Bräunung aus der Tube

Wie funktioniert die Chemie hinter einem Sommerteint ohne Sonne – und welche wird als bedenklich eingestuft?

Sonnenbad
Ein Sonnenbrand ist gesundheitsschädigend, ein Selbstbräuner kann es bei falscher Lagerung auch sein. Was steckt in Braunmachern? Bild: Pixabay.com/Free-Photos.

Sommer, Sonne und der ernüchternde Blick in den Spiegel. So hat man sich im Sommer nicht vorgestellt: blass, nach einem ersten Sonnenbad dann blass-gestreift. Selbstbräuner versprechen Abhilfe. Die als Cremes, Gele, Lotionen und Sprays erhältlichen Hilfsmittel wollen möglichst gleichmäßig auf die Haut aufgetragen werden und funktionieren alle nach demselben Grundprinzip: Durch die Einfachzucker Dihydroxyaceton (DHA) und Erythrulose wird eine Reaktion mit Aminosäuren und Eiweißen in der obersten Hautschicht, der Hornschicht, erreicht, die die Haut gebräunt aussehen lässt und auch den für Selbstbräuner typischen Geruch auslöst. Das Ergebnis erfolgt ganz ohne UV-Licht. Ein Vorteil für all jene, die einen gleichmäßigen braunen Teint ohne intensive Sonnenbäder suchen. Doch schützen Selbstbräuner weder vor Sonnenbränden noch sind sie frei von Problemstoffen.

Es ist nicht alles Goldbraun, was glänzt

Meistens wirken Selbstbräuner durch eine Kombination von DHA und Erythrulose, doch die beiden Stoffe unterscheiden sich stark. Erythrulose ist deutlich teurer in der Herstellung. Der Bräunungseffekt ist etwa zwei Tage nach der Anwendung sichtbar und hält dann bis zu neun Tage an. Dihydroxyaceton ist zwar billiger zu produzieren und hat den Vorteil, dass ein Ergebnis schon wenige Stunden nach der Anwendung zu sehen ist, doch den Nachteil, dass DHA oft ein unregelmäßiges Bräunungsergebnis mit einem leichten Orangestich erzielt und nur maximal fünf Tage hält.

Außerdem hat DHA einen gesundheitsrelevanten Nachteil. Da der Stoff chemisch deutlich instabiler als Erythrulose ist, kann er schneller als dieser zerfallen. Dieser Zerfall setzt oftmals in geringen Mengen das potenziell krebserregende und zu allergischen Reaktionen führende Formaldehyd frei. Das gilt auch für Produkte, wie die meisten Bräunungscremes, in denen DHA verarbeitet ist. Der Zerfall von DHA und die damit verbundene Freisetzung von Formaldehyd können durch zu lange oder zu warme Lagerung von Selbstbräunern beschleunigt werden. Die EU-Kommission stuft Formaldehyd als »CMR« ein. Das steht für karzinogen, mutagen und reproduktionstoxisch und bedeutet, dass es sich um einen Stoff handelt, der krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend wirkt oder zumindest im Verdacht steht, so zu wirken. 2019 wurde Formaldehyd in der Europäischen Union in die Liste an Stoffen aufgenommen, die als Bestandteil von Kosmetika verboten sind. Die EU-Kommission begründete dies unter Berücksichtigung eines Papers ihres Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit, kurz SCCS, unter anderem folgendermaßen: »In Anbetracht des Gutachtens des Scientific Committee on Consumer Safety geht von der Verwendung dieser Stoffe in kosmetischen Mitteln ein mögliches Risiko für die menschliche Gesundheit aus.«

Formaldehyd
Formaldehyd kann sich bei falscher Lagerung von Selbstbräunern bilden und wird von der EU als potenzieller Gefahrenstoff eingestuft. Bild:Pixabay.com/burlesonmatthew.

Kühle Tube bewahren

Da zwar Formaldehyd, nicht aber Stoffe, die zu ebenjenem zerfallen, in Kosmetika in der EU tabu sind, ist DHA in Selbstbräunern weiterhin erlaubt. Die Maximalkonzentration von Dihydroxyaceton in Kosmetika liegt bei zehn Prozent und wird vom SCCS als sicher bewertet. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA), das im Mai 2017 die Haltbarkeit von DHA in Selbstbräunern untersuchte, kam zum Ergebnis, dass von den 15 untersuchten Selbstbräunern bei keinem Formaldehyd festgestellt werden konnte. Das CVUA weiter: »Formaldehyd wird in Selbstbräunungsmitteln nicht als aktiver Bestandteil verwendet, sondern kann während der Lagerung im Produkt entstehen. Diese Tatsache muss schon heute bei der Beurteilung der Sicherheit für jedes kosmetische Mittel berücksichtigt werden. So ist es Aufgabe des Herstellers, die Sicherheit von Selbstbräunungsmitteln auch im Hinblick auf mögliche freigesetzte Mengen an Formaldehyd aus DHA während des Produktlebens zu bewerten.«

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung unterstützt diese Einschätzung. Das CVUA gab außerdem an, Rohstoffhersteller von DHA würden eine Mindesthaltbarkeit von 18 Monaten garantieren. Voraussetzung dafür sei eine Lagerung bei Temperaturen zwischen zwei und acht Grad. Deswegen wird von ExpertInnen eine Kühlung von Selbstbräunern und deren alsbaldige Verwendung wärmstens empfohlen.

Einer dieser Experten ist der Dermatologe Johannes Neuhofer. Er hält trotz der Risiken ein Verbot von DHA-haltigen Kosmetika nicht für notwendig. »Man muss die Kirche im Dorf lassen. Die Konzentrationen sind ja gering. Ich hatte schon viele PatientInnen, die Selbstbräuner verwendet haben, aber ich habe noch kaum Reizung der Haut durch diese Produkte erlebt, was ja bei einer zu hohen Menge Formaldehyd der Fall wäre.« Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung gibt Entwarnung: »Unter Einhaltung der vom Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) als sicher bewerteten Maximalkonzentration sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Verwendung von Selbstbräunern mit DHA für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu erwarten.«

Dennoch können Selbstbräuner mit Dihydroxyaceton bei falscher oder zu langer Lagerung für Menschen mit Hauterkrankungen gefährlich sein. Bei Neurodermitis, einer Erkrankung, bei der die Haut eine weniger abdichtende Funktion hat, rät Neuhofer zur Vorsicht. Hierbei sei die Gefahr gegeben, dass Selbstbräuner auch weiter in den Organismus als nur in die oberste Hautschicht eindringen könnten. Bei gesunder Haut sei es aber kaum möglich, dass die Inhaltsstoffe von Selbstbräunern über die Haut in den menschlichen Organismus eindringen können. Vor allem, da die Haut extra dafür geschaffen sei, dass durch die Basalmembran »nichts durchkommt«, und weil Selbstbräuner nur die oberste Hautschicht bräunen und diese Wirkstoffe nach einigen Tagen durch die natürliche Entwicklung der Hornschicht auch wieder abtransportiert werden können. Insgesamt bewertet der Dermatologe die Verwendung von Selbstbräunern als in Ordnung. »Bei intakter Haut und richtiger Lagerung sind Selbstbräuner kein vordringliches Problem.«

Johannes Neuhofer Portrait

Dr. MR. Johannes Neuhofer ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie sowie Bundesfachgruppenobmann der Ärztekammer Oberösterreich im Bereich Dermatologie. Bild: Andreas Balon.

Selbstbräuner ohne DHA

Auch Naturkosmetik kommt meist ohne DHA in Bräunungsprodukten nicht aus. Der Unterschied zu konventionellen Produkten: DHA wird aus natürlichen Quellen gesourct statt synthetisch erzeugt. Das BfR versichert aber, ausschlaggebend für die Wirkung von DHA sei die Struktur, nicht die Herstellungsweise.

Kraft der Karotte

Selbstbräuner ohne Dihydroxyaceton und Erythrulose reihen sich selten in die Kosmetikregale ein. Wer ein Bräunungsprodukt mit Zutaten aus biologischem Anbau sucht, stößt schnell auf die Selbstbräunungslotion von Lavera. Die Creme verspricht ein sonnengeküsstes Aussehen der Haut am ganzen Körper ohne UV-Licht.

Auf andere natürliche Inhaltsstoffe setzt das französische Unternehmen Melvita: auf den Inhaltsstoff Carotin. Das biozertifizierte Karottenöl lässt sich entweder pur oder in Kombination mit einer Feuchtigkeitscreme gleichmäßig auf der Haut verteilen.

Möchte man auf den Sommerteint aus der Tube nicht verzichten, können angesichts der geringen Konzentrationen von potenziell gefährlichen Stoffen in Selbstbräunern deren Risiken minimiert werden, indem man DHA-haltige Produkte eher im Kühlschrank lagert und solche, die man schon länger zuhause liegen hat, im Zweifelsfall nicht mehr benutzt. Problembewusstsein und Regulierung von DHA in Kosmetikproduktion sind vor allem in der Europäischen Union Thema – nicht in allen Urlaubsdestinationen gelten ähnlich strenge Regulative.

Produktipps für erschwingliche zertifizierte Naturkosmetik

Das Karottenöl von Melvita mit Carotin und daher reich an Vitamin A ist nach Ecocert-Standard zertifizierte Biokosmetik. 100 ml. Ab 13 Euro.
de.melvita.com

Die Selbstbräunungslotion mit Natrue-Zertifizierung von Lavera bietet mehr, als der Preis vermuten lässt. Dezenter Duft, leichte Formulierung und einfache Anwendung. 150 ml. Ab 9,74 Euro.
lavera.de

BIORAMA #72

Dieser Artikel ist im BIORAMA #72 erschienen

Biorama abonnieren

VERWANDTE ARTIKEL