»Auch Hipster-Veganer verändern die Welt.«

Die Schauspielerin Annika Ernst im Gespräch über soziales Engagement und die richtigen Gründe dafür.

Annika Ernst hilft auf dem Lebenshof Freiimfelde e.V., der geretteten Tieren ein neues Zuhause gibt. Zu den BewohnerInnen gehören auch die beiden Ponys Lenni und Mogli. Bild: Privat.

Über 90 Prozent des in Deutschland verzehrten Fleisches stammen aus Massentierhaltung, zwei Drittel der Stromerzeugung bestehen immer noch aus nicht-erneuerbaren Energien – in Deutschland und Österreich. Doch erhobene Zeigefinger führen zu nichts, statt sich aufzuregen müsse jedeR damit beginnen seinen/ihren persönlichen Lebensstil zu verändern – mit Spaß statt Frust, rät die sozial und umweltbewusst engagierte Schauspielerin Annika Ernst.

Mehr als ein schlauer Spruch

»Vor einem Jahr habe ich mich entschieden, bei zwei Hilfsorganisationen mitzuhelfen. Ich wollte mehr machen, als nur einen schlauen Spruch auf eine Website zu schreiben und mein Foto drunterzusetzen«, sagt sie. Das eine Projekt, der »Lebenshof Freiimfelde e.V.« in Brandenburg gibt geretteten Tieren, von Laborkaninchen über Schlachtponys, Mastschweinen und verwaisten Katzenbabys, ein neues Zuhause. Einmal aufgenommen werden die Tiere nicht weitervermittelt, sondern bleiben auf dem Hof, um ihnen weiteren Stress zu ersparen und eine lebenslange artgerechte Haltung zu gewährleisten. Die finanzielle Versorgung wird durch Tierpatenschaften unterstützt, tierliebe Urlaubsgäste können Apartments auf dem Hof anmieten. Letztes Jahr gründete das Ehepaar, das den Lebenshof seit zehn Jahren fast ohne fremde Hilfe führt, einen gemeinnützigen Verein, der weitere Unterstützung ermöglicht. 
Die Organisation »Help Age Deutschland e.V.«, bei der Ernst ebenfalls engagiert ist, setzt sich in über 60 Ländern gegen Altersarmut und Altersdiskriminierung ein. Die Projekte und Themen variieren abhängig davon, was in der Region gebraucht wird. So werden im »globalen Süden« Projekte zur Unterstützung älterer, an AIDS erkrankter Frauen gefördert, in Deutschland und Osteuropa Projekte gegen Altersarmut. 

Auch »Hipster-Veganer« verändern die Welt

Man müsse mit Freude an eine nachhaltige Lebensweise herangehen, um sie beibehalten zu können, betont Ernst. Ausnahmen seien in Ordnung, »schlechtes Gewissen bringt überhaupt nichts«. Sie lebt seit fast 15 Jahren vegan, zwischendurch ernährte sie sich für eine Weile vegetarisch. »Aus ›Hipster-Gründen‹ vegan zu sein war damals verpönt«, erinnert sie sich. Viele Menschen belächelten die sich trendartig ausbreitende Lebensumstellung und verurteilten es, in ihrer Empörung gegen deren Unnatürlichkeit bestätigt, wenn Ausnahmen gemacht wurden, erinnert sich Ernst.
Dabei komme es vor allem darauf an was man mache, gar nicht so sehr, warum, meint Ernst. »Ob jemand aus tiefster Tierliebe vegan ist, weil er abnehmen möchte, seine Blutwerte schlecht sind oder nur, weil es alle machen, spielt für mich keine Rolle – den Tieren ist ja auch egal, warum sie nicht geschlachtet werden«.
Und wenn das weit entfernte Traumziel doch mal mit dem Flugzeug bereist wird? Dann könne man das zumindest über einen CO2-Ausgleich kompensieren. Ernst spricht sich für eine CO2-Steuer aus, denn diese sei ein Anreiz für Menschen und Unternehmen, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen.

Verantwortung übernehmen

Dass viele Formen des direkten sozialen Engagements zurzeit nicht möglich sind, bedeutet nicht, dass es nichts zu tun gibt: »Zu denken, man sei nur für sich selbst verantwortlich oder lebt vollkommen autark, ist eine Illusion. Wir sind so krass voneinander abhängig. Ich finde es wichtig, dass man in seinem Bereich das Richtige tut und das in seinem Radius Mögliche macht«, appelliert die Schauspielerin. Die Crowdmoving-Plattform helpteers.net gibt zum Beispiel einen Überblick über verschiedene soziale und nachhaltige Projekte und erleichtert so den Zugang und die Auswahl – oft hilft auch die Nachfrage im Freundes- oder Bekanntenkreis, um sich über Projekte zu informieren, die anfängliche Distanz zu überwinden und einfach mitzuhelfen. 

Der wichtigste Wert

Als den ihr wichtigsten Wert identifiziert Ernst die Nächstenliebe. »Wenn wir uns umeinander kümmern und über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen, können wir in der Extremsituation, in der wir alle gerade leben, Menschenleben retten«, meint sie. Dabei wirkt sie nicht wie eine Missionarin – im Gegenteil. Sie vertritt ihre Einstellung so überzeugt, dass es ansteckt. 

Annika Ernst wirkt seit über 15 Jahren in den unterschiedlichsten Kino- und Fernsehproduktionen mit, neben ihrer Arbeit als Schauspielerin engagiert sie sich für die Vereine Lebenshof Freiimfelde und Help Age Deutschland. Bild: Privat.

Ebenfalls vor Kurzem von BIORAMA portraitiert und interviewt wurde Karl Grübler, ehemaliger Chefkoch der »Heilige Kuh« in St. Pölten, wo er Landesbedienstete, PolitikerInnen und Prominente bekochte und den Bioanteil der Küche auf 70 Prozent hinaufschraubte. Wie das geht? Hier nachlesen!

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