Handwerkliches Bier entfaltet Wirtschafts-Craft

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Craft Beer ist mehr als ein kurzfristiger Hype. Der Trend aus den USA ist mittlerweile etabliert. Aus Hobbybrauern werden professionelle Bierproduzenten. 

Der Craft Beer Trend ist einer jener Trends, die in den vergangenen Jahren über den Atlantik von Nordamerika nach Europa „übergeschwappt“ sind. Nun könnte man dagegenhalten, dass kleine, handwerklich gebraute Biere doch in Europa eine mindestens genau so lange Tradition haben, wie auf der gegenüberliegenden Seite des Großen Teichs. Stimmt eh. Allerdings ist es wohl kein Wunder, dass Mikro- und Kleinbrauereien auch in Europa auf den Begriff „Craft Beer“ setzen, wenn es um die Vermarktung ihrer exklusiven Produkte geht.

Jimmy Carter machte Home-Brewing möglich

1976 legalisierte die Regierung von Präsident Jimmy Carter das Brauen zuhause, das sogenannte Home-Brewing. Das war in den USA gewissermaßen der Startschuss für die Entwicklung einer regen Brauerszene fernab der Industrie. Vier Jahrzehnte später ist Craft Beer zum globalen Trend geworden. Dass auch in Europa immer mehr Bier im heimischen Hobbykeller gebraut wird, könnte dementsprechend auch als ein erstes Anzeichen für einen Boom bei professionellen Kleinstbrauereien gewertet werden. Douglas W. Murray und Martin A. O’Neill, zwei Wissenschaftler von der Universität Auburn im US-Bundesstaat Alabama haben ihren Blick tief ins Craft Beer-Glas wandern lassen, und untersucht, welche Potenziale sich für handwerklich gebraute Biere auf dem amerikanischen Biermarkt ergeben. Ihre Ergebnisse sind zwar nicht 1 zu 1 auf Europa übertragbar, ein paar der Aussagen dürften aber auch für Europas Biermarkt Relevanz haben. In der Studie, die im „British Food Journal“ veröffentlicht wurde, heißt es: „Der Markt hat sich dramatisch verändert, seit das Zuhause-Brauen legalisiert wurde. Fast jede regionale Brauerei, fast jede Mikrobrauerei und fast jede Brau-Bar gehen auf Home-Brewing zurück.“  Durch die Legalisierung des Bierbrauens in den eigenen vier Wänden sei unter Amerikas Brau-Enthusiasten eine  gewaltige Kreativität entfesselt worden. Inzwischen lautet die ehrgeizige Zielvorgabe der Brewers Association in den USA, bis 2020 einen Craft Beer Anteil von 20 Prozent am gesamten Biermarkt, zu etablieren. „20 by 20“ lautet die griffige Formel dafür.

Brauer: Vom Hobby zum Beruf

Eine Gesetzesänderung beim Thema Brauen hat es auf dieser Seite des Atlantiks – zumindest in Österreich – in letzter Zeit nicht gegeben. Dennoch boomt das Bierbrauen als Hobby. Und so mancher Bier-Enthusiast macht inzwischen sein Hobby zum Beruf. In Wien zum Beispiel haben sich jüngst ein paar Hobby-Bierbrauer dazu entschlossen, sich zu professionalisieren. Unter dem Namen Sü(n)dikat wollen sie ihre bisher eher aus privater Leidenschaft gebrauten Biere auf den Markt bringen. Der Name Sü(n)dikat geht auf die Herkunft der Neo-Brauer zurück, denn alle stammen aus dem Süden Wiens bzw. aus Orten im Süden der Hauptstadt, nämlich aus Hietzing, Rodaun, Perchtoldsdorf, Mödling, Maria Enzersdorf, Laxenburg und Wiener Neudorf.

Ihre Kreativität lässt sich an den Namen ihrer Biere ablesen. „100 Blumen“ nennt sich zum Beispiel ein Bier mit 12,5° Stammwürze, das bisher ausschließlich in Wien käuflich zu erwerben ist und selbstbewusst als „das Helle des neuen Wiener Typus“ beworben wird. Dahinter steckt Alexander Forstinger. Gemeinsam mit sechs anderen Brauern will er sein Hobby zum Beruf machen. Über eine eigene Brauanlage verfügen einige Brauer des Sü(n)dikats noch nicht, und deshalb ist man auf fremde Anlagen angewiesen. Das geht so manchem Brauer so. Die Bierszene hat für die wandernden Brauer einen eigenen Begriff: Gipsybrauer.

Die Wander- oder Gipsybrauer vom Sü(n)dikat.

Die Wander- oder Gipsybrauer vom Sü(n)dikat.

Handel und Gastronomie ziehen mit

Damit aus dem privaten Brauen tatsächlich ein Geschäft werden kann, muss natürlich auch der Handel seinen Teil beitragen. Die Verfasser der amerikanischen Craft Beer-Studie geben der Gastronomie und dem Lebensmittel-Einzelhandel ein paar Empfehlungen. Es sei ratsam, Expertise in Sachen Craft Beer aufzubauen. Service-Personal, dass sich mit den Eigenschaften unterschiedlicher Biere auskennt, eine abwechslungsreiche Bier-Auswahl auf Speise- und Getränkekarten, Events rund ums Bier, das alles mache sich bezahlt. Die Wissenschaftler sind nicht die Ersten, die das erkannt haben. Dass es auch in europäischen Großstädten immer mehr Restaurants, Bars und kleine Geschäfte gibt, in denen auch ausgefallene Bierkreationen zu bekommen sind, zeigt, dass es nicht nur leidenschaftliche Brauer sind, die Gefallen am exklusiven Bier gefunden haben. Das spürt auch die Industrie. Um Marktanteile zu sichern, nehmen mittlerweile auch die Großen Brauerei-Unternehmen handwerkliche Braulinien in ihr Brauprogramm auf. Auch wenn der Marktanteil von Craft Beer am riesigen Biermarkt noch winzig ausfällt, wird ganz deutlich, dass hier eine Nische entstanden ist, die immer breiter wird.


Wir bei Biorama sind ein bisschen stolz darauf, dass auch wir selbst mit unseren Craft Bier Festen dazu beitragen, dass handwerkliche und individuelle Biere in Österreich immer mehr zum Thema werden, auch über die Szene hinaus. Der renommierte Gastronomie-Kritiker Florian Holzer bescheinigt dem Craft Bier Fest Wien,   „von der kleinen Nerd-Veranstaltung in wenigen Jahren zum wesentlichen Kulinarik-Event“ geworden zu sein. Davon kann man sich am 18. und 19. November selbst überzeugen, beim Craft Bier Fest in der Wiener Marx Halle.

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