Friedfische ahoi: Karpfen, Wels und Verwandte

Warum der Karpfen der nachhaltigste heimische Fisch am Teller ist. Ein Bericht vom Tasting_Forum. Also starring: der Wels

Statt dem Hecht erwischt: den Wels im Karpfenteich. (Foto: Reinhard Gessl)

Es hätte nicht besser sein können: Ein strahlend schöner Herbsttag, spätsommerliche Temperaturen, entspannte, gutgelaunte Gäste, hervorragende Köche und ein Gastgeber, der mit toller Atmosphäre und spannenden Geschichten rund um die Biofische in seinen Gewässern begeisterte.

Eingebettet in der wunderschönen Teichlandschaft des Waldviertels züchtet Marc Mößmer, Pionier der biologischen Fischzucht und Begründer der ARGE Biofisch, eine bunte Vielfalt an heimischen Speisefischen in Bioqualität. In seinem über 50 Hektar großen Teich in Haslau bei Heidenreichstein tummeln sich Karpfen, Schleie, Zander, Hecht, Wels, Barsch und viele andere mehr.

Gemeinsames Abfischen wie es seit Jahrhunderten praktiziert wird. (Foto: Reinhard Gessl)

Dieser Teich bildete auch die traumhafte Kulisse des  Tasting_Forums »Ab-Fisch Ab-Hof – Biofisch-Verkostung mit Abfischen«, bei dem Marc Mößmer den BesucherInnen einen exklusiven Einblick gewährte, wie Bio-Karpfen in einem intakten Ökosystem leben und »geerntet« werden. Dabei wurde er nicht müde, die Vorzüge der Biofischhaltung hervorzuheben: Es ging um das langsame Heranwachsen des Bio-Karpfens, um das jahrelange Hegen und Pflegen der stillen Nutztiere und deren Lebensraum, um das Füttern, das Überwintern, um die erst kürzlich von ihm entwickelten Prinzipien der biodynamischen Teichwirtschaft, aber auch um die wichtigen Aufgaben der im Teich eingesetzten Raubfische. 
Bevor es ans konkrete Abfischen ging, zeigten die beiden Köche von Einsundeinsdeluxe, Christoph Fink und Christian Mezera, ganz regional und saisonal, was Karpfen und andere Friedfische kulinarisch so drauf haben.

Welch Genuss: Fisch-Leberkäse (Foto: Reinhard Gessl)

Nach kunstvoll zubereiteten Biofisch-Leberkässemmeln servierte das  »Fermentationspaar« Rudi Hoheneder und Greti Mayer fermentierte Gemüse- und Fischproben sowie die passenden Hintergrundinformationen dazu.

Zu Gast am Fischteich: das Fermentarium. (Foto: Reinhard Gessl)

Im Anschluss daran durften interessierte VerkosterInnen den beiden Feldköchen Mezera und Fink beim Frittieren unterschiedlichster Fischteile unter die Arme greifen. Das Ergebnis erstaunte und begeisterte – schließlich bekommt man nicht jeden Tag Fischgaumen oder Milchner serviert.
Das gemeinsame Abfischen eines kleinen Teiches bot dann eine gänzlich neue Kulisse für wieder neue Geschichten aus dem Bio-Fischreich.

Teiche ab- statt Meere leerfischen
Die Vorgehensweise des Abfischens hat sich im Waldviertel in den letzten Jahrhunderten kaum verändert: Über Tage wird Wasser aus den Teichen abgelassen, die Fische schließlich mit Netzen an der tiefsten Stelle des Teiches zusammengetrieben, mit Keschern gefangen und nach Art und Größe sortiert. Bis zu vier Jahre dauert es, bis die Bio-Karpfen das Wunschgewicht von rund zwei Kilo erreichen. Fische, die noch zu klein für den Verkauf sind, warten in sogenannten Überwinterungsteichen auf das nächste Frühjahr. Ab April, wenn die abgefischten Teiche wieder mit Wasser gefüllt sind, werden die Tiere dort wieder eingesetzt und drehen in heimatlichen Gefielden bis in den darauffolgenden Spätherbst ihre Runden.
Bio-Karpfen kann man ruhigen Gewissens als sportlich bezeichnen: Sie haben sehr viel Platz und suchen sich den Großteil ihres Futters selbst. Biogetreide wird nur in geringen Mengen zugefüttert. Da sich Bio-Karpfen hauptsächlich von Naturnahrung aus dem Teich ernähren, kann man den Karpfenteich auch als eine Art Weide sehen, die vom Frühjahr bis zum Herbst reichen muss.

Marc Mößmer hebt einen Spiegelkarpfen aus dem Netz. (Foto: Reinhard Gessl)

Das herbstliche Abfischen ist eine intensive Phase im Jahresablauf des Teichwirts: Es ist die Zeit des »Erntens«, aber auch die Stunde der Wahrheit, denn übers Jahr kann man den Zustand und die Größe des Bestandes nur erahnen. Doch Marc Mößmer war bis jetzt immer noch zufrieden. Hervorragende Wassergüte, langsames Fischwachstum, geringe Besatzdichten, ein ausgewogenes Verhältnis verschiedener Fischarten, der Verzicht auf Hormone, Düngemittel und Pestizide sorgen für beste Biofisch-Qualität. Allerdings nehmen von Jahr zu Jahr die Probleme mit den Ottern zu: Die sehen die Teiche als Selbstbedienungsladen und sorgen für Ertragsausfälle von bis zu 50 %. Eine wirtschaftliche Katastrophe, für die es bisher noch keine zufriedenstellende Lösung gibt.

Köstlich in der Suppe: das Beuschel (Foto: Reinhard Gessl)

Die Bio-Karpfen, die das richtige Gewicht haben und vom Otter verschont blieben, werden vor dem Verkauf noch einige Zeit in Wasserbecken mit Frischwasserzufuhr gehalten, um so den unerwünschten »Teichgeschmack« zu verhindern und bestechen mit geschmacklich hervorragendem, festem und gar nicht so fettem Fleisch. Auch wenn Karpfen immer noch ein Image zum Davonschwimmen haben: Bio-Karpfen triumphieren nicht nur in Sachen Geschmack, auch aus anderen Gründen überzeugen die friedlichen Süßwasserfische: Einerseits werden durch ihre Zucht ökologisch wertvolle Biotope wie die Waldviertler Teichlandschaft langfristig gesichert, andererseits kann man sich als KonsumentIn sicher sein, dass mit dem Karpfen der nachhaltigste Fisch, den man bei uns bekommen kann, auf dem Teller landet.

Weitere Infos zu den Tasting_Foren unter www.biodreinull.at

Bio-Wissen
In Österreich liegt der jährliche Fisch-Pro-Kopf-Verbrauch bei knapp acht Kilogramm. Nur etwa fünf Prozent davon stammen aus heimischer Erzeugung. Weltweit hat sich im Lauf der vergangenen 30 Jahre der Fischkonsum mehr als verdoppelt, wobei der Großteil der verzehrten Fische zu den Raubfischen gehört. Um die stetig wachsende Nachfrage zu stillen, wird mittlerweile rund die Hälfte der weltweit konsumierten Speisefische in Aquakulturen gezüchtet. Mit all den bekannten negativen ökologischen, tierethischen und sozialen Auswirkungen.

Um die Raubfischfütterung möglichst nachhaltig zu gestalten, setzt man in der Biofischzucht neben der Verfütterung von Fischen aus biologischer Aquakultur auch auf die Verwertung von Resten der biologischen Fischverarbeitung.

Dennoch, wer es beim Fischgenuss besonders nachhaltig haben möchte, setzt auf Bio-Friedfische wie Rotauge, Rotfeder, Schleie – und natürlich den Karpfen.

Bio-Karpfen leben extensiv in natürlichen Teichen und profitieren von einem intakten Lebensraum, der für gesunde und vitale Fische sorgt. Ausreichend „Auslauf“, nämlich 20 m² Wasserfläche steht jedem Tier in der österreichischen Bio-Teichwirtschaft zur Verfügung. Die notwendige Bewegungsfreiheit ermöglicht es den Tieren sich von natürlichem Futter – wie verschiedensten Kleinstlebewesen, die in den Teichen leben – zu ernähren. Zugefüttert wird selbstverständlich nur Bio-Getreide. Da Bio-Karpfen weniger energiereiches Futter erhalten und genügend Platz für ausgiebige Schwimmrunden haben, wachsen sie langsamer und überzeugen anspruchsvolle Gourmets mit ihrem weniger fetthaltigen und festen Fleisch.

Über die Veranstaltungsreihe:

Das Tasting Forum ist eine seit 2010 bestehende Best-Practice-Serie von Bio-Lebensmittelverkostungen. Ziel der zehnmal jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe ist es, biologische Lebensmittel unterschiedlicher Kategorien und Verarbeitungsgrade zu präsentieren, das weite Genusspotenzial der ausgewählten Produktgruppen in Bio-Qualität aufzuzeigen und die Vorzüge der „Bio-Produktion“ darzustellen. Seit 2017 begleitet BIORAMA das Tasting Forum als Medienpartner.

VORGESCHLAGENE ARTIKEL DER REDAKTION