Die unbequeme Wahrheit fernsehen: Vollkorn

Bild: VOLLKORN

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„Vollkorn“ ist eine Serie, die von der konsumgesteuerten Lebensweise unserer Gesellschaft erzählt, von den Folgen und Bedingungen unserer alltäglichen Handlungen, dem Bewusstsein unserer Generation. Entwickelt wird die Serie von der Hermauser Produktion, ein Künstlerkollektiv, auf die Beine gestellt von Tina Feyrer und Philipp Blihal. Die beiden haben BIORAMA mehr über ihr Projekt erzählt.

 

BIORAMA: Können Sie kurz über den Inhalt der Serie berichten?

Tina Feyrer: „Vollkorn“ ist eine Abenteuer- und Mysteryserie mit Elementen der klassischen Dokumentation. Sie schildert die Geschichte von vier jungen Leuten, die einander kaum kennen, deren Leben aber auf mehreren Ebenen miteinander verstrickt sind. Die Vier begeben sich gemeinsam auf eine Reise nach Italien, wo sie den Sommer in einem alten Steinhaus in Umbrien verbringen möchten. Diese Reise wird jedoch von Ereignissen überschattet, die bald nicht nur den Reiseplänen, sondern auch dem Leben der Vier eine drastische Wendung geben. Die Frage nach einem respektvollen Umgang mit Mensch, Tier und Natur gewinnt plötzlich Bedeutung und lässt letztlich vieles andere fragwürdig erscheinen.

Wie und wann ist Ihnen die Idee zu dieser Serie gekommen?

Philipp Blihall: Zunächst gab es den Gedanken, eine Doku-Reihe mit vier jungen Erwachsenen zu machen, die durch das Land reisen und Menschen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Ressourcenverknappung, Land-, Forst- und Energiewirtschaft zu interviewen. Dass das sehr interessant sein könnte und auch einen gewissen Bildungsauftrag erfüllen würde, war uns klar, aber eben auch, wie wenig es im Endeffekt erreichen würde. Wir wollten mehr daraus machen, dem Ganzen ein neues Gesicht geben und auch Menschen ansprechen, die sich eine Doku zu diesen Themen nicht unbedingt ansehen würden.

Hinter der Idee steht Herrmauser Produktion, ein Künstlerkollektiv. Können Sie uns etwas über dieses Kollektiv erzählen? 

Tina Feyrer: Philipp und ich gründeten Herrmauser 2009. Es war Ergebnis unserer Zusammenarbeit im Zuge des neo-noir Theaterprojekts „Soulstrip“. Das Kollektiv unterscheidet sich von anderen Produktionsfirmen durch eine dezentrale Organisationsstruktur, die neue Ideen und alternative Produktionsmethoden ermöglicht. Wir lieben unbequeme Wahrheiten und graben gerne aus, was andere Menschen lieber verstecken möchten.

Haben Sie jemals davor an einer ähnlichen Idee gearbeitet? Welche Projekte werden sonst noch in der Herrmauser Produktion entwickelt?

Tina Feyrer: Eine Serie ist für uns neues Terrain. Viele von uns haben lange Zeit im Theater gearbeitet; das beeinflusst natürlich auch unseren Umgang mit dem Medium Film und die Arbeit mit den Schauspielern. Zur Zeit sind wir parallel dazu mit Vorbereitungen für die Wiederaufnahme unseres Stücks „Soulstrip“ in Triest in einer englisch-italienischen Fassung beschäftigt und drehen an dem Kurzfilm „Nachtmeerfahrt“, der in Zusammenarbeit mit dem Lichtkünstler Wolfgang Pilat entsteht.

Warum der Name „Vollkorn“?

Philipp Blihall: „Vollkorn“ impliziert fast alles, was wir mit diesem Projekt ausdrücken wollen, wie zum Beispiel Ursprünglichkeit und Authentizität. Aber eben auch, dass in jeder Schale ein Kern steckt, der oft ganz anders aussieht, als man es erwarten würde.

Wo und wann wird die Serie zu sehen sein?

Tina Feyrer: Das Konzept, unter dem wir „Vollkorn“ entwickelt haben, erlaubt mehrere Realisierungsformen, unter anderem auch die einer Webserie. In jedem Fall möchten wir mit unserem Publikum in engem Austausch stehen – die Zuschauer sollen bereits im Zuge des Entstehungsprozesses eingebunden sein und dadurch Teil des Projekts werden. Nicht vereinbaren lässt sich „Vollkorn“ mit der Zensur einer Instanz, die gewisse Dinge lieber nicht zeigen möchte.

Wie planen Sie das Publikum in den Entstehungsprozess einzubeziehen?

Philipp Blihall: Der parallel zur Sendung entstehende „Vollkorn“-Blog lädt die Zuschauern ein, mit den Schauspielern und den Menschen, denen diese begegnen, in Kontakt zu treten. Der Blog wird auch mit einem Youtube-Channel verbunden sein, der Making-off-Videos und kurze Videoblogs bereithält. Orte, welche die Vier bereisen und Menschen, mit denen sie ins Gespräch kommen, können in weiterer Entwicklung ebenfalls auf Anregungen der Zuschauer wiederkehren.

Bild: VOLLKORN

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In „Vollkorn“ wird das Publikum unter anderem mit der Frage, ob Einzelne an unserem Gesellschaftssystem tatsächlich etwas verändern können, konfrontiert. Was Sagen Sie persönlich dazu?

Philipp Blihall: Ich denke, wenn jeder oder jede für sich zurück zum Ursprung geht, dann bleibt für ihn oder sie nur mehr eins: Natur pur. Aber Spaß beiseite: Jeder Einzelne kann mehr erreichen, als er oder sie sich vorstellt! Denn  jeder Einzelne entscheidet täglich, ob er oder sie die Nahrungsmittel beim Diskonter ums Eck oder am wöchentlichen Bauernmarkt ein paar Blöcke weiter einkauft. Es ist schon klar: Vieles ist anfangs nicht bequem und erfordert Einschnitte. Es ist definitiv ein Spurwechsel bei 180 km/h, um gerade noch die richtige Ausfahrt auf der Autobahn zu erwischen. Wir wollen mit unserer Serie zeigen, dass es wichtig ist, nicht nur durchs Leben zu rasen, sondern eben auch an die Ausfahrten zu denken.

Was soll die Grundaussage der Serie sein? Was soll sie bei den Zuschauern bewirken?

Tina Feyrer: „Vollkorn“ soll den Menschen Mut machen, eine natürliche Neugierde für das zu entwickeln, was uns umgibt, Dinge in Frage zu stellen, offen und wissbegierig zu sein. Wir dürfen uns nicht für dumm verkaufen lassen und wir müssen uns der Macht, die wir als einzelne Entscheidungsträger besitzen, bewusst werden und sie nützen. 

Wie wird die Serie finanziert?

Tina Feyrer: Kommenden Monat, also im Mai, wird Vollkorn auf die Crowdfundingplattform Indiego gestellt. Es ist nicht leicht, Projekte auf die Beine zu stellen, die nicht dem konventionellen Geschmack entsprechen. Aber genau hier setzt ja Vollkorn an. Die Serie antwortet auf ein allgemeines Bedürfnis, nicht auf allgemeine Erwartungen.

Was macht die Serie zu etwas Besonderem? Warum den Fernseher aufdrehen?

Tina Feyrer: Schöne Landschaft und viel Sex! „Vollkorn“ ist eine leicht zu konsumierende Abendunterhaltung, die vielleicht nicht allen leicht bekommen wird – in jedem Fall ist „Vollkorn“ anders, ungewöhnlich und nicht immer bequem.
www.herrmauser.com

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