nach. Ja, auch, aber nicht so viel. Einige meinen, sie würden jetzt anfangen Salat und Gemüse zu mögen, das sei früher nicht so gewesen. Interessant ist auch die Küchenausstattung: In den einfachsten Küchen gibt es immer einen eigenen Reiskocher. Vielleicht noch einen eigenen Topf für die Bohnen, sonst ein paar Töpfe, Kochlöffel.

Auf Kubas Feldern

Es passiert wieder viel auf Kubas Feldern. Vor den Toren Havannas wachsen in sogenannten Organopónicos, das sind Gemüsebaubetriebe, auf den Dächern der Stadt und in vielen Patios, den Innenhöfen, das Gemüse der Stadt. Besonders die dichten, in Mischkultur bepflanzten Beete der Organopónicos mit ihren Gemüse- und Kräuterarten zeigen uns die vielen Möglichkeiten im tropischen Klima auf.

Organopónico in Havanna. Bild: David Witzeneder

Organopónico in Havanna. Bild: David Witzeneder

Das Gemüse und vor allem die Kräuter werden auch in den privaten Restaurants, den Paladares, verarbeitet, oder an Hotels verkauft. Die Regierung hat vor einigen Jahren den privaten Restaurantbetrieb erlaubt und hat dadurch die kubanische Küche auch für Touristen interessant gemacht. Der Tourismus ist als Devisenbringer eine wichtige Säule in Kubas Wirtschaft und stärkt auch wieder das Bewusstsein für eine schmackhafte kreolische Küche.

Werkzeuge und Wissen weitergeben

Die Bewegung für Agrarökologie und ein Programm für lokale landwirtschaftliche Innovationen haben zu einer Veränderung des kubanischen Agrar- und Ernährungssystems beigetragen. Durch Weiterbildungsangebote ist auch das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung und für den Verzehr von Gemüse gestiegen. Viele Bauern und Bäuerinnen bemühen sich um die Erzeugung hervorragender und ökologisch nachhaltiger Produkte. So zum Beispiel Vilda Figueroa und José Antonio Martinez. Die beiden tüfteln an Methoden der Haltbarmachung von eigenen Gartenprodukten sowie Fisch und Fleisch und entwickeln Rezepte, die sie dann im Eigenverlag publizieren. Sie sind Mitglieder von Slowfood und engagieren sich stark für die Weiterbildung von Erwachsenen. „Wir möchten das Werkzeug zum Haltbarmachen weitergeben“, sagt Vilda.

Sie kreieren ständig neue Rezepte und Methoden des Haltbarmachens und erreichen mit ihren Büchern und Radiosendungen circa eine Million Menschen. Für ihre Arbeit haben sie schon mehrere Auszeichnungen erhalten, unter anderem für ihre Kochbücher.

Typischer gemischter Teller mit Reis und Bohnen (Congrí), Maniok, Geflügel, Salat. Bild: David Witzeneder

Typischer gemischter Teller mit Reis und Bohnen (Congrí), Maniok, Geflügel, Salat. Bild: David Witzeneder

Neben Vilda und José besuchen wir noch einige andere außergewöhnliche Menschen, Vordenker, Pioniere, mutige Menschen, die ihre Versuche machen und uns nun mit Stolz ihre Arbeit zeigen. Diese faszinierenden Bauern und Bäuerinnen wecken in uns die Hoffnung, ihre Erzeugnisse bald auf den Tellern der kubanischen Gastronomie zu finden.

Der Aufenthalt in Kuba hinterlässt auf alle Fälle Spuren. Wir erkennen noch mehr als je zuvor die Wichtigkeit von Regionalität, dem Bewahren der Kochkünste, der Sortenvielfalt und der Ernährungssouveränität für unsere Küche. Die Landwirtschaft, die Verarbeitung und Haltbarmachung der Produkte kann als Teil unserer Lebensqualität gesehen werden. Es liegt in unserer Hand, mit diesen Kulturgütern auch in Zukunft verantwortungsvoll umzugehen.

 

Im Februar 2014 haben Studierende der Universität für Bodenkultur im Zuge der „Interdisziplinären Exkursion zur Ökologischen Landwirtschaft“ Kuba besucht. Unter der Leitung von Friedrich Leitgeb und Christian Vogl vom Institut für Ökologischen Landbau (IfÖL) haben sie zwei Wochen lang Betriebe besichtigt. Der Schwerpunkt lag dabei auf Stadtlandwirtschaft und Agrarökologie. Auf der Exkursion wurden zu Fragestellungen wie kubanische Esskultur oder Agrarökologie in der Praxis mit wissenschaftlichen Methoden Daten gesammelt, um die Erfahrungen dann an Interessierte weitergeben zu können.

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