Grüne Erde: Erfahrungen nach dem Facebook-Abschied

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Im März 2015 verabschiedete sich das Unternehmen Grüne Erde bewusst von Facebook. Was sind die Erfahrungen seither? Und wie ging man ohne Facebook-Konto mit dem Shitstorm rechter Ökos um, die dagegen protestierten, als das Unternehmen öffentlich Alexander van der Bellen unterstützte? 

Grüne Erde hat im März 2015 einen ungewöhnlichen Schritt unternommen: Es hat sich bewusst von Facebook und Twitter verabschiedet und verzichtet auch auf den Einsatz von Google Analytics. Begründet wurde das damals mit dem mangelhaften Kundendatenschutz. Was sind denn eure Erfahrungen seither? 

Bernhard Lichtenberger: Als wir uns nach langer Diskussion zum Abschied von den sozialen Medien entschlossen haben, war die Spannung groß, wie unsere Kundinnen und Kunden darauf reagieren. Das Feedback hat uns ehrlich überrascht: Die meisten waren hellauf begeistert über den mutigen Schritt. Offenbar teilen viele unsere Skepsis gegenüber den Internetriesen, die mit unseren Daten große Geschäfte machen.

Presse und Öffentlichkeitsarbeit sind 2016 nicht ohne Social Media möglich. Wie beobachtest du als Pressesprecher, wie Grüne Erde in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?

Bernhard Lichtenberger: Da möchte ich widersprechen: Wir sind schon lange vor dem Internet in engem Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden gestanden, und tun dies auch weiterhin: über Newsletter, unsere Homepage, die Kataloge, unser Kundenmagazin und – ganz besonders wichtig – durch das direkte Gespräch in unseren Shops oder am Kundentelefon. Auf all diesen Kanälen erhalten wir Feedback. Zudem beobachte ich als Pressesprecher natürlich, was in den Medien online und offline über Grüne Erde gesagt wird.

Andere Unternehmen setzen in der Kundenkommunikation massiv auf soziale Netzwerke. Wie geht man denn damit um, wenn einem die Plattformen der Mitbewerber nicht zur Verfügung stehen?

Bernhard Lichtenberger: Im 21. Jahrhundert auf soziale Netzwerke und praktische Online-Tools wie Google Analytics oder externe Zählpixel zu verzichten, erscheint auf den ersten Blick völlig abwegig. Andererseits kenne ich kein Unternehmen, das seinen Erfolg allein dem Umstand verdankt, dass es tausende Euro und unzählige Arbeitsstunden in seinen Facebook-Auftritt buttert. Die eigenen Ansprüche zwingen uns bei der Grünen Erde zu alternativen Lösungen: Wir haben zum Beispiel auf unserer Homepage ein Forum programmiert, in dem sich unsere Kundinnen und Kunden austauschen können, ohne dass Daten nach außen gehen. Im Prinzip ist es ähnlich wie mit unseren Möbeln: Verzichtet man – so wie wir – bewusst auf scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Metallverbindungen, Pressspanplatten und Plastikteile, dann muss man abseits der ausgetrampelten Pfade denken und kreative Wege beschreiten.

Im März 2015 verabschiedete sich das Unternehmen Grüne Erde bewusst von Facebook. Was sind die Erfahrungen seither?

Nutzt du privat Facebook, Twitter oder Instagram?
Bernhard Lichtenberger: Als beruflicher Netzwerker nutze ich weiterhin soziale Medien, versuche aber, so wenig private Daten wie möglich preiszugeben.

Reinhard Kepplinger und Kuno Haas, die Eigentümer von Grüne Erde, haben im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf in beiden Wahlgängen den ehemaligen Parteichef der Grünen Alexander van der Bellen unterstützt – auf der offiziellen Firmen-Website. Daraufhin gab es einen Shitstorm rechter Ökos, die erklärten, Grüne Erde künftig boykottieren zu wollen. Ist dieser Boykott spürbar?

Bernhard Lichtenberger: Die Reaktionen auf die Wahlempfehlung waren teilweise ganz schön deftig. Als ein Unternehmen, das nicht nur für die Qualität seiner Produkte, sondern auch für ökologische und soziale Verantwortung steht, beziehen wir immer wieder zu gesellschaftspolitischen Fragen klar Stellung. Damit ecken wir mitunter bei unseren Kundinnen und Kunden an. Aber selbst, wenn wir angefeindet werden und dadurch den einen oder anderen Auftrag verlieren, betrachten wir es als unsere Pflicht, Farbe zu bekennen. Wir sind aber kein politikfreies Unternehmen, sondern verfolgen seit der Gründung vor mehr als 30 Jahren das Ziel, die Welt mit unserem Denken und Handeln sowie mit unseren Produkten sozial fairer und ökologisch besser zu machen.

Wie reagiert man denn auf einen Shitstorm, wenn man selbst bewusst auf Social Media verzichtet?

Bernhard Lichtenberger: Ein Shitstorm spielt sich ja nicht nur in den sozialen Netzwerken ab: Ob am Telefon, per E-Mail, im Forum auf unserer Homepage oder im direkten Gespräch haben wir mit den Kritikern diskutiert – zumindest solange eine sachliche Diskussion möglich war. Wie schon bei unserem Abschied von Facebook haben aber die positiven Rückmeldungen auf unsere Wahlempfehlung deutlich überwogen.

Viele Unternehmen würden eine eindeutige Positionierung vermeiden. Wie wurde denn diese Unterstützung im Unternehmen aufgenommen? Schließlich war auch der rechtsextreme Kandidat Norbert Hofer eine Zeit lang Umweltsprecher seiner Partei.

Bernhard Lichtenberger: Die Wahlempfehlung hat bei uns auch intern für eine ordentliche Debatte gesorgt: Wenn wir uns als Grüne Erde für die Flüchtlingshilfe oder gegen TTIP positionieren, ist das was gänzlich anderes, als wenn wir einen Kandidaten bei einer Wahl unterstützen. Dass wir Alexander Van der Bellen und nicht Norbert Hofer empfehlen, war für die meisten weniger ein Problem. Immerhin steht der Kandidat der Grünen nicht nur in ökologischen, sondern auch in sozialen und politischen Fragen der Grünen Erde näher.

Viele der Werte, für die Grüne Erde steht – Ökologie, Heimat, Holz, Regionalität – sprechen auch rechte Ökos an. Darüber hinaus positioniert sich das Unternehmen bewusst offen und präsentiert etwa auch in der neuen Ausgabe eures Kundenmagazins wie Grüne Erde sich für Flüchtlingshilfe einsetzt. Habt ihr eigentlich Marktdaten wieviele rechte Ökos ihr dadurch vergrault?

Bernhard Lichtenberger: Über die genauen Zahlen der rechten Ökos wissen wir nichts. Fakt ist aber, dass es seit Jahrzehnten Versuche von nationalistischen Kreisen gibt, Themen wie Ökologie und Regionalität zu besetzen: Ein Bett aus österreichischem Holz vom österreichischen Tischler für österreichische Kunden – das lässt einen gewaschenen Rechten schon mal von einem Ende der Wirrungen und Irrungen der Globalisierung träumen. Sicherlich sprechen unsere Produkte dieses Klientel an, aber spätestens, wenn es über unsere Firmenphilosophie stolpert, wechselt es zu einem anderen Anbieter.

Wird Grüne Erde Alexander Van der Bellen auch bei der Wiederholung der Stichwahl unterstützen?

Bernhard Lichtenberger: Selbstverständlich. Kuno Haas und Reinhard Kepplinger, die beiden Eigentümer von Grüne Erde, saßen und sitzen im Personenkomitee von Alexander Van der Bellen. Zum ersten Mal besteht in Österreich die realistische Chance, einen Kandidaten mit einem fundierten Wirtschaftsverständnis und einem humanistisch, sozial und ökologisch geprägten Wertesystem zum Bundespräsidenten zu wählen. Diese Chance müssen wir nutzen.


Als sich Grüne Erde 2015 von Facebook verabschiedet hat, hat der Kommunikationsprofi Alexander Oswald das auf biorama.eu kommentiert

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