Refugee Pop-Up Restaurant in Wien

(Bild: Klaus Vyhnalek)
(Bild: Klaus Vyhnalek)

In der Liebe in der Marktwirtschaft kochen syrische Flüchtlinge. Ein Abenteuer voller Liebe, gutem Essen und fremder Kulturen, aber einer gemeinsamen Sprache: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!

„Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“ Nach diesem Prinzip haben die Mitarbeiter des Restaurants Liebe in der Marktwirtschaft in Wien die Idee zu einem gemeinsamen Kochprojekt mit syrischen Köchen entwickelt.

Ab dem 07.01. bis Ende Januar (Dienstag bis Samstag, 17-22 Uhr) kochen in der Liebe fünf Köche aus Syrien, die zum Teil schon mehrere Restaurants geführt und schon überall auf der Welt gekocht haben.

Es geht um Austausch

Die Idee entstand bei der Charity-Veranstaltung „Hosten statt posten“ der Stadtflucht Bergmühle mit Martin Rohla als Projektinitiator. Grundsätzlich verfolgt das Projekt ein Ziel, nämlich den Menschen nachhaltig zu helfen, ihnen eine Perspektive zu bieten und ihnen ihre Würde zurückzugeben. „Wir haben für das Event viele Leute gecastet und festgestellt, dass sie irrsinnig viel Potenzial haben, wir sie aber nicht anstellen können, da sie noch im Asylverfahren feststecken“, so Julian Steindorfer, Creative Director beim Konzeptbüro „Yes Us“. So wie den syrischen Köchen geht es bei dem Event nicht nur um die Arbeit in einem Restaurant, sondern vorrangig um das Menschliche und den kulturellen Austausch. Es soll vor allem deutlich werden, dass Menschen aus Syrien nicht nur herkommen, weil sie abgespeist werden wollen, sondern dass sie auch nur Menschen sind, die gutes Essen lieben, gerne auch mal mehrere Gänge oder ein Glas Wein genießen wollen.

Für das Lokal stellt das Event eine große Herausforderung dar. Steindorfer betont, dass die syrische eine sehr handwerkliche Küche ist und sich in vielen Dingen von der österreichischen Küche unterscheidet. Beispielsweise sei die Art des Anrichtens der Speisen, wie Salatdekoration und geschnitztes Gemüse als Verzierung hierzulande nicht mehr zeitgemäß. Der Creative Director zeigt sich aber optimistisch: “Wir wollen von den syrischen Köchen viel lernen und versuchen gleichzeitig, ihnen etwas auf den Weg mitzugeben. Es wird sich einiges entwickeln und wir sind gespannt auf die Veränderung. Im Idealfall würden wir gerne die syrischen Köche bei uns behalten, je nachdem wie groß die Nachfrage ist und wie sich die Idee entwickelt.“
Der Erlös des Projekts kommt karikativen Zwecken zugute, mindestens 50 Prozent davon gehen an Vereine aus Wien. Wohin das Geld fließen wird, werde am Ende des Monats „coram publico“ bekannt gegeben, außerdem seien bis dahin weitere Projekte geplant, so Steindorfer.

Nun dürfen wir uns aber erstmal auf syrische Spezialitäten in der „Liebe“ freuen. Ein gesamtes Menü ( Vorspeisenteller „Mezze“ + Hauptspeise) kostet 19, 50 Euro pro Person, Suppen und Nachtisch können a la carte geordert werden. Und ganz nebenbei: Bei meinem Interview in der „Marktwirtschaft“ durfte ich sogar schon eine kleine Kostprobe naschen, das Essen ist nur zu empfehlen.

Ich habe mich mit Adel Shawi aus Syrien, der bei dem Projekt ehrenamtlich als Übersetzter tätig ist und selbst sehr viel Erfahrung mit dem Thema Essen und Kochen hat, unterhalten. Als Sprachrohr der vier Köche und einer Köchin, erzählt er uns von der Einstellung der Syrer zum Essen, welche Rolle die Kunst darin spielt und warum sie bei dem Projekt auch an Mamas Hausmannskost erinnert werden.

BIORAMA: Was verbindest du mit dem Thema Essen?     

Adel Shawi: Sehr viel Positives. Ich möchte vor allem deutlich machen, dass Essen für uns auch einen Genuss bedeutet, nicht nur als Bedürfnisbefriedigung gilt. Kunst verbunden mit gutem Geschmack, das ist Essen. Es ist vergleichbar mit einer Art Beziehung: zwischen Koch, Teller und Gast. Essen ist die Art, wie der Koch das Essen zubereitet und serviert, die Liebe, die in den Gerichten steckt und die Freude des Konsumenten über den guten Geschmack.

Was zeichnet die syrischen Köche in der „Marktwirtschaft“ aus?

Die Köche hier haben unglaublich viel Potenzial. Obwohl es anfangs schwierig war, sich an die neue Umgebung und die Kollegen zu gewöhnen, bilden die fünf Köche ein sehr gutes Team. Das zeigt sich auch an der Arbeitsverteilung, denn jeder von Ihnen ist für die Zubereitung eines Menüganges zuständig. Unter den vier Männern haben wir auch eine Köchin, die zusammen mit ihrem Kollegen die Hauptspeise bereiten wird. Wir nennen sie unsere „Mama“, da ihre Art zu kochen uns alle an zuhause erinnert.

Was unterscheidet die syrische Küche von der österreichischen?

Syrische Speisen sind etwas aufwendiger in der Zubereitung und nehmen mehr Zeit in Anspruch. Dadurch, dass wir viel mit Fleisch kochen, ist die syrische Küche auch um einiges deftiger. Neben Gewürzen und Kräutern verwendet man viel Öl und Butter, was den Speisen ihren typischen Geschmack verleiht. Meiner Meinung nach schmeckt auch der Reis, der auf syrische Art gekocht wird, ganz anders. Natürlich gibt es auch in Syrien Vegetarier und wir werden bei dem Event auch einige fleischlose Speisen anbieten. Typisch ist zum Beispiel das „Taboleh“, Couscous mit Gemüse und Minze oder „Warak Enab“, gefüllte Weinblätter mit Reis.

Was wollen die syrischen Köche  durch das Projekt vermitteln?

Ich glaube es geht vor allem darum, deutlich zu machen, dass syrische Flüchtlinge nicht nur kommen, weil sie Hunger haben und abgespeist werden wollen. Denn auch wir lieben gutes Essen und Genuss und das wollen die Köche vermitteln. Wir wollen den Menschen unsere Kultur näher bringen, die Herzen der Leute erreichen und zeigen, dass Liebe wirklich durch den Magen geht. Wir freuen uns alle sehr auf das Event, sind gespannt auf die Reaktionen der Gäste und ob ihnen das Essen schmeckt. Wir sind uns aber zu 90% sicher, dass es den Gästen gefällt, immerhin ist es auch nur Essen, aber eben auf syrische Art.


Zu „The Syrian Refugee Popup Restaurant“ ist jeder herzlich willkommen und das „herzlich“ gilt. Denn einer der Grundwerte in der Liebe in der Marktwirtschaft ist eben: „die Liebe“, nicht nur im klassischen, romantischen Stil, was das große anatomische Herz an einer der Wände im Restaurant beweist. Dass man anstatt einem kapitalistischen Ideal hinterherzuhecheln auch mit Liebe sehr gut Wirtschaften und Handeln kann, soll das Konzept des Restaurants beweisen und mit dem Projekt „The Syrian Refugee Popup Restaurant“ noch verstärkt werden.

Das Projekt Nächstenliebe läuft noch bis zum 31.01., täglich von 17 bis 22 Uhr. 

 

 

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