Neue Teamchefin

Johanna Stögmüller, die neue Chefredakteurin von Biorama, im Interview. – „Was in den 70er-Jahren als Öko-Fundamentalismus galt, ist heute im politischen Mainstream verankert.”

Bereits im Dezember 2011 hat Johanna Stögmüller (28) die Chefredaktion von BIORAMA übernommen. Die gebürtige Oberösterreicherin ist studierte Publizistin und seit 2008 für das Medienhaus Monopol tätig. Zuletzt leitete sie gemeinsam mit Manuel Fronhofer das Musikmagazin TBA.
Für BIORAMA war sie erstmals aktiv als sie 2009 gemeinsam mit dem damaligen Herausgeber Milo Tesselaar die Beilage „Fischorama“ konzipierte. Seit 2 Jahren verfasst sie für BIORAMA die Kolumne „Und hinter mir die Sintflut“.
Als Chefredakteurin folgt Johanna Stögmüller auf Ursel Nendzig. Nendzig, zuletzt karenziert und als Co-Autorin für das „Wissenschaftsbuch des Jahres“ ausgezeichnet, bleibt BIORAMA weiterhin mit ihrer Kolumne „Elternalltag“ erhalten. Beides freut uns sehr.

Zum offiziellen Einstand hat das Team von BIORAMA ein paar Fragen an seine neue Chefredakteurin gestellt:

Das Leben ist eine Ökobaustelle – was ist dir persönlich am wichtigsten, als Chefredakteurin mit Biorama umzusetzen?
Johanna Stögmüller: Um auf der Baustelle zu bleiben: Mit jeder Ausgabe von Biorama bauen wir ein Stück weiter. Graben um. Realisieren Pläne. Montieren Fenster, um ungewöhnliche Ein- und Ausblicke zu gewähren.

Biorama erscheint ab jetzt zweimonatlich. Wird es auch weiterhin für jede Ausgabe ein Hauptthema geben und wie findet die Redaktion diese Schwerpunkte?
Stimmt, Biorama erscheint ab jetzt nicht mehr viermal sondern sechsmal im Jahr. Jede Ausgabe wird weiterhin einen thematischen Fokus mit einer ausführlichen Titelstory setzen. Ein Printmedium genießt ja nicht nur das Privileg, sich mit der nötigen Ausführlichkeit einem Thema widmen zu können, gerade von einem Magazin wie Biorama wird eine eingehende Beschäftigung mit einem Thema ja mitunter auch erwartet. Vorschläge für solche Schwerpunkte kommen aus der Redaktion genauso wie von außen. Wir sind offen für Vorschläge.

Was regt dich so richtig auf an unserem Lebensstil?
Wir leben über unsere Verhältnisse. Konsum wird zum Lebenszweck hochstilisiert. Auf dem Papier klingt alles einfach: Wir dürfen nicht mehr verbrauchen als wir produzieren. In der Realität scheitern wir daran leider grandios.

Fährst du selbst mit dem Rad in die Redaktion? Auch bei den aktuellen Temperaturen?
Im Winter bin ich chronisch unterkühlt und bevorzuge daher die Öffis. Im Sommer bin ich so oft es geht mit dem Rad unterwegs oder zu Fuß.

Wie groß ist dein CO2-Fußabdruck im Vergleich zu dem einer durchschnittlichen Wienerin?
Ok, ihr wollt harte Fakten: Mein ökologischer Fußabdruck beträgt 3,5 global Hektar. Damit liege ich unter dem österreichischen Durchschnitt von 4,9 gha. Ich habe kein Auto, fliege selten (und wenn, dann keine Fernreisen), wohne in einem Neubau. Das sind gute Voraussetzungen.

Findest du, dass zuerst das Individuum gefordert ist seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten? Wie sehr stehen auch Unternehmen in der Verantwortung? Kommunen?
Natürlich ist jeder Einzelne gefordert seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wenn dieser Mensch jedoch eine politische Funktion ausübt oder ein Unternehmen führt, ist er umso mehr gefordert. Klimaschutz wird als globales Anliegen formuliert. Die Energiewende ist ein globales, also auch global-politisches Thema. Da sind ganz klar diejenigen am meisten gefordert, die politisch etwas bewegen können.

Wie reagierst du auf Öko-Fundamentalismus?
Ich lehne jede Art von Fundamentalismus prinzipiell ab. Ideologien, die darauf gründen, die scheinbar einzige Wahrheit für sich zu beanspruchen, sind mir suspekt. Allerdings muss man sich zum Beispiel im Kontext von Umweltbewegungen der historischen Veränderung von Begriffsbewertungen bewusst sein. Was in den 70er-Jahren als Öko-Fundamentalismus galt, ist heute im politischen Mainstream verankert.

Wie kann man in Zeiten von Schuldenbremse noch Leute und vor allem öffentliche Institutionen für CO2-Reduktion begeistern?
Indem man informiert und klare Handlungsoptionen aufzeigt. Ich glaube, dass die Umsetzung vieler guter Ideen vor allem an der Unwissenheit der Menschen scheitert und an der Annahme, dass das eigene Leben von globalen Einflüssen verschont bleibt. In unserer westeuropäischen Wohlstandsblase haben wir es ja vergleichsweise noch sehr gemütlich.

Eine Film-Empfehlung aus dem Biorama-Universum?
Jede einzelne Folge von Universum.

Drei Maßnahmen mit denen du zu einer besseren Welt beiträgst?
Je länger ich über diese Frage nachdenke, desto anmaßender erscheinen mir mögliche Antworten. Am Ende wäre das Konsequenteste wohl, sich selber abzuschaffen. Taugt mir aber auch nicht wirklich. Also reduziere ich meinen Fleischkonsum, fahre weiterhin kein Auto, kümmere mich um meine Mitmenschen und wähle Grün.

Wie hältst du’s mit der Natur – Wandern, gärtnern, draußen sein?
Wandern: Sonntagsspaziergänge. Gärtnern: DIY-Indoor-Anpflanzungen. Draußen sein: sowieso.

Wien ist die lebenswerteste und smarteste Metropole, die die Menschheit jemals hervorgebracht hat. Gilt das auch aus einem Biorama-Blickwinkel?
Ich bezweifle, dass die Studien, die zu diesen Ergebnissen kommen, den Anspruch haben, eine Stadt als Lebensraum von Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und Hintergründen zu erfassen. In erster Linie sind das gut vermarktbare Zahlen, auf die im Rathaus angestoßen wird. Trotzdem: Ich mag Wien und lebe hier gern. Aus einem Biorama-Blickwinkel betrachtet kann Wien viel, könnte aber noch mehr. Mehr Radwege, mehr Toleranz, mehr Subventionen für engagierte Projekte.

Letzte Frage: Du hast ja schon länger eine Kolumne für Biorama verfasst: „Und hinter mir die Sintflut“. Wird es die auch weiterhin auf der allerletzten Seite geben?
Ja.

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