„Berufs-Aktivist, Lebenskünstler, oder einfach Mensch“

Der politische Aktivist und Buch-Autor („24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“) Wam Kat (geb. 1956 in den Niederlanden) steht bereit, wenn AktivistInnen Hunger haben und zeigt, dass man nicht nur in den eigenen vier Wänden kulinarisch die Welt verbessern kann, sondern auch im Flüchtlingslager, Protestcamp oder bei Großdemos in Heiligendamm.

Seit Jahrzehnten kocht Wam Kat dort, wo Menschen sich versammeln um zu protestieren, wo Atomtransporte verhindert werden sollen, wo Ausnahmezustände herrschen. Immer vegan, immer mit biologischen Zutaten und möglichst regional. Wam Kat füttert mit riesigen Kochtöpfen nicht nur soziale Bewegungen auf hohem Niveau durch („vegetarisch, regional, lecker“), und zeigt so, dass Küche sehr wohl etwas mit Politik zu tun hat, sondern ist auch abseits der Kochtöpfe in diversen Projekten aktiv (Volksküche „Rampenplan“, Ecotopia, Balkan Sunflowers, Info-Cafe „Der Winkel“, Kampagne „Meine Landwirtschaft“ usw.). Der in Deutschland lebende„Demo-Koch“wird für Vorträge gebucht, gehört zu den Stargästen der Slow- Food-Messe in Turin, tritt mit seiner „Politischen Kochshow“ auf der Bühne auf, organisiert Monate zuvor die Vorbereitungen für seine Menüs bei Großveranstaltungen und klappert Bio-Höfe nach leistbaren Zutaten ab, und ist auch sonst ein vielbeschäftigter Aktivist.

Für uns hat sich Wam Zeit genommen, und beantwortete zwischen zwei Kochaktionen „so gut und schlecht wie es geht“ die Fragen von BIORAMA-Redakteurin Karin Pointner.

2008 hast du das Kochbuch „24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“ herausgegeben. Wieso hast du dich entschieden dieses Buch zu schreiben?

Wam Kat: Das Buch war eigentlich eine Idee von meinem Verlag. Der Sohn meines Verlegers war im Rostock beim Anti-G8-Camo und fand das Essen dort so gut. Er hat mich angerufen und gefragt, ob ich nicht mal ein Kochbuch machen wolle.

Wie kann denn durch Kochen die Welt verbessert werden?

WK: Eigentlich ist im weitesten Sinne der Titel meines Buches falsch, denn ich glaube nicht, dass ich ein Weltverbesserer bin. Ich bin vielmehr jemand, der versucht die Welt nicht weiter zu vernichten. Für Verbesserung gibt es kaum noch zeit, da die Vernichtung mittlerweile immer schneller voran geht. Wenn man sich wie ich seit Jahren mit Politik und Essen beschäftigt ist klar: „Essen ist politisch!“, ohne Zweifel. Das fängt beim Einkauf an – wo kommen die Produkte her? Wie sind die Produzenten bezahlt? Welche Betriebsformen stehen dahinter?- und geht weiter bis zur Frage was Mensch kocht. Braucht man jeden Tag Fleisch? Was sind die Konsequenzen der westlichen Fleisch-Esskultur? Wenn man sich darüber gedanken macht, dann ist das Politik. Bis hin zum Nachdenken über die Zukunft: Wie wollen wir, dass die Welt in 10 Jahren aussieht, was müssen wir machen damit unsere Kinder in einer gerechten nachhaltigen Welt aufwachsen usw.

Bei der Großdemo „Wir haben es satt!“ diesen Jänner in Berlin haben über 22.000 Menschen für eine besserer Agrarpolitik demonstriert. Kannst du uns etwas über deine persönlichen Eindrücke erzählen?

WK: Ich war natürlichen mit vielen Freunden dabei. Wie haben zusammen eine etwas kleinere mobile VOKÜ gemacht, die „Fahrende Gerüchte Küche“. Wir haben vor Ort verschiedene Suppen gekocht und wieder einmal gezeigt, dass kollektives Essen auf einer Demo nicht aufgewärmte Tiefkühl – oder Fertigkost sein muss. Außerdem ist auch Wegwerf-Geschirr keineswegs nötig. Meine Eindrücke waren hauptsächlich von der Tatsache geprägt, dass wir andauernd zum Bio-Laden um die Ecke gelaufen sind um noch mehr Gemüse zu holen, weil einfach viel mehr Teilnehmer da waren, als wir und auch die Organisatoren erwartet hatten.

Was sind die konkreten Forderungen für die du auf dieser Demo eingetreten bist?

WK: Seit den späten 1970er Jahren setze setze mich aktiv für eine demokratische Tier-, Menschen- und Umweltpolitik, für eine gerechtere Agrarpolitik ein. Damals musste der Öko-Käsenbauernhof, auf dem ich damals arbeitete und der einem guten Freund und mir zusammen gehörte, geschlossen werden weil wir zu klein waren und deswegen kein Geld hatten die enormen Investitionen, die die EU damals von uns forderte, umzusetzen. Wir konnten mit dem Hof mit 15 Kühen eigentlich gut leben, aber die großen Umbau-Forderungen waren zu viel für uns. Eine Agrarpolitik, die zu Milch-Seen, Butterbergen, Getreidehügeln und Schweinehaufen führt, also zu einer massiven Überproduktion, und nur für große Agrarbetriebe attracktiv ist, kann nicht im Interesse von uns Konsumenten sein. Solche riesigen Anlagen kann mensch eigentlich nicht als Bauernhof bezeichnen, denn durch sie wird nicht nur unsere Umwelt vernichtet, sondern auch unser Geschmack, unsere Gesundheit, unsere Arbeitsplätze. Und ich denke, sie sind maßgeblich für den Hunger auf der Welt mitverantwortlich.

Du bist aktiv bei zahlreichen fahrenden Großküchen dabei. Gibt es diesbezüglich ein Erlebnis, das die noch besonders in Erinnerung geblieben ist?

WK: Eigentlich ist das erste Mal – das liegt jetzt fast 30 Jahre zurück – als ich für eine VOKÜ gekocht habe, immer noch eine Sache an die ich mich sehr gerne erinnere. Wir waren selbst sehr skeptisch, ob das was wir vorhatten funktionieren würde. Wir haben uns gefragt, ob es machbar ist, für ca. 15.000 Menschen ökologisch Essen zu kochen und es umsonst bzw. gegen eine kleine Spende zu verteilen. Wir hatten Angst, dass wir eigentlich viel zu wenig Kocherfahrung haben, dass wir zu wenig Hilfe bekommen würden und dass wir nachher mit einem Berg von Schulden dastehen würden. Und ja, obwohl es sicher nicht das beste Essen war, das wir bis dato bei der fahrenden Küche „Rampenplan“ (dt. Katastrophenschutz) gekocht haben, so hat es damals doch ganz gut geklappt. Und, oh Wunder, es funktioniert noch immer sehr gut!

Was schätzt du besonders an solchen „spontanen Koch – und Schnippel-Teams“, wie du z. B. Rampenplan selbst bezeichnest?

WK: Mich fasziniert immer noch sehr, dass neben all diese glücklichen Demonstranten die von uns etwas zu essen bekommen, und die sich übrigens in den letzten Jahren von überzeugten Fleischessern immer mehr zu bewussten Veganern gewandelt haben, immer noch eine zeitliche Gemeinschaft entsteht, die sich in der Küche, in der Abwasch-Straße und an den Schnippeltischen trifft. Menschen, die einander meist kaum kennen, aber bereit sind stundenlang in einem freien Miteinander hart zu arbeiten. All die Gespräche sie sich in und um der Küche herum abspielen! So viele Freundschaften die dabei geknüpft wurden und die viele Energie die sich daraus ergibt! Wir versuchen bei einer VOKÜ immer so relaxt wie möglich zu arbeiten, und möglichst nicht den Stress aufzubauen, der für eine Großküche eigentlich normal ist. Das ist nicht immer ganz einfach, weil am Ende doch ein paar tausend Menschen satt werden sollen…Aber wenn es dann tatsächlich klappt, ist das gute Gefühl dafür noch größer.

Ob Anti-Atombewegung, Heiligendamm, Castor-Demos…Du kochst dort wo Ausnahmezustände herrschen. Was ist für dich persönlich der besondere Reiz für Hunderttausende zu kochen?

Der Reiz für mich ist, es einfach zu tun, einfach zu beweisen, dass es möglich ist für so viele Menschen zu kochen. Es geht mir darum deutlich zu machen, dass z. B. ökologisches Essen und Landwirtschaft auch Teil der Bewegung sind.

„Rampenplan“, die EYFA, das Festival „Ecotopia“, deine „Zagreb Diaries“, das „Suncokret Center“, diverse Wiederaufbau-Projekte im slawonischen Grengebiet, „Balkan Flowers“, deine Mitarbeit im Info-Café „Der Winkel“…Die Liste der von dir unterstützten oder gegründeten Projekte ist lang! Woher nimmst du die Energie für diese vielfältigen Projekte?

WK: Ja, die Liste ist tatsächlich lang…Schön ist, dass die meisten dieser Projekte noch da sind und v.a. auch funktionieren. Leider bin ich schon lang nicht mehr so aktiv bei einigen Projekten dabei, wie ich es mir eigentlich erhofft hatte. Ich habe schließlich auch nur einen Körper. Klasse ist aber zu merken, dass es außer mir noch genügend andere Mensche gibt, die sich in diesen Projekten engagieren, dass die Projekte dem Zeitgeist entsprechen und deswegen weitergeführt werden. Das grenzt auch teilweise an ein Wunder, wenn man an die Anfänge der Projekte zurückdenkt und sich bewusst macht, mit vielen Aufwand und Unglauben sie anfangs belastet waren. Sehr lange geplant und vorbereitet ist eigentlich keines dieser Projekte gewesen, sie haben sich vielmehr im Lauf der Zeit entwickelt und dabei ist viel Energie entstanden. Ich kann mir gut vorstellen, dass wenn ich vorher länger darüber nachgedacht hätte was alles so auf mich zukommen könnte, dann hätte ich wahrscheinlich kaum etwas angefangen. Denn dann hätte mich die Frage „Wo hole ich mir die ganze Energie dafür her?“ zum Nichtstun gebracht. Die Projekte aktiv zu tun, das gibt mit die notwendige Energie!

Welche Projekte liegen dir momentan besonders am Herzen?

WK: Ach ich habe so viele Träume! Zum Beispiel verschiedene Projekte mit Slow- Food, ein fahrendes Kochmobil für Schulen, um eine Alternative zu Fast-Food und Fertiggerichten zu bieten, der Aufbau eines ökologischen Camping-Platzes, die Organisation eines kleinen Festivals, die Schaffung eines ökologischen Erlebniszentrums in Fläming (Anm. Wohnort von Wam Kat), aber auch eine neue Kampagne, die nach einer Demo entstanden ist: „Meine Landwirtschaft“ liegt mir sehr am Herzen. Und natürlich will ich auch wieder zu meinem geliebten Balkan, oder noch ein Buch schreiben…Ja, es gibt da noch einiges, das ich tun möchte!

Gibt es Menschen die dich als utopischen Alt-Linken, weltfremden Hippie oder dergleichen bezeichnen? Wenn ja, was entgegnest du Kritikern deiner Arbeit?

WK: Bestimmt gibt es einige Menschen die mich als alt-linken weltfremden Hippie bezeichnen, aber von denen würde ich gerne hören, wie sie die Zukunft unserer Welt sehen, und zwar auf längere Sicht. Ich glaube, dass so gar dem letzten Hardcore- Industrialist bewusst ist, dass Änderungen in unserem Lebensstil notwendig sind. Vielleicht wollen sie aber noch nicht so gerne darüber nachdenken, denn eine nachhaltige Zukunft fängt immer bei dir selbst an. Es fängt bei neuen Transportformen – das Auto mal stehen lassen-, Überlegungen zum effizienten Energieverbrauch – lieber einmal selbst Sport machen als es im TV anzuschauen oder mit der Wii zu spielen- und dreht sich natürlich auch ums Essen – am besten bio und ökologisch. Ich weiß, dass bio und ökologisch meistens teurer ist, aber im Prinzip ist das andere Essen noch viel teurer, weil wir die Vernichtung der Umwelt und die sozialen Schäden letztendlich auch zahlen müssen und nicht ewig auf die nächsten Generationen abwälzen können. Es ist nicht angenehm zu realisieren, dass man viel an sich selbst ändern muss, jemand anders als utopisch zu beschimpfen ist da natürlich einfacher. Anfang der 1980er haben Leute aber auch über unsere Windmühle gelacht. Und in den 70ern wurden die Leute die gegen die Wasserverschmutzung des Rheins auftraten als weltfremde Spinner bezeichnet und heute leben im Rhein wieder viele Fische. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.

Im Juni bzw. November 2011 finden in Frankreich der G8 und der G20 – Gipfel statt. Wirst du bei den diversen Großdemonstrationen und Aktionen rund um die Gipfel als „Demo – Koch“ vertreten sein und wie bereitest du dich darauf vor?

Es ist noch nicht ganz sicher. Normalerweise bekommt die gemeinsame größere VOKÜ im Vorfeld eine Anfrage, ob wir dort kochen wollen und können und dann fängt die Planung an: wir sprechen ab wann und wo wir kochen werden, wann wir gemeinsame die Zutaten einkaufen können usw. Bis jetzt hängt das alles noch ein bisschen in der Luft. Gut wäre es jedenfalls bei solchen großen Aktionen schon ganz früh zu wissen, wie viele Teilnehmer erwartet werden, damit wir schon früh genug mit möglichen Bio-Bauern sprechen können, was sie in welchen Mengeb anbauen usw. Sonst hat man in der letzten Woche einen riesigen Stess, weil man nicht weiß wo man welche Zutaten herkriegen kann.

Würdest du dich selbst als „Berufs-Aktivisten“ bezeichnen?

Ja, man kann es natürlich „Berufs-Aktivist“ nennen, oder auch Lebenskünstler…oder einfach „Mensch“.

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