Wie Zeitreisen unser Überleben sichern

Coverbild_Umweltgeschichte

Das Buch „Geschichte unserer Umwelt. Sechzig Reisen durch die Zeit“ liefert stichhaltige Argumente für die Umsetzung einer nachhaltigen Gesellschaft und zeigt, wie frühere Gesellschaften erfolgreich oder erfolglos mit Umweltproblemen umgingen.

Rachel Carsons „Silent Spring“ (1962) und Vance Packards „The Waste Makers“ (1960) gelten als Beginn des modernen Umweltbewusstseins. Sie thematisierten Vergiftung, Umweltverschmutzung und Ressourcenvernichtung. 1970 wurde der „Earth Day“ ins Leben gerufen, der 20 Millionen US-Amerikaner aufrüttelte, 1972 wurde der Weckruf des Club of Rome vernommen, der in der Bestsellerstudie „Die Grenzen des Wachstums“ andeutete, dass wir ohne Kurswechsel in den nächsten hundert Jahren auf kolossale Katastrophen zusteuern würden. Um 1980 entwickelte sich von den USA ausgehend auch in Europa die Umweltgeschichte als eigene Wissenschaftsdisziplin.

Was Umweltgeschichte nicht ist

Sie ist keine „Naturgeschichte“, beschäftigt sich nicht mit der Geschichte des Klimas, Bodenerosion, Veränderungen von Flussläufen oder Küstenlinien – dies ist den Naturwissenschaften vorbehalten. Die Umweltgeschichte als interdisziplinäres Fachgebiet bedient sich eines variationsreichen Methodenkoffers, von naturwissenschaftlichen bis sozialwissenschaftlichen Methoden. Ihre „Quellen“ reichen dabei von Zeitungsausschnitten und Bildpostkarten bis hin zu Urkunden und Tafelbildern, die sie durch die umwelthistorische Linse betrachtet.

Themen der Umweltgeschichte

Umweltgeschichte beschäftigt sich mit Umweltverschmutzung und Protesten dagegen, mit der Zerstörung der Urwälder, dem Aussterben von Arten, der Veränderung von Flusssystemen bis zum Klimawandel. Sie thematisiert die Macht über Ressourcen, Nutzungskonflikte, koloniale Ausbeutung und Zerstörung. Sie beleuchtet die Geschichte der Naturkatastrophen und des Bodens und seit neuestem die Umweltauswirkungen von Kriegen.

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Werbung für Hochleistungs-Futterrübe, Postkarte ca. 1910. Bild: Primus-Verlag

Die Geschichte unserer Umwelt

In 60 Reisen durch die Zeit führt uns der Sach-Bildband, verfasst von Verena Winiwarter und Hans-Rudolf Bork, quer über alle Kontinente: zur Pestpandemie in Mitteleuropa von 1347 bis 1351 und zu Vulkanausbrüchen auf Island 1783 und 1784. Die Autoren rekonstruieren Naturereignisse wie das Magdalenenhochwasser, das Mitteleuropa vom 19. bis zum 25. Juli 1342 heimsuchte, und liefern Beispiele nachhaltiger Gesellschaften: Sie zeigen, wie kleinteilige Landnutzungsstrukturen im nordchinesischen Lössplateau bis 1958 nachhaltigen Gartenbau ermöglichten oder wie im Amazonastiefland  vor etwa 7.000 Jahren die Terra Preta, ein schwarzer, äußerst fruchtbarer, von Menschen gemachter Boden, entstand. Die Geschichte unserer Umwelt wurde von Transport und Handel beeinflusst, von der Kolonialwirtschaft und der industriellen Lebensweise. Am Eichenkahlschlag in Kalifornien ab 1947, von der Agrarlobby der 1870er und 1880er angezettelt, wird ersichtlich, dass Gesetzgebung und Expertenwissen unter Umständen nicht-zukunftsfähige Entwicklungen hervorbringen.

Kritik

„Die ‚Geschichte unserer Umwelt‘ ist kein akademisch-theoretischer Schinken und auch keine ‚Chronik der Umweltsünden‘“, fasst FM4 die Quintessenz zusammen. Es ist der durchaus gelungene Versuch, die Umweltgeschichte als Wissenschaft auf einem allgemein verständlichen Niveau zu präsentieren. Quellenreich und sachlich schildern Winiwarter und Bork wie früher mit der Umwelt umgegangen wurde. Die Autoren weisen auf die Gefahren kurzfristigen Handels hin, plädieren für problemorientierte Langzeitperspektiven und krempeln die Ärmel hoch, um die Leserinnen und Leser pespektivenreich zu entlassen.

Das mit Informationen prall gefüllte Buch sollte man am besten portionsweise konsumieren und Kapitel für Kapitel auf sich wirken lassen. Über 200 Farb- und Schwarzweiß-Bilder beleben dabei das Vorstellungsvermögen.

Bildeindrücke aus dem Buch

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Zuckerrohr-Schnitt auf Cuba. Bild: Primus-Verlag

Die Terra Preta ist eine dunkle, nährstoffreiche Erde im Amazonasgebiet. Das Bild zeigt eine Untersuchung.

Die Terra Preta ist eine dunkle, nährstoffreiche Erde im Amazonasgebiet. Das Bild zeigt eine Untersuchung.

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Überschwemmung in Szeged 1879, Postkarte. Bild: Primus Verlag

Wie lernen Gesellschaften? „Gedenktafel“ für den letzten Wolf in Niederösterreich, der 1866 erlegt wurde.

Wie lernen Gesellschaften? „Gedenktafel“ für den letzten Wolf in Niederösterreich, der 1866 erlegt wurde.

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Entladung von Bananenstauden, Postkarte 1930. Bild: Primus-Verlag

Die Autoren

Verena Winiwarter ist Professorin für Umweltgeschichte und Leiterin des Zentrums für Umweltgeschichte der Universität Klagenfurt. Sie ist Wissenschaftlerin des Jahres 2013 in Österreich.

Hans-Rudolf Bork ist Professor für Ökosystemforschung an der Universität Kiel. Als Ökosystemforscher, Geograph, Bodenkundler und Paläoökologe erforscht er die komplexen Wechselwirkungen von Mensch und Umwelt.

 

Hans-Rudolf Bork, Verena Winiwarter
Geschichte unserer Umwelt. Sechzig Reisen durch die Zeit.

2014, Primus Verlag, 191 Seiten, 212 Abbildungen, Bibliographie u. Register, geb. mit Schutzumschlag
Format 21,0 x 27,0 cmISBN 978-3-86312-069-6

www.hans-rudolf-bork.com
www.umweltgeschichte.uni-klu.ac.at

 

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