I love Brot: Eine zukunftsfähige Kooperation

Fassadenentwurf für den Brotautomat. Illustration: Stefanie Hilgarth

Fassadenentwurf für den Brotautomat.
Illustration: Stefanie Hilgarth

Das multidisziplinäre Team von Neuland hat sich dem unverkauften Brot von heute angenommen und gemeinsam mit der Bäckerei Felzl ein Geschäftsmodell von morgen geschaffen. 

Es ist 20 Uhr und die Filiale der Bäckerei Felzl in der Wiener Lerchenfelder Straße ist so leer wie meine Brotdose zuhause. Ich mache mich also auf den Weg zum ehemaligen Standort in der Schottenfeldgasse 88, wo sich nach wie vor die Backstube von Felzl befindet. Dort, im Nischeneingang, gibt es seit Kurzem einen Brotautomaten, der jeden Abend nach Ladenschluss mit dem Brot und Gebäck des Tages bestückt wird, das von vergesslichen Spätkunden wie mir zu einem günstigeren Preis gekauft werden kann. Die Idee dazu stammt von einem fünfköpfigen Expertenteam aus den Bereichen Social Design, Nachhaltigkeitsberatung, Umweltbewertung und Ökobilanzierung rund um Kathrina Dankl. »Ich wollte ein Projekt zum Thema Lebensmittelabfall mit einem konkreten Unternehmen umsetzen«, erklärt die Produktdesignerin und Initiatorin der von der Wirtschaftsagentur Wien geförderten Arbeitsgruppe Neuland.

Felzl-Kunden beim Schreiben ihres Brottagebuchs. Bild: Eva Engelberg

Felzl-Kunden beim Schreiben ihres Brottagebuchs.
Bild: Eva Engelberg

We love Brot!

Mit Bäckermeister Horst Felzl als Partner hat das Team eineinhalb Jahre lang an einem Konzept zur Abfallreduzierung gewerkt und schließlich das Projekt »I love Brot« gestartet. Die Umweltbewertung von Wolfgang Wimmer, bei der Energieverbrauch, Bestellwesen und Spritverbrauch bei der Auslieferung genau unter die Lupe genommen wurden, aber auch Gespräche mit Mitarbeitern, von Kunden geführte Brottagebücher und als Tischsets gestaltete Kurzfragebögen lieferten wertvolle Informationen. So wurde ermittelt, dass pro Woche eine Sonntagsladung (16%) Brot aus den Filialen retour kommt und bei den Kunden ein Viertel des gekauften Brotes im Müll landet. Was folgte, war ein »wechselseitiger Lernprozess«, wie es Thomas Hruschka, beschreibt. »Anfangs haben wir uns lange damit beschäftigt, ob man die Logistik des Nachbestellens verbessern kann. Ein theoretisch interessanter Aspekt, bei dem man an kleinen Schräubchen drehen kann, was aber das Problem nicht löst.« Stattdessen setzten sie bei der zu Ladenschluss unverkauften Ware an.

Neben dem Brotautomaten entwickelte das Team gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien aus Retourware veredelte Brotchips, die so genannten Felzolini. »Ich glaube, dass viele KMU nicht daran denken, eine Kooperation mit einer Uni einzugehen – ein weiterer Mehrwert, den das Zusammenarbeiten mit unterschiedlichen Disziplinen bringen kann«, betont Kathrina Dankl.

Das Projekt wird Ende des Jahres abgeschlossen sein, die Zusammenarbeit aber soll weitergehen und sich künftig auch Problemstellungen anderer Unternehmen widmen – wie, das verraten Kathrina Dankl, Thomas Hruschka und Andrea Lunzer im Interview.

 

BIORAMA: Wie kann man sich euren Co-Kreationsprozess vorstellen?

Andrea: Co-Kreation heißt einerseits, dass wir miteinander, aber auch mit den Kunden und Mitarbeitern eines Unternehmens arbeiten. Das Ziel ist, dass alle in einem sehr frühen Stadium miteinbezogen werden.

Kathrina: Bei Felzl wollten wir den persönlichen Bezug herstellen und Ideen von beiden Seiten speisen, indem wir schauen, was jede Kundin, jeder Kunde tun kann und was die Bäckerei machen sollte, um am Ende weniger Brotabfall zu haben.

Thomas: In so einem Prozess kriegt man einerseits Informationen und damit auch Ideen von den Konsumenten, die ja in gewisser Weise auch Experten fürs Brotkaufen sind. Auf der anderen Seite haben wir ihnen über das Projekt erzählt. Was da passiert, ist also sehr multi-dimensional.

Brottagebuch

Brottagebuch

Gemeinsam entwickelt ihr »zukunftsfähiges Design«. Was versteht ihr darunter?

Kathrina: An den Kern des Problems zu gehen und unter Einbeziehung derer, die es betrifft, an einer Lösung zu arbeiten. Lebensmittelabfall ist auf den ersten Blick kein glamouröses Thema. Deshalb ist es umso essenzieller, dass die Lösung kommuniziert wird und greifbar wird, bei Felzl etwa durch die Brottagebücher und unsere Präsenz in den Shops.

Andrea: Beim Marketing haben wir uns gefragt: Wie können wir das anders angehen als mit dem tausendsten Slogan? Wir haben sehr darauf geachtet, mit Transparenz zu arbeiten und die Kunden am Prozess teilhaben zu lassen.

Wie bestimmt ihr, ob »I love Brot« erfolgreich war?

Kathrina: Die Evaluierung war ein wichtiger Faktor für uns, deshalb haben wir am Beginn des Projekts auch diese Datengrundlage geschaffen. Die Erfolgsmessung wird aber nicht nur in Zahlen stattfinden, sondern auch in Gesprächen mit Horst Felzl, den Mitarbeitern und Kunden darüber, wie sie die Veränderungen wahrnehmen.

Felzolini Beta-Serie. Bild: Fotostudio Dankl

Felzolini Beta-Serie.
Bild: Fotostudio Dankl

 

An welche Unternehmen richtet sich euer Service-Angebot?

Kathrina: Wir haben viel Erfahrung im Bereich Essen und Produktion von Lebensmitteln gesammelt, deshalb sind im ersten Schritt Kunden in einem verwandten Bereich naheliegend. Es muss sich aber nicht darauf beschränken.

Was zeichnet eure Arbeitsweise in Kooperation mit Unternehmen aus?

Thomas: Im Fall von Felzl hatten wir ein konkretes Problem zu lösen. Wenn man sich anschaut, wie Firmen Problematiken wahrnehmen, spüren sie häufig ein Symptom, kennen aber das eigentliche Problem dahinter nicht. Der Mehrwert dieser Gruppe wird sein, von so einem gefühlten Symptom zunächst auf das eigentliche Problem und in Folge auf konkrete Lösungen zu kommen.

Kathrina: Wir legen uns nicht darauf fest, ob die Lösung ein verbessertes System, eine Dienstleistung oder ein Produkt ist, gehen aber davon aus, dass es etwas Greifbares ist, was uns auch von anderen Beratern unterscheidet.

Thomas: Ein Mehrwert für den Unternehmer ist sicherlich die Fülle an Ideen, die er durch die Transdisziplinarität der Gruppe und die verschiedenen Lebenserfahrungen ihrer Mitglieder bekommt.

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