Food Coops versus Wirtschaftskammer

Der Wirtschaftskammer ein Dorn im Auge: Food Coops (Bild: Wikimedia Commons, CC SA 3.0)

Der Wirtschaftskammer ein Dorn im Auge: Food Coops (Bild: Wikimedia Commons, CC SA 3.0)

Wie Lebensmittelkooperativen ins Visier der Wirtschaftskammer geraten sind, und warum das fragwürdig ist. Ein Gastbeitrag von Richard Schachinger. 

Links neben der Bundesstraße ragt die Shopping-Mall mit ihren 32.000m² Verkaufsfläche in die Höhe. Auf der rechten Seite liegt die historische Innenstadt, die – mit Leerständen konfrontiert – um ihre Zukunft ringt. Diese Momentaufnahme stammt aus dem oberösterreichischen Vöcklabruck. Und doch könnten wir uns in so gut wie jeder anderen Region Österreichs befinden: Massenkonsum, Bodenversiegelung und Individualverkehr sind bestimmende Faktoren in der hiesigen Flächenwidmungspolitik. Als hätte jemand im großen Maßstab „Copy&Paste“ gedrückt, wird dadurch unsere Kulturlandschaft geprägt – oft genug zu Lasten der ökologischen und (land-)wirtschaftlichen Vielfalt vor Ort.

Trends wie diese entwickeln sich allerdings selten einseitig. Sie sind auch Anstoß und Nährboden für Alternativen, die sich insbesondere auch in einer möglichst nachhaltigen, regionalen wie saisonalen Ernährungsweise widerspiegeln: Das weiß auch die 29-jährige Bio-Bäuerin Stefanie Reisenberger zu schätzen, die für ihre solidarische Landwirtschaft „SOLAWI“ einen ehemaligen Leerstand in der Bahnhofstraße nutzt. Seit zwei Jahren verkauft sie dort je eine Kiste voller Gemüse an stets dieselben 33 Konsumenten und Konsumentinnen. Diese finanzieren mit ihrem Abo die Gemüseproduktion, tragen aber auch das Risiko von Ernteausfällen mit. Im Gegenzug haben sie regelmäßigen Zugang zu frischem Gemüse aus der Region und wissen, wer es wie produziert. Diese Gewissheit und die direkte Verbindung von Bauer bzw. Bäuerin mit den KonsumentInnen bilden auch die Basis von Lebensmittelkooperativen, den so genannten „Food Coops“.

Es geht um das Stärken regionaler Wirtschaftskreisläufe

Sie lassen sich als strukturiertere Variante der „SOLAWI“ lesen: Ein Zusammenschluss von Haushalten und Einzelpersonen bezieht selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen, Gärtnereien oder Imkereien. Erstmals Fuß gefasst haben derartige Initiativen in Österreich um die Jahrtausendwende in Wien, damals noch in erster Linie als studentisches Statement gegen den anonymen Massenkonsum in Supermärkten. Mittlerweile hat sich die Motivlage ausdifferenziert und beruht auf zentralen Aspekten der Regionalentwicklung: Es geht darum, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und sich möglichst gut von Abhängigkeiten – wie beispielsweise globalen Transport- oder Kapitalströme – zu lösen. Aus Sicht der ProtagonistInnen ein Entwicklungspfad in Richtung regionaler Selbstständigkeit und Lebensqualität, der sich offenkundig großer Nachfrage erfreuen kann: Zuletzt haben sich zahlreiche Kooperationen außerhalb der Ballungsräume gegründet – für gewöhnlich mit wohlwollender Unterstützung der Kommunalpolitik bzw. im Rahmen von „Agenda 21 – Prozessen für einen Lebensraum der Zukunft“.

Die Wirtschaftskammer sieht Konkurrenz zum Einzelhandel

Fünf dieser oberösterreichischen Food Coop-Vereine stehen nun allerdings unfreiwillig im überregionalen Rampenlicht: Die Wirtschaftskammer (WKO) sieht in den Kooperativen eine Konkurrenz für den Lebensmittelhandel und verortet eine unbefugte Gewerbeausübung – vorbei am Fiskus und der Lebensmittelaufsicht. In einem Schreiben an die Vereine hat die WKO kürzlich zur Gewerbeanmeldung aufgefordert – andernfalls drohe eine Anzeige. Dieses Vorgehen mag in Härte und teils historisch aufgeladenem Tonfall („wehret den Anfängen“) überzogen erscheinen. Doch angesichts schwächelnder Konjunktur und neuen Vorschriften – Stichwort Registrierkassenpflicht – sind Form und Zeitpunkt der Offensive wohl kein allzu überraschender. Darauf deutet zumindest auch eine weitere WKO-Aussendung aus Oberösterreich hin, wonach so genannte „Spaßvereine mit ihren Festen Gesetze missbrauchen“ würden.

Tatsächlich ist einem Verein – im Gegensatz zu einer Genossenschaft – der wirtschaftliche Vorteil für seine Mitglieder untersagt. Für die Food Coop-Mitglieder mögen das ehrenamtliche Engagement und der direkte Kontakt zur Landwirtschaft zweifelsohne ein Gewinn sein – allerdings kein materieller. Sie betreiben nach eigener Auffassung eben keinen Handel, sondern würden lediglich den direkten Verkauf von ErzeugerInnen an KonsumentInnen sicherstellen. Insofern erscheint auch der Konkurrenz-Vorwurf paradox, sei doch just der Mangel an lokalen Lebensmitteln ein wesentliches Gründungsmotiv und der Geldtransfer ein äußerst bescheidener. Aus Sicht der WKO hingegen begründe sich der Vorteil schon alleine im fehlenden Zwischenhandel bzw. der wegfallenden Preisspanne. Entsprechend groß sind der Unmut der Betroffenen und die mediale Aufmerksamkeit in den letzten Tagen.

Eine Lösung am Verhandlungstisch wird gesucht

Ob nun ein Gewerbe vorliegt oder nicht: Diese Frage wird wohl von der jeweiligen Handhabe abhängen. Die Rechtslage ist nämlich nicht eindeutig bzw. guter Rat spärlich – schließlich bewegt man sich als demokratischer Verein schnell im Zwischenstromland der Interessen von Wirtschafts- und Arbeiterkammer. Jedenfalls ist schon jetzt gewiss: Die Entscheidung dieser Causa wird als Präzedenzfall bundesweite Auswirkungen auf Lebensmittelkooperativen haben – im Positiven, wie im Negativen. Dessen sind sich auch der zuständige Landesrat Rudi Anschober und „Bio Austria“ bewusst bzw. bemühen sie sich Anfang Mai um eine Lösung mit der WKO am Verhandlungstisch. Ungeachtet dessen bezeugt diese Kontroverse, wie sehr Food Coops als ernstzunehmende Bewegung bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.


Was Food-Coops genau sind, beschreiben wir hier

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Richard Schachinger (@schach_spieler) ist Soziologe und Geschäftsführer der Kulturplattform Oberösterreich

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