Wo Nachhaltigkeit zur Gewohnheit wird

Das EU-Forschungsprojekt INHERIT hat sich auf die Suche nach Wegen zu nachhaltigem Verhalten begeben, und wurde fündig, wo Strukturen nachhaltige Verhaltensänderungen begünstigen. 

»Unsere aktuellen Lebensstile und Verhalten sind ökologisch nicht nachhaltig.« Über diese bedauerliche Ausgangslange waren sich die Beteiligten am Projekt Inherit einig. In dem  mehrjährigen, europaweiten Forschungsprojekt haben sie Lösungen für drängende Nachhaltigkeitsprobleme unter die Lupe genommen. Als ,Triple-win solutions’, Lösungen mit dreifachem Gewinn, bezeichnen sie jene Strategien, die sie für vielversprechend halten, um künftigen Generationen eine gesunde, ökologisch nachhaltige und gerechte Welt zu hinterlassen. Schließlich geht es bei Nachhaltigkeit um Hinterlassenschaften, also ums Erben –Inherit eben.

Triple-win für Gesundheit, Ökologie und Gerechtigkeit 

Die Triple-win-Solutions, mit denen sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Griechenland, Lettland, Deutschland, Schweden, Mazedonien, Spanien, Portugal, Tschechien und Norwegen beschäftigt haben, setzen auf Verhaltensänderungen. »Menschen ändern Verhaltensweisen, wenn sie die Motivation, Fähigkeit und Gelegenheit dazu haben.« lautet eine Erkenntnis von Inherit. Und dafür könne man gezielt sorgen. »Bewusstseinsbildung, Schulung und Training sind für die Motivation, die Fähigkeiten und Gelegenheiten von wesentlicher Bedeutung, jedoch nur in Verbindung mit Veränderungen der Umgebung, die neues Verhalten ermöglichen.« Und das bedeutet konkret: Damit Menschen einen nachhaltigen Lebensstil pflegen, muss ihre Umgebung auch so gestaltet sein, dass nachhaltiges Verhalten leicht fällt. Schließlich basiere der Großteil menschlichen Verhaltes nicht auf bewussten Entscheidungen, sondern auf unbewussten Gewohnheiten. »Alltägliches Verhalten ist Teil automatischer Prozesse, die Veränderungen gegenüber resistent sind. Der Kontext und das Umfeld beeinflussen maßgeblich die Entwicklung und das Pflegen von Gewohnheiten.« Um nachhaltiges Verhalten im Alltag zu fördern, bedarf es also mehr als bloßer Information – nämlich der Anpassung von Strukturen auf den unterschiedlichsten Ebenen.

Auf Grundlage der wissenschaftlichen Analysen entwickelten die an Inherit beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Zukunftsszenarien für das Jahr 2040, die in Videoform gebracht wurden und fiktive Charaktere durch ihren Alltag begleiten. 

Ein Park allein reicht nicht, um für Bewegung im Grünen zu sorgen

Um Strukturen so anzupassen, dass die Menschen, die in ihnen leben, nachhaltige Gewohnheiten entwickeln, sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Akteurinnen und Akteure in der Pflicht: „Die Regierungen müssen ein förderliches Umfeld schaffen, der Privatsektor muss neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, und die Bürger müssen als Wähler und Verbraucher Fähigkeiten erwerben und einsetzen, um den Weg des Wandels zu ebnen.” Die zielstrebigsten unter diesen Wegen haben laut den Erkenntnissen von Inherit eines gemeinsam, nämlich die Kombination von Strukturmaßnahmen und Verhaltensmaßnahmen, die an die betroffenen Menschen und ihre Bedürfnisse angepasst sind. Dafür hat das Projektkonsortium Praxisbeispiele aus ganz Europa analysiert. Nur auf das ein oder das andere zu setzen, auf neue Strukturen oder anderes Verhalten, bringe wenig. „Wenn Sie zum Beispiel eine gut zugängliche Grünfläche schaffen, können Menschen sich dort treffen, entspannen, sich bewegen und die Natur genießen.” heißt es zur Veranschaulichung im Abschlussbericht des Projekts. Doch es reiche eben nicht aus, diese Flächen einfach nur zur Verfügung zu stellen. „Es sollten Aktivitäten organisiert werden, um Menschen zu ermutigen Grünanlagen zu nutzen, insbesondere solche, die sonst nicht dazu neigen, solche Flächen zu nutzen.”

Wo es gute Radweg-Netze gibt, wird Rad gefahren 

Für die Wirksamkeit von kombinierten Maßnahmen hat das Inherit-Konsortium in Europa  eine ganze Menge ermutigender Beispiele gefunden. Zum Beispiel im Verkehrsbereich. „Die Anteile des aktiven Transports, also von Radfahren und zu Fuß gehen, sind in Ländern und Städten am höchsten, in denen die Infrastruktur für Fahrradfahrer und Fußgänger sicher und attraktiv ist, in denen Arbeitgeber und Schulen aktiven Verkehr fördern und in denen Kinder Fahrradunterricht haben.” Es komme bei Maßnahmen mit Dreifachgewinn darauf an, auf die Menschen, die sie betreffen, möglichst konkret einzugehen. Das bedeute zum Beispiel, nachhaltiges Verhalten bewusst auch dort zu fördern, wo der finanzielle Gestaltungsspielraum gering ist:  „Für die meisten Menschen, gerade in Gruppen mit niedrigem Einkommen, sind wirtschaftliche Maßnahmen, zum Beispiel finanzielle Anreize – etwa die Besteuerung ungesunder Lebensmittel und Ermäßigungen auf gesunde Lebensmittel – attraktiv.” Gleichzeitig würden preiswertes Obst und Gemüse erst dann zu Verhaltensänderungen mit nachhaltigem Impact auf die Gesundheit führen, wenn es gleichzeitig auch Aufklärung über die richtige Zubereitung und Lagerung gibt.

Auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Reihe von Zukunftsszenarien entwickelt, die ein optimistisches Bild vom Europa des Jahres 2040 zeichnen, und in denen gesunde, ökoligisch nachhaltige und gerechte Lebensstile das Zusammenleben auf dem Kontinent prägen.

Hier  geht es zur Website des Forschungsprojekts INHERIT. 

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