Bio-Weihnachtsstern: ganz ohne Torf

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Der Gärtner Seidemann und seine noch nicht erröteten Bio-Weihnachtssterne.

In Völs in Tirol wachsen seit zwei Jahren Bio-Weihnachtssterne. Gärtner Erwin Seidelmann erläutert, warum die Zierpflanze Knoblauchtee mag und sich bei ihm viel Zeit beim Wachsen lassen kann.

Wenn Bekannte und Verwandte zur Weihnachtszeit zusammenkommen, steht er auf der Liste der Top-10-Mitbringsel ganz weit oben: der Weihnachtsstern. Dabei wird wohl kaum jemand daran denken, dass die Pflanze mit den meist roten Hochblättern – ja, es sind keine Blüten, die so rot leuchten – eigentlich eine tropische Laubwaldpflanze aus Mittel- und Südamerika ist. Und weil es in Glashäusern möglich ist, tropisches Gewächs auch hierzulande zu ziehen und zu züchten, können auch in Österreich produzierte Weihnachtssterne gekauft werden.

Seit zwei Jahren auch in Bio-Qualität. Erwin Seidemann produziert in Völs „Tirols gesündeste und schönste Weihnachtssterne aus naturnahem Anbau ohne Chemie“. BIORAMA bat den Bio-Gärtner zum Gespräch.

Seit wann produzieren Sie Weihnachtssterne?
Erwin Seidemann: Wir kultivieren Weihnachtsterne seit 27 Jahren, mit ökologischen Grundsätzen seit sechs Jahren und seit zwei Jahren verzichten wir auch gänzlich auf Torf. Nach der Bio-Richtlinie sind wir seit zwei Jahren zertifiziert.

Ziehen Sie Ihre Weihnachtssterne selbst oder bekommen Sie Stecklinge, die dann bei Ihnen weiterwachsen?
Erwin Seidemann: Wir erhalten Stecklinge ohne Wurzeln aus konventionellen Vermehrungsbetrieben aus Deutschland und Teneriffa. Es gibt auf der ganzen Welt keinen einzigen biologischen Vermehrungsbetrieb. Wir bewurzeln die selber, weil wir dürfen nach der Bio-Verordnung keine bewurzelten Stecklinge verwenden, die in Torfsubstrat aus konventioneller Zucht gewachsen sind.

Sie werben mit den „schönsten Weihnachtssternen aus naturnahem Anbau ohne Chemie“. Warum produzieren Sie Bio?
Erwin Seidemann: Vor knapp zehn Jahren hatte mein Schwager beim Spritzen der Weihnachtssterne eine Vergiftung erlitten – trotz Gasmaske. Die weiße Fliege war dann kaputt, aber er auch fast. Er ist zwei Tage im Spital gelegen und da hab ich gesagt: Ich hab die Schnauze voll, ich will das nicht mehr.

Ich sehe den Blumentopf als Batterie, die ich immer wieder aufladen muss.

Wie schaffen Sie es, ohne den Einsatz von Pestiziden und Mineraldünger auszukommen?
Erwin Seidemann: Ich arbeite nitratfrei, ich verwende als Stickstoffbasis Ammonium. Dazu brauche ich Bodenlebewesen, die mir dieses aufbereiten. Die kommen vom Substrat – dem Rindenmulch und den Holzfasern – und durch den organischen Dünger hinein. Als organischen Dünger verwende ich in erster Linie Schafwolle, weiters Horn und immer mehr Biotraubentrester (Rückstände aus der Traubensaftproduktion, Anm. d. Red.). Ich sehe den Blumentopf als Batterie, die ich immer wieder aufladen muss. Und das mach ich auch über Kompostextrakt, also Regenwurmkompost-Tee. Wir produzieren diesen selbst und er wird den Pflanzen zwei- bis dreimal pro Monat verabreicht. Dadurch erreichen wir eine gute Wurzelbildung und resistentere Pflanzen.

Wie sieht es mit der Schädlingsbekämpfung aus?
Erwin Seidemann: Das ist eigentlich unsere Spezialität. Vor sechs Jahren habe ich angefangen pflanzenstärkende Tees herzustellen. Wir machen Knoblauchtee, -jauche und extrakt, aber auch Brennesselwermuttee und Ackerschachtelhalmtee. Zusammen mit einem homöopathische Zusatz und verschiedenen anderen Zusatzstoffen, wie extrahierte Tannenrinde als Eisendünger, machen wir wöchentliche Blattspritzungen. Damit stärken wir die Pflanzen vorbeugend. Dazu verwenden wir auch Obstessig. Wir verwenden auch Nützlinge, vor allem Raubmilben. Wir haben im Betrieb auch sehr viele Stämme der Gallmücke als Nützlinge. Im heurigen Frühjahr sind z.B. die Kollegen (konventionelle arbeitende Gärtner, Anm. d. Red.) mit dem Spritzen nicht mehr nachgekommen und wir haben gar nichts spritzen müssen, weil wir gar keine Läuse draufgehabt haben.

Welches Substrat verwenden Sie?
Erwin Seidemann: Wir verwenden keinen Torf. Nicht nur vom ökologischen Standpunkt her, sondern auch, weil ich davon überzeugt bin, dass die Erde ohne Torf das bessere Produkt für die Kundschaft abgibt, das heißt, der Weihnachtsstern ist haltbarer. Da haben wir viele Bestätigungen zurückbekommen. Wir verwenden als Torfersatzstoff kompostierten Nadelbaumrindenhumus. Torf ist immer das erste Substrat, das alle Gärtner verwenden.

Gibt es einen Grund, warum die allermeisten Gärtner Torf verwenden?
Erwin Seidemann: Es ist eine Preisfrage. Torf ist – das meiste kommt aus dem Baltikum – das billigste Produkt. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist er viel dichter als Rindenkompost. Eine einfache Rechnung: auf einen 38,5-Tonnen-Lastwagen bringe ich 28 bis 30 Paletten Torferde, jedoch nur 21 Paletten torffreie Erde. Durch die Fahrtkosten allein wird das Produkt also schon mal teurer. Zum anderen ist es die einfachere – billigere – Art der Kultivierung von Torferde. Ein hundertprozentiges Torfsubstrat hat kein Leben in sich, ist steril und hat auch keine Nährstoffe drinnen. Es wird nach konventionellen Richtinien erst durch den Mineraldünger mit Nährstoffen versehen. Ich habe zu 100 Prozent torffreie Erde. Bei mir lebt das Substrat. Durch Aktivierung durch Bakterien, die mir die Nährstoffe aus dem Substrat aufschlüsseln und der Pflanze für das Wachstum verfügbar machen.

Rindenkompost braucht vier bis sechs Jahre in der Produktion, damit es langsam fermentieren kann. Meine Erde ist daher doppelt so teuer wie die Torferde. Das nehm ich in Kauf, weil ich von der Langlebigkeit des Produktes überzeugt bin.

Kurz zusammengefasst – wodurch unterscheidet sich der konventionelle Weihnachtsstern von Ihrem?
Erwin Seidemann: Dass der konventionelle Weihnachtsstern zu Tode gespritzt wird, das ist es nicht. Das war in den 1980er und -90er Jahren so. Auch die Konventionellen sind „katholischer“ geworden und wissen, dass das nicht mehr geht. Aber natürlich: Sie kultivieren in reinem Torfsubstrat, sie kultivieren schnell, sie müssen chemisch behandeln. Sie kultivieren so, dass die Pflanze ein optisch schönes Produkt abgibt, das aber bei der Kundschaft zuhause nicht lange haltet. Ein konventioneller Betrieb produziert in kürzerer Zeit viel schneller mehr Weihnachtssterne als ich, bei mir wächst er langsamer.

Wie lange blüht denn so ein Weihnachtsstern?
Erwin Seidemann: Wenn der Weihnachtsstern an einem nicht zugigen Standort steht und er nur einmal die Woche gegossen wird, bei einer Temperatur bis 22 Grad, und nach Neujahr alle Wochen mit einem Flüssigdünger gegossen wird, kann er bis Ostern blühen.

Und wie rette ich meinen Weihnachtsstern in die nächsten Weihnachten hinüber?
Erwin Seidemann: Über den Sommer kann man ihn ins Freie rausstellen, dann wird er gänzlich grün. Und ab Herbst kann man ihn wieder zum Blühen bringen. Die rote Farbe bildet er, indem man den Weihnachtsstern tagsüber in den Raum, etwa auf die Fensterbank, und abends z.B. in den Kasten stellt, um ihn abzudunkeln. Wenn man das ab Ende September ca. sechs Wochen lang macht, fängt er zwischen Allerheiligen und Nikolo an, sich zu verfärben und ist wieder rot, weiß oder rosa.

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In der konventionellen Produktion von Weihnachtssternen kommen Torf, Insektizide und Herbizide zum Einsatz. Bio macht auch hier einen großen Unterschied.

Die Bio-Weihnachtssterne von Erwin Seidemann sind direkt in seiner Gärtnerei sowie via Bio vom Berg.

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