Update für die Heurigenkultur

Mit einer Anbaufläche von rund 637 Hektar ist Wien die einzige Hauptstadt Europas mit nennenswerter Weinproduktion. Immer mehr davon biologisch.

Im Wiener Weinbau tut sich einiges: er wird nicht nur moderner, auch der Biowein fasst langsam Fuß in der Heurigenkultur. Bild: Karin Nussbaumer.

Wien steht heute kulturell für eine Gleichzeitigkeit von Tradition in der Klassik und modernsten Kunst- und Kulturtechniken. Da sind nostalgische Weinseligkeit, teilweise eher unbewegliche Heurigenkultur und ihre dazugehörigen Lieder nur mehr Randnotizen. Doch so wie sich das Wienerlied immer wieder neu erfindet und sich neue Zielgruppen erschließt, hat sich in den letzten Jahrzehnten auch viel im Wiener Weinbau getan. Der tritt nicht nur moderner auf und hat sein Marketing und seine Kommunikation professionalisiert, sondern produziert international angesehene Weine und Wien ist auch eines der DAC-Gebiete Österreichs. Dieses System betont die Herkunft eines Weines und seiner dort typischen Merkmale. Das bringt Nachteile für experimentierfreudige und eigenständige WinzerInnen, sorgt aber dafür, dass es eine kohärente Vorstellung vom Wiener Wein gibt. Und das ist per Definition ein Wiener Gemischter Satz DAC – ein Weißwein, bei dem im Weingarten mindestens drei Rebsorten gemeinsam ausgepflanzt sind, die auch gemeinsam geerntet und zu Wein verarbeitet werden. Man vermutet, dass diese Rebsortenvielfalt früher eine Form der Absicherung gegen Umweltrisiken war. Der Wiener Gemischte Satz wurde bereits 2008 in die Reihe der österreichischen Produkte der Slow Food Arche des Geschmacks aufgenommen, 2013 erhielt er DAC-Status. Und es gibt ihn natürlich auch bio.

Bio und PiWi

Mit einer Anbaufläche von rund 60 Hektar ist eines der größten Weingüter auf Stadtgebiet das Weingut Cobenzl – und dieses ist seit 1907 auch gleich im Besitz der Stadt. 2020 hat das Weingut nach einer bereits längeren Beschäftigung mit nachhaltigem Weinbau offiziell die dreijährige Umstellung auf Bioweinbau und die Zertifizierung begonnen. Eine weitere Neuerung ist der Anbau von PiWi-Sorten, also von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, die weniger Pflege und weniger Pflanzenschutzmittel benötigen. 2020 wurden 2.500 Rebpflanzen der PiWi-Sorte Blütenmuskateller auf der Ried Wagenspaer in Grinzing gesetzt. Aber auch andere, teilweise sehr große Betriebe bauen mittlerweile auf bio. Dazu gehören die Güter Edlmoser (ab Ernte 2020), Zahel und Fritz Wieninger – Letzterer ist auch Mitglied bei Respekt, einer europäischen Vereinigung biodynamisch arbeitender WinzerInnen. Beide schließen neben dem Weinbau mit ihren Gastronomiebetrieben unternehmerisch an die Heurigentradition an und erweitern diese um teilweise innovative Konzepte. Wien ohne Wein und Heurigen – an diese Vorstellung muss man sich also nicht gewöhnen. Aber mittlerweile gibt es beim Heurigen manchmal auch modernere Musik und oft hochqualitativen Wein, mitunter Biowein.

Mit 637 Hektar Anbaufläche sind über 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Wien (rund 5.700 Hektar) dem Wein gewidmet. Bild: Raimo Rudi Rumpler.

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