Stadt, Land, „Flux“ – Attwenger sind mit neuem Album zurück.

Attwenger gibt es seit 20 Jahren. Als fahrende Musikanten kennen sie auch die Provinz, mögen die Exzesse bei Konzerten auf Landgasthöfen und würden auch gerne einmal mit Brian Eno oder noch besser mit Jack White ein paar Wochen auf einem Bauernhof gemeinsam Musik machen. Im Hinterland zu leben, kommt für sie aber nicht in Frage.

Attwenger schöpfen in ihrer Arbeit seit jeher aus dem Volksmusikfundus, benutzen den oberösterreichischen Dialekt als Vehikel für ihre Texte zwischen Lautmalerei, skurrilen Lustspielen und bissiger Kritik. Trotz regionaler Verankerung und obwohl sie gerne Konzerte am Land spielen: Sie sind durch und durch urban. Hans-Peter Falkner meint zwar im Gespräch, dass das Landleben heute anders zu sehen ist als noch in seiner Jugendzeit. Die Menschen sind anders »vernetzt und verlinkt« und bei schönem Wetter »ist eh alles super«. Aber der Mief, den sie auf ihrem aktuellen Album »flux« besingen, stinkt am Land oft mehr als in der Stadt.

»Vehement kritisch«

Auch wenn »flux« weniger politische Aussagen enthält und Persönlicheres in den Vordergrund gerückt ist, die Einstellung von Attwenger bleibt »vehement kritisch« wie Falkner es ausdrückt. Dass man mit dieser Haltung am Land auf Schwierigkeiten stößt, ist ihnen auch klar. Es gäbe zwar rühmliche Ausnahmen wie etwa die Gemeinde Ottensheim nahe Linz, wo sich die Leute samt Bürgermeisterin »lässig organisiert« haben, in den meisten Gemeinden »musst du ein harter Knopf sein, wenn du politisch etwas bewegen willst«, meint Falkner. Härter als in der Stadt, weil die Gleichgesinnten fehlen. »Da beißt du dir die Zähne endlos aus.«

Die Exzesse der Landfreaks

Markus Binder kann dem Landleben auch Positives abgewinnen. Er mag vor allem die Exzesse, zu denen die Jugendlichen am Land fähig sind. Wenn Attwenger als »fahrende Musikanten« in Locations wie dem Gasthof Höller in St. Peter am Wimberg spielen, ist dort die »volle Sausebrause«. Die Menschen kommen aus allen Richtungen zusammen, fahren kilometerweit um dabei zu sein. »Und wenn Du mit den Typen redest und fragst, was sie so machen, sagen sie oft, dass sie eh in Wien sind. Die fahren am Wochenende heim und machen Party.« Attwenger und Menschen, die ähnlich wie Attwenger denken, haben es schwer in der Pampa.

Drei Wochen am Bauernhof mit Jack White

Im Gespräch über das Hinterland entwickeln Attwenger doch noch ein Szenario, wie sie es einige Zeit am Land aushalten könnten: Nach dem Vorbild der Kooperation von Brian Eno mit den deutschen Elektronik-Pionieren Cluster würden auch sie drei Wochen auf einem Bauernhof mit Tonstudio verbringen, nur auf die Musik konzentriert. Mit jemandem wie Brian Eno »kann nur was Interessantes rauskommen«. Obwohl sie auch eine Kooperation mit Jack White nicht verachten würden.

Apropos Arbeit: Attwenger sind nach 20 Jahren fleißig wie eh und je. Falkner und Binder machen einen Großteil der Arbeit selbst. Sie organisieren ihre Konzerte, arbeiten an ihrer Website, gestalten Sticker und T-Shirts. »Wir sind nicht die Typen, die das aushalten, wenn jemand kommt und sagt, wir machen das jetzt so oder so«, meint Binder. Dass das Unternehmen Attwenger so reibungslos funktioniert, ist zwei Dingen zu verdanken. Erstens: »Ein sehr leiwander Umgang miteinander«, so Falkner. Der ist auch symbolisch am Cover von »flux« dargestellt: Zwei Trapezkünstler, von denen einmal der eine den Fänger darstellt und einmal der andere. Und zweitens: eine nachhaltige Idee. Attwenger ist kein Strohfeuer-Projekt. Mit dem Grundkonzept lassen sich aus dem, was die Welt an Sounds und Ideen bietet, immer neue Mixes machen. Binder ist überzeugt: »Das kann gar nicht aufhören, weil die Welt immer was Neues bietet, mit dem wir uns als Attwenger auseinandersetzen können.«

Attwengers Album »flux«, produziert von Wolfgang Schlögl, ist bei Lotus Records erschienen.

 

ZUSATZ:

Attwenger als nachhaltige Idee

Es gibt kein Patentrezept für die Entwicklung eines Attwenger-Songs. Aber es gibt das nach wie vor tragfähige Grundkonzept, Elemente der österreichischen Volksmusik auf die für Attwenger typische Art mit anderen Musikrichtungen zu mischen und mit dem Klang des oberösterreichischen Dialekts zu spielen. Auf »flux« kommen Rock’n’Roll, »kantri« und Swing vorbei. Attwenger nehmen sie auf, um sie durchs Dorf zu treiben. »flux« bietet mehr Melodie und mehr Persönliches als frühere Platten. Aber das kann beim nächsten Album schon wieder ganz anders sein.

TEXT Werner Reiter

Das vollständige Interview mit der Band Attwenger gibt es auf Werner Reiters Website Werquer.com nachzulesen.

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