Glücksrad – Das Fahrrad als DIY-Projekt

Wer glaubt, das Fahrrad im Eigenbau meistern zu können, der wird es irgendwann auch versuchen. Aber Vorsicht: In solch einem Vorhaben steckt die Drakonität eines Kippschalters!

Das Fahrrad als DIY-Projekt sollte man – gemessen am Anspruch an geforderter Genauigkeit und der Menge von sicherheitsrelevanten Bauteilen – im guten Mittelfeld der Eigenbauten angesiedelt sehen, irgendwo zwischen Häkel-Geldbörserl und Segelyacht. Ein gewisses Maß an handwerklicher Begabung und der Wille, ein Projekt zu vollenden, das unter Umständen die Wochenende mehrerer Monate verschlingt und mehr Kosten verursachen kann als ein Neukauf, sollte da schon vorhanden sein. Und trotzdem scheint das bestechend ausgewogene Verhältnis zwischen Simplizität und Nutzwert ungleich mehr Selbstbau-Fans anzuziehen als andere, ebenbürtige Projekte. Ein kurzer Blick ins weltweite Netz bringt tausende Anleitungen, Berichte von Besserwissern, Gescheiten und Gescheiterten, Aufzeichnungen von Versuchen und Versuchungen hervor.
Genau genommen kann man ja nur vom Fahrradrahmen als DIY-Projekt sprechen, verwendet doch das Gros aller Bastler Anbauteile aus dem Katalog. Jene, die es geschafft haben, nahezu alle Komponenten selbst zu fabrizieren – Personen mit Format eines René Herse oder Alex Singer – feiert man noch heute als »les constructeurs«. Sie halten die Latte hoch. Doch schon der Rahmen für sich birgt ungeahnte Schwierigkeiten. Und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

Die Geometrie

Ein guter Ausgangspunkt für ein funktionierendes Selbstgebautes ist, sich darüber im Klaren zu sein, wofür genau man sein Fahrrad hinterher nutzen möchte. Hier hilft oft der Blick auf die Homepage eines der marktführenden Fahrradhersteller. Dort kann man sich auch meist detaillierte Spec-Sheets ansehen und lang erprobte Geometrien – quasi die Grundmaße eines Fahrradrahmens – spicken. Diese kann man je nach Mut, Lust und Laune abändern und so die Spannung, aber auch das Risiko der Disfunktionalität gewaltig erhöhen. Sollte das Projekt in die beliebte Richtung der Rat- oder Tall-Bikes – Räder aus Teilen mehrerer anderer (Schrott-)Räder, sehr beliebt in den Kreisen der urbanen Fahrradkultur à la Critical Mass – gehen, ist dieser Punkt eher zu vernachlässigen. Man darf und sollte sich diesbezüglich ausspinnen.

Die Materialauswahl

Hat man erst einmal die Grundmaße des Rahmens ermittelt, kann man sich auch schon der alles entscheidende Frage des Rahmenmaterials und damit der Verarbeitungstechnik zuwenden. Die meistverbreiteten Materialien im industriellen wie im semi-professionellen Rahmenbau sind Metalllegierungen. Dazu gehören Stahl, Aluminium und in geringen Maßen Titan. Um es den Profis gleich zu tun, sollte man sich zumindest die Verbindungsmethodik des Hartlötens oder Schweißens aneignen, im allerbesten Falle gleich in einem der meist von professionellen Rahmenbauern angebotenen Rahmenbau-Workshops. Doch abseits befestigter Wege gibt es noch andere, unkonventionellere Materialien und Methoden. ALAN, eine der Pionierfirmen im Fahrradbau der 70er Jahre, entwickelte die Methode, Aluminiumrohre mittels zusätzlich schraub-geklemmter Flanschen zu verkleben. Angemerkt sein sollte aber, dass die meisten davon nicht in einem Stück bis heute überlebten, doch Neuentwicklungen auf dem Klebstoffsektor wie der »Wunder-Uhu« Ardalite sorgen heute dafür, dass die Kompositbauweise auch dauerhaft in den professionellen Rahmenbau Einzug halten konnte.

Ein für fast 100 Jahre vergessenes Rahmenmaterial feiert derzeit seine Renaissance: die Rede ist von Bambus. Der Industriedesigner Craig Calfee hat schon 2005 begonnen, den enorm schnell (nach)wachsenden Rohstoff, der ähnliche Materialeigenschaften aufweist wie Carbon, versuchsweise in seine Fahrradlinie einzubringen. Eine Reise nach Ghana bewog ihn dann, eine eigene Linie an Serienfahrrädern gleich im Ursprungsland produzieren zu lassen und somit auch die brachliegenden Ressourcen – sowohl die natürlichen als auch die personellen – vor Ort zu nutzen.

Dass sich das Material auch ideal für den Eigenbau eignet, beweisen derzeit Studierende der TU- Berlin mit ihrer Projektwerkstatt NaWaRo-Fahrrad. Die im Zusammenhang mit Bambus entstehenden Konstruktionspläne für Fahrradmodelle aller Couleur stehen nach Abschluss des Projekts unter einer Open-Source-Lizenz allen privaten Nutzern zum Nachbau zur Verfügung.
All denjenigen, welche mit enormer handwerklicher Begabung als auch mit der passenden Holzwerkstatt aufwarten können, sei die »Advanced-Methode« der hohlgearbeiteten, zweischaligen Hartholzrahmen nach Vorbild der Renovo Bikes nahegelegt. Wer schon einmal ein Didgeridoo ohne Termiten gebastelt hat, kann sich vorstellen, welcher Arbeitsaufwand in einem solchen Schmuckstück steckt.
Ob grünes Design, Schrottverwertung oder Edel-Stahl (sic) – ein Selbstgebautes bringt auf jeden Fall mehr Punkte vor dem Eissalon als die teuerste, exotische Stangenware.

TEXT Sebastian Rahs

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