Tipps vom Profi: Was du in der Küche wirklich brauchst

Kein Klimbim: Rudi Obauer weiß, was in der Küche nützlich ist. (Foto: Shutterstock)

Was du in der Küche brauchst. Und was nicht. Von Koch Rudi Obauer – ein Auszug aus seinem Buch „Ich koche, also bin ich“

„Wenn du gelegentlich alte Häuser oder Wohnungen besuchst, wirst du anhand der Küche schon die ungefähre Bauzeit erahnen können. Bauernhäuser bis zu den 1930er-Jahren sind in den allermeisten Fällen mit großen Wohnküchen ausgestattet, was auch gar nicht verwundert. Die Menschen brauchten Platz zum Kochen für recht große Familien, Convenience-Produkte gab es noch nicht; außerdem wurden in den Küchen viele Vorräte für den Winter verarbeitet (auch Butter wurde oft in der Küche gerührt), und die Küche war das soziale Zentrum des Hauses. Dann kam das Wirtschaftswunder in Begleitung unzähliger vermeintlicher Erleichterungen für die Hausfrauen; Fertigprodukte ersetzten zunehmend das Kochen. Was brauchte man da mehr als eine Nische mit Mikrowelle? Die Küchen schrumpften, vor allem in ababilädtischen Wohnungen.

Erfreulicherweise spielt sich in jüngerer Zeit wieder mehr Leben in der Küche ab, für die kleinen Kämmerchen aber meist zu viel. Wenn du also die Chance hast, den Standort deiner Küche zu wählen, nimm nicht den kleinsten Raum. Du und alle, die sich mit dir dort aufhalten, ihr werdet es nicht bereuen.

„Ich koche, also bin ich“ – Rudi Obauers Küchen-Brevier umreißt die persönlichen ‚Küchenwerte‘ des Starkochs. Aufgezeichnet hat diese der Kulinarik-Journalist Klaus Kamolz (Profil, Servus Magazin) –was kurzweiliges Lektürevergnügen garantiert.

 

Hier habe ich ein paar Ideen, wie du den Raum schlank hältst, ohne dass irgendetwas, das du wirklich brauchst, fehlt.

1. Gönne dir so viel Arbeitsfläche wie möglich und sorge für die richtige Höhe. Küchenfachleute wissen darüber Bescheid, du kannst die passende Höhe ausprobieren. Ein einfacher Küchenmonteur kann die ergonomischen Bedürfnisse nicht immer richtig einschätzen.

2. Schaffe Platz für zwei Spülbecken, in denen du auch Backbleche abwaschen kannst. Ich sage immer: Eierbecher sind keine Spülbecken.

3. Sorge für genug Tiefkühlkapazität zum Aufbewahren von saisonalen Produkten und frisch gekochten Speisen für Momente, in denen du keine Zeit zum Kochen hast.

Koch Rudi Obauer (fotografiert von Alexander Haselhoff) betreibt mit seinem Bruder das „Restaurant Hotel Obauer“.

4. Dein Herd sollte vier unterschiedlich starke Hitzestellen haben, darunter eine sehr starke und eine sehr schwache.

5. Viele Hightech-Geräte in der Küche sind völlig unnötig, eine gute Küchenmaschine aber, mit der du faschieren, Teig rühren, Saft pressen und Zutaten Cuttern kannst, sollte Platz finden.

Sei grundsätzlich skeptisch gegenüber teuren Designer-Küchengeräten.“ (Rudi Obauer)

6. Meine Liste sonstiger mechanischer und elektrischer Geräte, die du brauchst, ist wesentlich kürzer als die mit Dingen, auf die du getrost verzichten kannst. Dazu gehören Fritteuse, Mikrowelle, Eierkocher, Wurstkocher, Apfelschäler, Zwiebelhacker, Milchaufschäumer, elektrische Zitruspresse, Hot-Dog-Maschine, Waffeleisen, Brotbackautomat, elektrische Pfeffermühle, elektrische Käsereibe, elektrische Salatschleuder und Tischgriller. Dazu noch eine Anmerkung: Sei grundsätzlich skeptisch gegenüber teuren Designer-Küchengeräten. Oft handelt es sich dabei um haarsträubend unfunktionelle, hübsche künftige Museumsstücke. In einer Ausstellung über sogenanntes Error-Design vor vielen Jahren stammten einige Exponate für den Küchengebrauch von Star-Designern, darunter auch eine weltberühmt gewordene Zitruspresse, bei der der Saft entlang der langen Spinnenbeine hinunterrann statt in ein darunter platziertes Gefäß.

7. Was an Küchengeräten hilfreich ist: ein guter Stabmixer, eine Aufschnittmaschine und, unter gewissen Umständen, ein Kombidämpfer auf Haushaltsniveau (also kein Gerät für Großküchen). Er ersetzt auf natürliche, strahlenfreie Art Auftau- und Aufwärmfunktionen einer Mikrowelle und gart Fleisch, Fisch und Gemüse besonders schonend.

8. Kaufe nur qualitativ hochwertige Töpfe und Pfannen, vorzugsweise aus Gusseisen. Es macht einen Unterschied, ob du ein Schmorgericht in einem federleichten Alutopf oder in einem schweren, dickwandigen Bräter zubereitest. Kaufe auch keine Set- Angebote, die deine Küche mit einem Schlag füllen. Wenn du in Metropolen der Küchenkultur – Paris, Barcelona oder Florenz – reist, biege in die kleinen Gassen ab. Dort befinden sich die kleinen Fachgeschäfte mit hervorragendem Geschirr.

9. Du benötigst in der Küche weniger Messer, als du glaubst, nämlich nur diese: ein Chef’s Knife (das Universal-Küchenmesser mit ca. 30 Zentimeter langer, breiter Klinge), ein kleines Schälmesser, ein Messer mit Sägeklinge, ein Fisch- bzw. Filetiermesser mit nicht allzu weicher Klinge, einen Sparschäler und eine gute Schere. Keines dieser Messer hat etwas im Geschirrspüler verloren. Sorge dafür, dass sie vor Gebrauch immer rasierklingenscharf sind.

10. Auch wenn dich der Hygienewahn umschwirrt und dir Plastik schmackhaft machen will, vertraue auf Schneidbretter aus Holz, vorzugsweise Eiche oder anderes Hartholz. Auch diese kommen nicht in den Geschirrspüler; man wäscht und putzt sie gleich nach Gebrauch gründlich mit Aschenlauge oder Salzwasser und lässt sie in der Sonne trocknen. Ein Tischler fertigt dir gerne Bretter nach deinen Wünschen. Passend dazu schaffe dir eine Brotdose aus Zirbenholz an; Zirbenholz wirkt antiseptisch und verlängert die Lebensdauer des darin gelagerten Gebäcks. Zu den Brettern noch ein kleiner Tipp: Lege beim Arbeiten ein bis zwei Gummiringe unter das Brett, dann verrutscht es beim Schneiden nicht.

11. Lagere Öle und Gewürze nie dort, wo direkte Sonne hinkommt. Halte dafür einen Küchenkasen mit Türen oder Rollläden frei.

12. Zum Schluss, vielleicht zu deiner Überraschung, ein Gerät, das ich zu den hilfreichsten in der Küche zähle: das Bratenthermometer. Dazu muss ich kurz ausholen: Meist wird viel zu heiß gekocht. Große Hitze braucht man nur selten – zum Beispiel für einen kurzen Moment, wenn ein Steak in der Pfanne gelandet ist, beim Gratinieren oder im Backofen beim Brotbacken. Mit einem Bratenthermometer, das ins Fleisch gesteckt wird, lässt sich die jeweils erforderliche Kerntemperatur für die richtige Garstufe messen. Bei dunklen, rosa gebratenen Fleischstücken wie Beiried, Rinderfilet oder Hirschrücken genügen 55 Grad Kerntemperatur in der Mitte, dann lässt man das Fleisch am besten noch eine halbe Stunde bei 65 bis 70 Grad im offenen Ofen rasten. Auch wenn man es dort länger warmhält, gart es nicht weiter. Bei ganzen Hühnern mit ca. 1 bis 1,2 Kilo hingegen sollte man auf Nummer sicher gehen und mit einer höheren Temperatur im Ofen, ca. 170 bis 180 Grad, etwa 1 1⁄4 Stunden garen. Die Kerntemperatur beträgt dann mindestens 80, besser 90 Grad. Danach zieht das Geflügel noch ca. 1⁄2 Stunde bei 70 Grad nach. Das verschafft dir Zeit und ein wenig Ruhe, um andere Dinge in der Küche vorzubereiten oder mit Gästen einen Aperitif zu nehmen. Fang also früh genug an, um Stress vorzubeugen.“
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags EcoWin)

Zum Buch – Kurzrezension:
In „Ich koche, also bin ich“ schildert Rudi Obauer seine persönliche Koch- und Küchenphilosophie. Wie sich diese im Lauf seiner Karriere als Haubenkoch mit, aber später auch gegen kulinarische Moden und Strömungen entwickelt hat, das wird in dem Büchlein gut nachvollziehbar. Wenig überraschend ist es auch als Plädoyer fürs Selberkochen und gegen die Entfremdung vom Lebensmittel lesbar. Die Verheißungen der Nahrungsmittelindustrie geißelt Obauer als Fehlentwicklung in Richtung Unfreiheit. Erst der mündige Esser und eben auch Koch genießt wahre Freiheit. Mit Betonung auf Genuss. Wie in der Leseprobe oben sind die vom Journalisten Klaus Kamolz aufgezeichneten Überlegungen meist handfest – und durchwegs brauchbar. Etwa die Anleitung wie man als Gastgeber sein Gäste bewirtet und welche Fehler sich dabei einfach vermeiden lassen. Oder einzelne, eher zur Inspiration gedachte Rezepte.
Die von Obauer am Ende jedes Kapitels gelisteten Fragen – etwa „Gibt es in deinem Leben Momente, in denen du absolut nichts geplant hast?“ oder „
Wann hast du das letzte Mal mit deinen engsten Mitmenschen gemeinsam gegessen, ohne auf die Uhr oder das Handy zu schauen?“ – sind keinesfalls peinlich und wirken auch nicht esoterisch. Sie machen das Brevier letztlich zu einer lesenswerten, persönlichen Wertesammlung eines erfahrenen und im positiven Sinne abgeklärten Spitzenkochs. Obwohl „Ich koche, also bin ich“ durchaus auch als Ratgeber durchgeht, hätte es für einen Leitfaden für ganzheitliche, nachhaltige Gastronomie noch ein paar Kapitel mehr gebraucht.
Obauers Überlegungen was Bio-Produkte angeht sind zwar nicht grundverkehrt, aber eben auch nicht konsequent zu Ende gedacht. Einerseits fordert er Achtsamkeit und die Unterstützung möglichst kleiner bäuerlicher Produzenten ein und rät dabei klar, im Zweifel Bio-Produkte zu bevorzugen. Die Industrie ist ihm ein Graus – und dass es diese längst auch im Bio-Bereich gibt, kein Geheimnis. Sein Argument, dass durch die teilweise unproduktivere Bio-Landwirtschaft mehr konventionelle Ware importiert werden müsste, um den Bedarf zu decken, blendet andererseits nicht nur ökologische Aspekte (Grundwasser etc.) aus. Da tappt Obauer in die Falle vieler vulgärrationalistischer Bio-Skeptiker und übernimmt die Argumentation der sonst so verhassten Industrie. Den Aspekt der Verschwendung von Lebensmitteln am Feld, im Handel und zu Hause (Stichwort Food Waste) etwa, den blendet der sonst so ganzheitlich Argumentierende gänzlich aus.
Insgesamt aber inspirierend, angenehm unabgehoben – und eine klare Empfehlung. (Thomas Weber)

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