Moral – Wie man richtig gut lebt

Warum ein Buch über Moral und warum gerade jetzt? Das fragt sich nicht nur die potenzielle Leserschaft, sondern auch Autor Rainer Erlinger gleich zu Beginn seines aktuellen Buches „Moral – wie man richtig gut lebt“. Rainer Erlinger ist kein Moralapostel, sondern Mediziner und Jurist und verdiente sich seine ersten Lorbeeren mit der Kolumne „Gewissensfrage“ im Süddeutsche Zeitung Magazin. Teile daraus konnte man schon in Buchform nachlesen und wer das ganze lieber live erlebt, hat seit 2008 regelmäßig im Berliner Deutschen Theater die Möglichkeit, wo er gemeinsam mit dem Zeit-Kolumnisten Harald Martenstein moralische Alltagsfragen diskutiert.

Wer Erlingers Buch aus Angst vor esoterischem Geschwätz gar nicht erst in die Hand nehmen will, liegt weit daneben. Erlinger kennt sie alle, von Immanuel Kant über Arthur Schopenhauer bis zu John Rawls und baut ein theoretisches Fundament, an dem man nur schwer rütteln kann. Geschickt, sparsam und in mundgerechten Happen werden die Zitate auf Alltäglichkeiten heruntergebrochen und Sprünge von Mutter Teresa zum Altglascontainer erscheinen überhaupt nicht mehr so weit her geholt. Wie ist die richtige Antwort auf: „Bin ich zu dick?“? Darf man Schwarzfahren, muss man vegetarisch leben und warum ist Egoismus eigentlich doch okay? Erlinger liefert auf komplexe moralische Fragestellungen durchaus praktische Handlungsanleitungen, die man schon lange gut gebrauchen hätte können. Er ist sich nicht zu schade, das Geschriebene ganz persönlich zu kommentieren, eine fordernde Passage mit einem Witz abzuschließen oder den LOHAS im Vorbeigehen ans Bein zu pinkeln. Themen wie Lüge, Toleranz, Geld, Sex, Soziales oder der Staat werden in eigenen Kapiteln in puncto Moral abgeklopft und in drei Grundpfeiler einer zeitgemäßen Moral überführt, sodass die Eingangsfrage schlussendlich obsolet erscheint.

 

Rainer Erlinger: Moral – Wie man richtig gut lebt
S. Fischer Verlag – Frankfurt am Main 2011
ISBN 978-3-10-017021-7


Text: Mirjam Bromundt

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