Asbest unter dem Görtschitztal?

23122489232_c24dfccf09_o

Im letzten Jahr wurde das Görtschitztal im Zusammenhang mit dem Umweltskandal um erhöhte HCB-Werte in Milch und Fleisch bekannt. Nun tauchte Asbest auf einer Ackerfläche auf. Drohen weitere Gesundheitsrisiken?

Am vergangenen Dienstagvormittag meldete sich ein Bewohner des Görtschitztals per E-Mail bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. Im Anhang der Mail: Fotos von einer herbstlichen, frisch gepflügten Ackerfläche in Eberstein. Darauf eindeutig zu erkennen: Brocken eines hellbeigen Materials. Für den Laien schwer zu erkennen, für Leute vom Fach schnell klar: Das dürfte Asbest sein. Global 2000 informierte sofort den Gerichtssachverständigen für Asbest und Umweltschäden, Robert Sedlacek. Der machte sich noch am selben Tag auf den Weg zur Fundstelle in Kärnten und nahm Proben. Einen Tag später, am Mittwoch, erreichte Global 2000 der Befund aus dem Labor. Es handelte sich tatsächlich um Asbest. Die Umweltschutzorganisation lud zur Pressekonferenz, das Land Kärnten sowie Bundesbehörden wurden über den Fund informiert.

Im Görtschitztal gab es schon lange Gerüchte, dass hier und an anderen Stellen vor Jahrzehnten Asbest vergraben wurde. Das mineralische Material und dessen Verarbeitung zu den unterschiedlichsten Produkten entpuppten sich schon 1943 nach langer Nutzung als krebserregend. Das wurde 1970 offiziell bestätigt. Seither wurden weltweit verschiedene Anwendungen des Materials gesetzlich verboten. In den 1970er-Jahren waren Dämmmaterialien und andere Produkte auf Asbestbasis in der Baustoffindustrie bereits umstritten. Die Wietersdorfer Zementwerke produzierten sie weiter bis in die 1980er-Jahre.

GLOBAL 2000 Chemie-Expert Helmut Burtscher und Asbest-Sachverständiger Robert Sedlacek

GLOBAL 2000 Chemie-Expert Helmut Burtscher und Asbest-Sachverständiger Robert Sedlacek

Nach Recherchen von Global 2000 gehört des betreffende Grundstück damals einem Mitarbeiter der Zementwerke, der laut Kleiner Zeitung an Asbestose, einer durch Asbeststaub hervorgerufenen Lungenkrankheit, verstorben ist. Asbestabfälle in ländlichen Gebieten zu vergraben, war damals weder verboten noch unüblich, gibt der Sachverständige Robert Sedlacek zu bedenken: „In Ermangelung klarer gesetzlicher Regelungen für die Behandlung und Entsorgung von Produktionsabfällen dürfte das Vergraben solcher Abfälle auf abgelegenen Flächen bis in die späten 70er-Jahre generell übliche Praxis gewesen sein.“

Hinter vorgehaltener Hand kann man im Görtschitztal erfahren, dass es damals gleich mehrere Abladeflächen für asbesthaltiges Material gab.

Bauschutt oder Produktionsabfälle?

Laut Global 2000 dauerte es nur zwei Stunden, bis das Land Kärnten auf die Meldung der Kontamination reagierte. Die Behörde will festgestellt haben, dass es sich bei dem gefunden Asbest  um Spuren einer Bauschuttdeponie handelt, und gibt Entwarnung: „Asbest ist erst gefährlich, wenn es eingeatmet wird. Das Asbest auf dem Feld hat eine derart feste Form, dass es nicht über die Luft aufgenommen werden kann“, sagt Albert Kreiner vom Land Kärnten. Dass es sich bei dem gefundenen Asbest um Reste einer Bauschuttdeponie handelt, davon ist man bei Global 2000 nicht überzeugt. Der Umweltchemiker Helmut Burtscher hat uns auch erklärt, wieso: „Die Bauschutt-Hypothese bezweifeln wir. Es wurde uns zugetragen, dass Menschen im Tal beobachtet haben, dass dort früher LKW-weise Asbest vergraben wurde. Der zweite Grund ist, dass das, was wir gefunden haben, schlicht kein Bauschutt ist. Die Proben haben im einen Fall ergeben, dass es gebundener und im anderen Fall freier Asbest war. Das ist bei Bauschutt nicht zu erwarten. Das schaut sehr viel eher nach Produktionsabfällen aus als nach irgendwelchen Überresten asbesthaltiger Rohre oder anderen Bauabfällen. Damals gab es kein Problembewusstsein für das Vergraben von solchen Industrieabfällen.“

23148064301_1c355c8f1e_o

Völlig ausschließen, möchte Burtscher die Bauschutt-These aber dennoch nicht. „Dafür müsste man die Ablagerungen mit einem Bagger erst einmal freilegen und untersuchen.“

Er ist allerdings skeptisch, ob das wirklich bald geschehen wird. Das liegt nicht zuletzt an Erfahrungen, die er im Zuge des HCB-Skandals gesammelt hat: „Was die Kärntner wirklich gut können, das ist Entwarnung-Geben. Beim Asbest wurde in weniger als zwei Stunden eine Unbedenklichkeitsfeststellung verlautbart. Das ist rekordverdächtig.“

22515264593_ee0fd0d649_o

Die Reaktion der Behörden wirft Fragen auf

Der Kleinen Zeitung sagte Albert Kreiner vom Land Kärnten: „Der Verantwortliche für die Asbestlagerung wird nach all den Jahren nicht mehr zu finden sein. Deshalb ist der Grundbesitzer für die Entsorgung verantwortlich.“ Das könnte man als klugen Schachzug deuten. Burtscher nimmt an, „das hat den Zweck, dass jemand, der weiß, dass auf seinem Grund so etwas liegt, sich hüten wird, das zu sagen. Schließlich kostet die Bereinigung eine Menge Geld.“

Es stellt sich nun die Frage, weshalb die zuständigen Behörden in Kärnten so schnell darin sind zu betonen, dass keinerlei Gefahr bestehe. Die größte Gefahr geht von Asbeststaub in der Luft aus. Liegen größere Mengen Asbest auf einer Ackerfläche, die mechanisch bearbeitet wird, so besteht zumindest für den dort arbeitenden Landwirt eine Gefährdung. Sollte sich herausstellen, dass auf und unter dem Feld in Eberstein nicht bloß Bauschutt liegt, sondern Industrieabfall mit hoher Asbestkonzentration, drängt sich der Verdacht auf, dass die Zeugenaussagen stimmen, und es solche Abladeflächen auch andernorts gibt. Deshalb sollte man nun zumindest genau nachsehen. Das fordert Global 2000. Schließlich geht es nicht darum, das Görtschitztal mit einem weiteren Umweltskandal in Verruf zu bringen, sondern auf ganz aktuelle Gesundheitsrisiken aufmerksam zu machen. Auch wenn die Verursachung Jahrzehnte zurückliegt, kommt der sorglose Umgang mit Gefahrstoffen früher oder später buchstäblich ans Licht, zum Beispiel beim Pflügen.

Pressemitteilung zum Thema von Global 2000

VERWANDTE ARTIKEL