Baby vegan, geht das?

Was bedeutet es, ein Baby vegetarisch zu ernähren oder auf rein pflanzliche Beikost zurückzugreifen? Antworten von Ernährungs- und Stillberaterin Ingeborg Hanreich.

Ein Baby wird am Boden von einer Frau gefüttert.
Können Babys mit pflanzlicher Ernährung ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden? Bild: Istock.com/Stefanie Kolic.

Zwischen dem Beginn des fünften Lebensmonats und spätestens mit dem siebten Monat braucht jedes Baby ergänzend zur Muttermilch oder Fläschchennahrung Beikost, um optimal versorgt zu sein. In unseren Breiten wird meist mit fein pürierten Karotten (Möhren) und anderem Gemüsebrei begonnen, nach ein paar Wochen auch Fleisch und Fisch empfohlen. Was aber, wenn Eltern überlegen, nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Nachwuchs vegan oder vegetarisch zu ernähren? Die Ernährungswissenschafterin, Stillberaterin und erfolgreiche Ratgeberautorin über Muttermilch, Meeresfisch und das beliebte »Pausensachentauschen«

BIORAMA: Seit wann ist denn vegane Beikost und Babynahrung ein Thema von breiterer Relevanz?
Ingeborg Hanreich: Die vergangenen zehn Jahre beobachte ich größeres Interesse daran. Als Hebammenlektorin habe ich bemerkt, dass sich viele interessierte, junge Frauen vegetarisch oder vegan ernähren. Da ist vegetarische Beikost immer ein Thema. Vor zehn Jahren war das noch selten Thema, das hat wirklich zugenommen. Meine Beobachtung ist auch: Vegan alerte Eltern kennen sich sehr oft sehr gut aus, beschäftigen sich mit Superfoods, essen oft in den verbleibenden fünf Lebensmittelgruppen viel gemischter als NormalköstlerInnen, und haben für sich selbst deshalb größere Chancen, dass sie sich ausgewogen und oft auch bedarfsdeckend ernähren.

»Bei Babys und vegan, da sag ich klar: Hände weg!«

Ingeborg Hanreich

Wer sein Kind vegetarisch oder vegan ernährt, widersetzt sich gewissermaßen den offiziellen Ernährungsempfehlungen. Wie schätzen Sie denn konkret vegane Ernährung von klein an ein?
Mit vegetarischer Ernährung widersetzt man sich nicht unbedingt den offiziellen Empfehlungen, sondern nur den Mainstream-Empfehlungen. Vegetarische Ernährung ist da sehr wohl eine Option. Man muss da aber unterscheiden, ob ich von einem Baby oder von einem Kleinkind rede und ob ich von rein pflanzlicher Ernährung spreche oder ohne tierische Lebensmittel meine, aber Muttermilch verfügbar ist. Rein vegan schätze ich sehr defizitär und kritisch ein, selbst mit Muttermilch, weil manche Nährstoffe in größerer Menge gebraucht werden, als sie ein Kind mit pflanzlicher Kost essen kann. Einmal abgesehen von den Blähungen, die sich potenziell einstellen können: Babys können mit Hülsenfrüchten alleine nicht genug Eiweiß aufnehmen. Ein Baby kann ja unmöglich zusätzlich ein Viertelkilo Linsen essen. Mit Muttermilch und einigen Nahrungsergänzungen geht vegane Beikost eventuell. Aber da braucht es wirklich ExpertInnen und mehr als nur Vitamin B12. Dieses müssen ja auch erwachsene VeganerInnen supplementieren. Mit normalen Lebensmitteln geht das vegan bei Babys nicht ohne Mangel. Im Kleinkindalter, wenn noch gestillt wird, sieht das besser aus. Aber bei Babys und vegan, da sag ich klar: Hände weg!

Wissen Sie, was Eltern dazu bringt, ihren Nachwuchs vegan zu ernähren?
Meistens ist es die eigene Ernährung, die sie sich auch für ihren Nachwuchs wünschen. Oft unterschätzen sie dabei, dass Babys und Kinder zum Wachstum im Verhältnis zum Körpergewicht ganz andere Mengen an Eiweiß brauchen. Wie gesagt: Es ist vegetarisch schon schwierig, aber möglich mit Hirse und Hafer, eisen- und eiweißreichen Lebensmitteln. Für lang gestillte Kleinkinder ist es – gut zusammengestellt – denkbar. Für Babys sehr kritisch!

Was, denken Sie, bedeutet es für ein Kleinkind sozial unter Gleichaltrigen, in der Kindergruppe, in privaten oder öffentlichen Betreuungseinrichtungen, wenn es ausschließlich pflanzlich isst?
Na ja, es kommt drauf an, ob das Kind das auch wirklich tut. Das Pausensachentauschen ist ja üblich und es gibt Verlockungen, allein weil sie anders aussehen, anders sind und weil sie die anderen haben. Meine Erfahrung ist: Streng vegane Eltern haben oft keine streng veganen Kinder, die nur das essen, was sie selber mitbekommen haben. Eine Betreuungseinrichtung muss natürlich überhaupt erst mal vegane Kost anbieten. Man kann sich dafür auch gemeinsam organisieren, aber das bleibt eine Gratwanderung. Denn man kann ein Kind zu überwiegend pflanzlicher Kost bestärken, aber drohen sollte man ihm auf keinen Fall, wenn es das nicht will. Vielleicht sträubt es sich im Trotzalter auch dagegen, oder ist neugierig, wenn die anderen Kinder was Buntes essen.

»Die Geschichte, wie der himmelblaue Löwe Teilzeitvegetarier wurde« von Ingeborg Hanreich und Brigitta Knoll ruft – alle Seiten und Sichtweisen – zu Gelassenheit und »Ernährungstoleranz« auf. Wie Hanreichs Rezeptsammlungen und ihre Bestseller zum Stillen, zur Beikost oder zur Ernährung von Kleinkindern im Eigenverlag erschienen.

In der Babynahrung wird wegen seines hohen Eisengehalts eigentlich püriertes Rindfleisch und wegen des Jodgehalts Meeresfisch empfohlen. Nun sind die Meere überfischt und Meeresfisch gilt als besonders schadstoffbelastet. Was wären alternative Jodquellen
Meeresfisch ist auch wegen den Omega-III-Fettsäuren ein Thema. Jod hätten wir im jodierten Salz drin, Babynahrung soll man aber nicht salzen. Ich bin der Ansicht, dass sich bei gut versorgten stillenden Müttern der Versorgungszustand auch im Kind widerspiegelt. Für Erwachsene sind Algen oder Algenöl eine gute vegane Quelle, außerdem jodiertes Salz und Meersalz. Dann braucht es den Meeresfisch nicht unbedingt. Als Beikostlebensmittel sind Algen jedoch noch nicht empfohlen. Danach, im Kleinkindalter, sehe ich Algenöl als unproblematisch an. Natürlich stellt sich die Frage, wie sauber das Algenöl ist, weil die Algen ja auch meist aus dem Meer stammen. Man kann Schadstoffe leider nicht wirklich vermeiden.

Im Alltag kommt nicht nur Selbstgekochtes zum Einsatz, sondern auch gekaufte Babynahrung. Haben Sie da einen Wunsch an die Hersteller oder ist das Angebot aus Ihrer Sicht zufriedenstellend?
Es ist jetzt jedenfalls bedeutend besser als noch vor 30 Jahren. Damals war in fast allen Gläsern Karotte enthalten. Gemüsevielfalt gab es nur im Gemüseallerlei. Es ist gut, dass es jetzt viele Einzelkomponenten und Vielfalt bei Gemüsegläschen gibt. Kürbis finde ich im Gläschen aber nicht gut, der schmeckt selbstgekocht tausendmal besser. Eltern sollten selbst kochen und kosten! Der Vergleich macht sicher. Die Gläschen werden durchs Sterilisieren haltbar gemacht, das heißt: gekocht und dann im Glas nochmal erhitzt. Dabei gehen nicht nur Substanzen verloren, die künstlich wieder zugesetzt werden müssen. Auch das Aroma verändert sich stark. Für Babys, die im Spätherbst oder zu Winterbeginn geboren werden, empfehle ich, noch in der Schwangerschaft oder wenn Säuglinge schlafen, vorab zu kochen und das Gekochte tiefzukühlen. Wenn vier bis sechs Monate nach der Geburt mit Beikost begonnen wird, gibt es Gemüse, das jetzt nach der Ernte noch gut erhältlich ist, nicht mehr frisch verfügbar. Auch ob Bio oder nicht Bio gekauft wird, ist für die Qualität entscheidend. Biogemüse ist von der Struktur her dichter. Die Transparenz der Herkunft ist gegeben, wenn man Bio kauft und wird auch von unabhängiger Stelle kontrolliert. Es besteht übrigens ein Unterschied zwischen biologischer und kontrollierter Babynahrung. Kontrolliert heißt, dass ein Hersteller selbst kontrolliert, Bio garantiert unabhängige Kontrollen von Verbänden und öffentlichen Stellen. Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann: das eine oder andere Gläschen mehr mit Fisch drin. Da ist die Vielfalt bei uns überschaubar. Vielleicht ist die Nachfrage auch noch nicht so gegeben. Aber bei Fischgläschen zeigen uns die nordischen Länder, was möglich ist.


Ingeborg Hanreich war Gründungspräsidentin des Verbandes der Ernährungswissenschafter Österreichs, sie ist freiberufliche Ernährungswissenschafterin und Stillberaterin.


BIORAMA #88

Dieser Artikel ist im BIORAMA #88 erschienen

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