Interview: Wolfgang Möstl und seine Future Trips

Mile Me Deaf, Foto: Svetlomir Slavchev

Mile Me Deaf, Foto: Svetlomir Slavchev

Heute erscheint das neue Mile Me Deaf Album „Eerie Bits Of Future Trips“. BIORAMA Sound Sustain sprach mit Wolfgang Möstl, dem Mann, dessen Kopf- und Herzgeburt diese Band ist, über nachhaltige Gitarren, Essen und Aliens.

BIORAMA: Wie sehr achtest du auf Nachhaltigkeit beim Gitarrenkauf? Also schaust du darauf, wo und wie sie produziert wurden? 

Wolfgang Möstl: Da nahezu alle meine Gitarren aus zweiter Hand stammen, muss ich zugeben, dass ich darauf nicht wirklich achte. Ich habe mir erst eine Gitarre komplett neu gekauft, das war vor 12 Jahren und mit der spiele ich immer noch. Ich weiß, dass sie in Japan produziert wurde, habe weiter aber keine Ahnung, wo die Einzelteile herkommen. Das hat mich wohl mit 18 noch nicht so sehr interessiert.

Wie sieht es beim Essen aus? Was hältst du von Veganismus, kaufst du Bio-Lebensmittel?

Der Löwenanteil von dem, was ich esse ist vegan – Zuhause koche ich ausschließlich vegan und auch wenn ich essen gehe, besuche ich am liebsten Restaurants mit veganem Angebot. Ich hab mich etliche Jahre streng vegetarisch ernährt und ein, zwei Jahre war ich auch vegan. Dass ich hin und wieder nicht vegan oder sogar Fleisch esse rührt daher, dass ich mir selbst versprochen habe, dass, wenn ich Lust auf Fleisch oder so hätte dem Drang nachgeben würde, anstatt mir selbst einzureden dass ich das nicht dürfe. Ich mag es nicht wenn ich das Gefühl habe dass ich mir selbst Dogmen aufzuerlegen. Das klingt vielleicht inkonsequent, funktioniert aber für mich und ich habe dadurch einen guten Bezug zur Ware Fleisch bekommen.

Dass ich un-vegan esse passiert aber sehr selten: mein Lieblingsessen ist und bleibt Gemüse. Aber ein anderer Grund warum ich hin und wieder nicht-vegan esse ist, dass ich auf Tour ein fauler und auch sparsamer Mensch bin und mich nicht immer schere zu improvisieren, wenn es keine Alternative gibt. In meiner zeit als „strenger“ Veganer war dass das Nervigste am Unterwegssein. Während es bei Konzerten dahingehend in Österreich und Deutschland fast nie Probleme gibt, sieht das anderswo, außerhalb der Punk Szene, schon komplett anders aus.

Ich denke seit ein paar Jahren schon nach, wo mein Essen herkommt und greife eher zu Bio-Produkten, wenn es mein Budget zulässt, kaufe aber der Bequemlichkeit halber meistens in den Supermärkten um die Ecke ein und weiß ehrlich gesagt nicht, was ich von deren Bio-Produkten halten soll. Einerseits ist es schon gut, dass sich in den letzten Jahren so was wie ein Bewusstsein für Bio-Lebensmittel entwickelt hat, andererseits kann es sich einfach unmöglich korrekt ausgehen, dass diese in so einer Menge überall angeboten werden. Schwieriges Thema.

Fährst du Fahrrad oder gehst du lieber zu Fuß und fährst mit der U-Bahn?

Ich mach eigentlich alles gleich gern. Im Sommer bin ich fast ausschließlich mit den Rad unterwegs, im Winter spaziere ich gern bzw. benutze die U-Bahn, wenn ich schnell wohin muss. Ich hab zwar selbst schon seit zehn Jahren kein Auto mehr und vermisse es auch nicht, sitze aber dann natürlich wieder im Tourbus und spule damit Kilometer ab. Blöderweise ist man als Musiker mit vollem Instrumentarium extrem abhängig von Autos. Es wäre schon cool nur mit Akustik-Instrumenten oder Laptops bewaffnet mit dem Zug zum Gig zu fahren. Ich hab das vor ein paar Jahren, als ich einige solo mmd Shows gespielt habe, gemacht… Aber: wir brauchen einfach den Lärm unserer Verstärker und Trommeln im Rücken.

Etwas zum Trip – was interessiert dich an der inneren und äußeren Reise? Was nimmst du dir aus der Psychedelia – Philipp Wulf meint im Pressetext zu EBFT das Stück „Capable Ride“ erinnere ihn an einen Madchester-Rave-Track – und der Liebe zum Loop in dein Real Life mit?

Meine Musik ist von verschiedenen Bewusstseinszuständen geprägt. Mit dem Bandnamen angefangen – „Mile Me Deaf“ hat für mich immer einen paralysierten Zustand beschrieben, bzw. den Weg dort hin. Nicht nur mit Hilfe irgendwelcher Substanzen – ich bin fasziniert von der Möglichkeit angeblich LSD-ähnliche Räusche mittels Meditation zu erreichen. Ich bin schon ein Hippie und es würde mich ehrlich interessieren, wenn ich mal einen Haufen Kohle und Zeit habe, nach Indien zu reisen und mich unter die Fittiche eines Gurus zu begeben um diese Technik zu erlernen. Haha someday…

Aber ich mag Hypnotisches im Alltag wirklich sehr gern. Ich bringe mich gern mit Lauten, die ich ständig wiederhole in eine Art Trance-Zustand. Das ist tatsächlich eine Leidenschaft von mir und zudem bin ich Meister des Narrenkastl-Schauens, was ja auch eine Form der Meditation ist. Vor allem ist es schwer sich absichtlich in diesen fast schwebenden Zustand zu bringen.

Wolfgang Möstl, Foto: Beate Pensold

Wolfgang Möstl, Foto: Beate Pensold

Deine Future Trips – lebst du in der Gegenwart oder bist schon immer beim nächsten Song, beim nächsten Sound? Und was könnte an zukünftigen Trips unheimlich sein, Aliens vielleicht? Und woher kommt die Düsterheit, die mir ja ganz gut gefällt am neuen Album!

Als Musiker habe ich jeweils die nächsten 12 Monate immer halbwegs vor Augen, aber weiter als ein Jahr habe ich irgendwie noch nicht so oft geplant… Das Songwriting funktioniert meist spontan und ansonsten versuche ich alles auf mich zukommen zu lassen. Ich finde es arg, dass man absolut nichts mit Sicherheit vorhersagen kann und es wäre schon creepy auch nur ein kleines unwichtiges Detail der eigenen Zukunft zu erfahren. Da fände ich den Erstkontakt mit außerirdischen Lebensformen genauso unheimlich wie, dass ich wüsste, dass ich mich nächste Woche aus meiner Wohnung aussperren werde. Also das Wissen, die Zukunft wäre schon geschrieben, würde mich gruseln, wobei es einige Physiker gibt die genau das behaupten.

Ein düsteres Element begleitet mmd ja irgendwie immer schon, nur denke ich, dass es auf den letzten beiden Platten ein bisschen mehr vom Bubblegum überstrahlt wurde, was aber auch gut gepasst hat. Zu diesen Songs fand ich es aber passend dieses weirde und verschrobene Thema wieder in den Vordergrund zu rücken, da Musik und Text mehr harmonieren sollten. Die Texte waren immer schon eher dark – „Wild At Heart“ vom „Eat Skull“ Album z.B. ist vom Text her ziemlich böse und musikalisch das in etwa Cheesiegste überhaupt.

Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass Aliens bereits seit sehr langer Zeit unter uns weilen.

Mile Me Deaf ist dein Raum für Lo-Fi-Experimente, du hast das neue Album allein, meist on Tour, eingespielt. Das Smartphone und andere portablen Geräte wurden als mobiles Mikro-Aufnahmestudio genutzt, welche neuen Sphären eröffnet das einem Songwriter und Sound-Bastler? Und wie wichtig ist dabei das Sample, das im Album-Opener „Digital Memory File“ besungen wird?

Das Unterwegssein motiviert mich kreativ zu sein und ich bin auch seit ich denken kann ein großer Fan von portablen Aufnahmemöglichkeiten – mein erstes Diktiergerät bekam ich mit ca. zehn und von da an waren die Dinger eines meiner Lieblingsspielzeuge.

Ich hatte schon so viele Ideen zu Songs oder Sachen, die ich ausprobieren wollte, während ich irgendwo durch die Gegend gefahren bin, aber effektiv an Songs gebastelt wurde dann nur an einer Handvoll verschiedener Orte. Richtig an Ideen herumzubasteln macht mir dann doch erst Spaß, wenn ich ein paar Spuren zur Verfügung hab, loopen und editieren kann. Da war ein Gerät, dass in die Hosentasche passt und auf dem GarageBand läuft schon eine Offenbarung.

Erstens ist die Arbeitsweise, on the Road Song-Skizzen zu erstellen, viel unmittelbarer und spontaner und zweitens muss man die Stimmung des Moments nicht zu einem späteren Zeitpunkt in einem dunklen Keller reproduzieren. Irgendwie funktioniert das Songwriting für mich so ungefilterter. Es gibt auch viel mehr unerwartete Einflüsse von außen wenn man mit vier anderen Leuten im Bus oder irgendwo im Park sitzt, was den Prozess eher in eine interessante Richtung lenkt, als dass es eine Ablenkung wäre.

Außerdem verwende ich gerne Alltags-Geräusche und weirde Sounds um gewisse Stimmungen zu erzeugen und immer einen halbwegs guten Recorder dabei zu haben, ist dafür optimal. Und irgendwann steht man mit den Sounds, die eine Wohnung hergibt, auch an. Diese Arbeitsweise hat für mich einiges verändert.

Logischerweise hab ich keinen der Songs komplett auf dem Rücksitz unseres Busses aufgenommen und gemischt, aber es hat immer gereicht den Moment so gut wie nötig einzufangen. Das Sample von „Digital Memory File“ hab ich z.B. im Bus in mein Handy gesungen, gelooped, immer wieder gedoppelt und Zuhause dann darum den Song gebaut. Die Handy-Aufnahme befindet sich übrigens auch im fertigen Song.

Und abschließend: hast du gerade einen Ohrwurm?

Monsterheart – Cosmic Rider

Merci!

Das Cover von "Eerie Bits Of Future Trips"

Das Cover von „Eerie Bits Of Future Trips“

Das neue Mile Me Deaf Album „Eerie Bits Of Future Trips“ erscheint heute bei Siluh Records.

www.siluh.com/artists/milemedeaf/

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