Eine Solartaxi-Fahrt, die ist lustig – und nachhaltig

Solartaxi Heidenreichstein

Einsteigen bitte!
Bild: Edeltraud Günthör

Flink und wendig bahnt es sich seinen Weg durch die Stadt: das Heidenreichsteiner Solartaxi. Seit rund einem Jahr sind die beiden Elektroautos unterwegs und bieten ein innovatives öffentliches Nahverkehrsmittel, das im gesamten Gemeindegebiet umweltfreundliche und leistbare Mobilität für alle ermöglicht.

Für BIORAMA heißt es: „Einsteigen, bitte!“ Wir sind einen Vormittag lang mit von der Partie im Waldviertel. Die Stimmung im Solartaxi ist gut. Die Frage danach, wie es so geht, wird oft gestellt. Diesen Vormittag werden ausschließlich Frauen chauffiert und auf ihrem Weg durch den Alltag begleitet. Da geht es einerseits zum Arzt, andererseits zum Einkaufen in den Supermarkt oder zum Mittagessen ins Wirtshaus. Solartaxi-Fahrerin Hilde hat stets ein offenes Ohr für das aktuelle Geschehen im Leben ihrer Fahrgäste. Ob denn der Ehemann schon wieder gesund ist, oder wie es den Enkerln geht, wird da gefragt. Neuigkeiten werden ausgetauscht und das Stadtgeschehen beobachtet. Hilde sitzt merklich gerne hinter dem Steuer des Elektrofahrzeuges und lenkt es geschickt durch die engen Gassen von Heidenreichstein.

Im Oktober 2013 wrude das Projekt Solartaxi im nördlichen Waldviertel ins Leben gerufen. Der Bezirk Gmünd, in dem Heidenreichstein liegt, zählt zu den Regionen mit der höchsten Autodichten Österreichs, die Abhängigkeit vom privaten Auto ist hoch. Mit dem Solartaxi will man Lücken im öffentlichen Verkehr schließen und leistbare, barrierefreie Mobilität für alle Menschen bieten.

Für die Recherchezwecke von BIORAMA wird ein kurzer Zwischenstopp bei den aus Europaletten gebauten Garagen für die beiden Solartaxis eingelegt. Dort befinden sich die Ladestationen, die den per Photovoltaikanlage produzierten Strom für die Autos liefern. Dann läutet aber auch schon wieder das Telefon und die Fahrt wird, begleitet von den Klängen des Regionalradios, fortgesetzt.

Wer das Solartaxi-Angebot nutzen will, muss Mitglied im Verein sein. Es gibt Streifenkarten – übrigens ein beliebtes Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk – und Einzeltickets. Pro Fahrt zahlt man zwei Euro oder zwei Waldviertler, die hiesige Regionalwährung.

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Die Streifenkarte wird ordnungsgemäß gezwickt.

Die Einstellung der Bevölkerung zu ihrem Solartaxi ist positiv. Einer, der auch klar hinter dem Solartaxi steht, ist Karl Immervoll. Er ist einer der beiden Projektkoordinatoren. In einem gut besuchten Kaffeehaus in Heidenreichstein trifft BIORAMA den ausgebildeten Kirchenmusiker und Betriegsseelsorger zum Gespräch.

BIORAMA: Wie kommt man auf die Idee, ein Solartaxi-Angebot im Waldviertel zu initiieren? Gab es da den Wunsch von Seiten der Bevölkerung oder war es einfach ein Versuch der Projektpartner?

Karl Immervoll: Ernst Kieninger, der Geschäftsführer des Österreichischen Filmarchivs, hat die Idee des Solartaxis verschiedenen Gemeinden und Gemeindevertretern vorgeschlagen – ohne Erfolg. Dann hat er mich gefragt und aus der Begegnung mit Leuten entsteht etwas. In diesem Fall haben wir uns gedacht „Okay, schauen wir uns an, wie das mit der vorhandenen Struktur zusammenpasst.“ Wir hatten ursprünglich vor, in vier verschiedene Gemeinden zu gehen, aber in keiner der anderen Gemeinden ist es gelungen, nur in Heidenreichstein. Das ist darauf zurückzuführen, dass wir durch die Regionalwährung eine Struktur geschaffen haben, die die unterschiedlichen Bevölkerungsteile miteinander verbindet. So war es möglich, diese Idee umzusetzen.

Wenn ich mir die Entwicklung von Waldviertler Städten so anschaue, dann wird offensichtlich, dass die Bevölkerung abnimmt, aber die verbaute Fläche immer größer wird. Heidenreichstein hat seit 1973, dem Punkt der höchsten Bevölkerungsanzahl, 1.500 bis 1.700 Bewohner verloren. Die Stadt nimmt aber die doppelte Fläche von damals ein. Im Zentrum tut sich immer weniger, alles sammelt sich an der Peripherie. Die Nahversorger existieren nicht mehr. Dazu kommt, dass bei uns mehr als die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahre alt ist. Die haben dann echt ein Problem. Eigentlich kompensieren wir mit dem Solartaxi die nicht vorhandene Städteplanung.

Wird das Angebot gut angenommen?

Total gut. Wir transportieren im Durchschnitt ca. 200 Personen pro Woche. Es gibt natürlich etwas ruhigere Zeiten, aber das Taxi ist  am Vormittag eigentlich ständig unterwegs. Es gibt zum Beispiel eine über 90 Jahre alte Frau, die Essen auf Rädern abbestellt hat. Sie lässt sich jetzt täglich ins Wirtshaus bringen, weil sie da unter Leuten ist. Viele ältere Menschen sagen, dass sie mit Hilfe des Solartaxis wieder Freundschaften pflegen können.

Wir sind nur auf dem Gemeindegebiet von Heidenreichstein unterwegs, aber da gehören die umliegenden zehn Katastralgemeinden dazu. Dorthin gibt es de facto keine andere Verkehrsverbindung. Mittlerweile sagt sogar der Immobilienhändler, dass das Taxi für ihn nicht unwesentlich ist. Wenn er Häuser verkauft, die etwas abseits liegen, dann ist das Solartaxi ein gutes Argument.
Wir bringen Menschen zu Menschen, sodass eigentlich eine Gemeindeentwicklung möglich ist. Projekte sind immer umstritten. Beim Solartaxi sehe ich das nicht so. Da gibt es die einhellige Meinung: „Das Taxi ist eine gute Sache.“

Mobilität am Land ist ein komplexes Thema, da wirken zahlreiche Faktoren zusammen. Sehen Sie die Solartaxi-Initiative als einen möglichen Lösungsansatz in diesem Problemfeld?

Ja, es ist ein funktionierendes Nahverkehrskonzept. Es gibt zwei Transportunternehmen in der Stadt. Die Frank-Linie betreibt gemeinsam mit den Postbussen die Fahrten Richtung Wien. Wir organisieren den Zubringerdienst. Dann gibt es noch ein Taxiunternehmen in Heidenreichstein und sobald für einen Auftrag die Gemeindegrenze überschritten wird, geben wir ihn an das Taxiunternehmen ab. Die Kooperationen funktionieren gut.

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Die leuchtend rote Arbeitsmontur.

Wer nutzt das Solartaxi hauptsächlich?

Das Publikum ist bunt gemischt. Da sind ältere Leute, die zum Friseur, zum Arzt oder zum Einkaufen gebracht werden. Da gibt es aber auch Kinder, die nicht länger das „Taxi Mama“ in Anspruch nehmen wollen und sich ihre Freundschaften organisieren. Viele Musikschüler fahren regelmäßig mit dem Solartaxi aus den Dörfern zur Musikschule.

Das Solartaxi ist mit zwei Euro pro Fahrt sehr günstig. Wie funktioniert bislang die Finanzierung? Kann sich das Projekt schon selbst erhalten?

Nein. Wir haben im Moment zwei Finanzierungspartner: den Klima- und Energiefonds und das Land Niederösterreich. Das Land Niederösterreich werden wir auch in Zukunft brauchen. Es gibt ja grundsätzlich ein Finanzierungskonzept für Gemeindetaxis vom Land Niederösterreich. Wir haben da jetzt einmal den Weg des Solartaxis gewählt.

Das Projekt wird von unterschiedlichen Partnern gefördert und verbindet Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung mit Maßnahmen des Klimaschutzes. Funktioniert die Kooperation gut?

Ja und das Projekt hat Dimensionen bekommen, die niemand erahnt hat. Eigentlich ist es ein Gemeinwesen-Projekt, weil wir wieder Gemeinschaft möglich machen. Das Thema ist Partizipation. Es gibt viele Ausschlussgründe, warum jemand nicht teilhaben kann an gesellschaftlichen Prozessen – und einer davon ist die Mobilität. Heidenreichstein verändert sich durch das Taxi, das kann man sagen.

 

Infos zum Solartaxi gibt es hier.
www.heidenreichstein.gv.at

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