Dokumentation „Fair Food“ – Aufstand der Tomatenpflücker

Nicht so fair - Tomaten

Schuften für eine Hand voll Tomaten. Bild: Tiberius Film

 „Fair Food“ dreht sich um eine kleine, aufsässige Vereinigung von Tomatenpflückern in den USA, die mit ihren Aktionen erfolgreich gegen die Missstände und Ungerechtigkeiten in ihrer Branche ankämpfen und damit der ganzen Welt ein Beispiel liefern.

Woher kommen die Tomaten? – Es scheint als hätte sich in den USA noch niemand diese Frage gestellt. Denn würden Erntehelfer in den Staaten vernünftig bezahlt und behandelt, wäre die Dokumentation, die unter anderem von Regisseur Sanjay Rawal und Eva Longoria (bekannt aus „Desperate Housewives“) produziert wurde, nicht nötig gewesen.

In „Fair Food“ geht es um die Arbeitergemeinschaft CIW (Coalition of Immokalee Workers), die mit ihrem Programm „Fair Food“ nicht weniger will, als die Regeln des Handelssystems zu verändern.

In weiten Teilen begleitet die Dokumentation die Aktivisten der CIW aus Immokalee (Florida), einer der Orte, aus denen im Winter die USA mit Gemüse versorgt werden.

In den 83 Minuten sehen die Macher dem Tomatenpflücker und Aktivisten Lucas Benitez über die Schulter, prangern Missstände an, die immer noch den Erntehelfern das Leben erschweren, zeigen Hintergründe, Zusammenhänge und geschichtliche Parallelen auf.

Eimer für Eimer

Bezahlung pro Eimer – Tomatenernte in Immokalee. Bild: Tiberius Film

 Von 5 Uhr bis 20 Uhr unterwegs – für 42 Dollar

In der Produktion gewinnt der Zuschauer zuerst viele Eindrücke darüber, wie Landarbeiter in den USA auch noch in der heutigen Zeit ausgebeutet werden. Man begleitet die Tomatenpflücker von Immokalee auf’s Feld, wo sie für einen Tageslohn von 42 Dollar weit über zehn Stunden schuften und unter anderem den Pestiziden ausgesetzt sind.

Man erfährt, wie der Aufstand der Tomatenpflücker begann, wie sie zuerst die Farmer als Verantwortliche identifizierten, letztendlich aber die Fast Food- und Supermarktketten als die maßgeblichen Preisbestimmer ausmachten – und damit die, die ihren Lohn drücken.

Die großen Abnehmer kaufen in großen Mengen. Und weil es in den USA nur wenige davon gibt, bestimmen sie die Preise. So wird der Kreislauf von Ausbeutung und Armutseinwanderung weiter am Laufen gehalten.

Tomatenernte in Immokalee

Etwa 2 Tonnen Gewicht transportiert ein Mensch am Tag. Bild: Tiberius Film

 Ein Arbeiter bewegt zwei Tonnen am Tag – für umgerechnet 30 Euro

Und hier setzen die Aktivisten der CIW mit ihrer zentralen Forderung an: 1 Cent vom Verkaufspreis eines Pfunds Tomaten soll direkt an die Arbeiter auf dem Feld gehen. Das würde ihr Gehalt verdoppeln und über Armutsniveau heben – eine vierköpfige amerikanische Familie würde es dagegen nur 44 Cent im Jahr mehr für den Tomateneinkauf kosten.

Durchaus unterhaltsam und leicht verständlich klärt der Film die Zusammenhänge zwischen Handelsketten, Einwanderungspolitik, dem Handelsabkommen NAFTA und dem Kunden am anderen Ende der Wertschöpfungskette.

Mit aufrüttelnden Parallelen zu den Landarbeiterstreiks in den 60er-Jahren leitet die Geschichte über zu einem Hungerstreik, mit dem sich die CIW Gehör bei der Supermarktkette Publix verschaffen will.

DieImmokalee-Arbeiter stehen exemplarisch für den ganzen Berufsstand der Erntehelfer, die manchmal in noch viel paradoxeren Situationen arbeiten müssen – wie etwa die obdachlosen Erntehelfer im Weinanbaugebiet Napa Valley, die in der Nähe millionenschwerer Villen campieren.

"Ich bin auch ein Mensch"

CIW beim Hungerstreik vor der Publix Firmenzentrale. Bild: Tiberius Film

 Überzeugungsarbeit mit sehr viel Ausdauer

Die Kamera ist immer ganz nah dran am Geschehen, fängt mit vielen ausdrucksstarken Bildern den ausdauernden Arbeitskampf der Arbeiter von Immokalee ein, und zeigt auch ihre ersten Erfolge wie die Einwilligung von Taco Bell, am Fair-Food-Programm teil zu nehmen: Nach fünf Jahren Belagerung gestand die Fast-Food-Kette den Arbeitern einen Cent mehr pro Pfund Tomaten zu.

Die sympathischen Tomatenpflücker, die mit ihren eher moderaten Forderungen nie mehr wollten, als menschlich behandelt und respektiert zu werden, haben viel erreicht. Das zeigt die Dokumentation, bei der wenige Fragen offen bleiben – zumindest was die Situation in den USA angeht.

Ende des Hungerstreiks

CIW-Aktivisten beim Fastenbrechen. Bild: Tiberius Film

Nicht nur für die USA relevant

Der Film hinterlässt trotz des ernsten Themas ein wohliges, warmes Gefühl, wohl vor allem, weil auch ein „Teil-Happy-End“ aufatmen lässt: Immerhin ist es die Geschichte einer kleinen Gruppe, die viel erreichen kann und als Vorbild für viele andere Beschäftigte auch anderswo auf der Welt steht.

Zwar spielt der Film weit weg in den wirtschaftshörigen USA. Es lohnt sich aber durchaus auch in Europa zu hinterfragen unter welchen sozialen Bedingungen die Lebensmittel produziert werden. Denn auch in Europa haben große Supermarktketten, wie Aldi oder Lidl, großen Einfluss auf die Preise.

In Deutschland wurde gerade erst der Mindestlohn eingeführt und gilt jetzt auch für Erntehelfer wie Spargelstecher und Erdbeerpflücker. In Spanien und Frankreich liegt der Tageslohn für die Oliven- bzw. Traubenernte bei etwa 50 Euro. Und in Kambodscha produzieren Textilarbeiter zum Niedrigstlohn für den europäischen Markt.

Lohndumping ist also immer noch ein brennendes Thema, nicht nur in den USA. Nicht zuletzt aber, erzählen die Filmemacher einfach eine hoffnungsvolle Geschichte über Willenskraft, Ausdauer und Gemeinschaft.

 

„Fair Food“
Dokumentation
Regie: Sanjay Rawal
ab 5. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich

klein-fair-TiberiusFilm

 

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