Gefundenes Fressen #6: Öko-Bourgeoisie & Bio-Bobos

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Bild: Ulrike Köb & honey & bunny

Hier schreiben Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter über Essen als essentielles politisches und kulturelles Thema. Zum Sechsten.

Ist Nachhaltigkeit ein Luxusproblem? Haben wir echt nichts Besseres zu tun, als Eisbären zu retten? Sind Sie auch so ein „7. Bezirk Bobo“, so eine wohllebige Biokonsumentin, so ein Pseudolinker?

Ich gebe zu, dass mir das Einkaufsmotiv „Bio ist gesünder als konventionell“ genauso auf die Nerven geht wie der Ansatz, den „richtigen“ Konsum zur Weltverbesserung einsetzen zu können. Beide Lebensmodelle sind ebenso einfach wie egoistisch. Vielleicht sollten wir doch mehr als BürgerInnen, denn als KonsumentInnen denken und agieren. Aber ich gestehe auch, dass mich das Beschimpfen der neuerdings so genannten Öko-Bourgeoisie auf die Palme bringt. Nachhaltigkeit als elitäres Gehabe zu betrachten und im gleichen Atemzug nach einer neuen Linken zur rufen ist kurzsichtig.

Wirtschaftlich betrachtet ist die Welt globalisiert. Oder anders formuliert: Eine Knolle Konblauch aus China hinterlässt auf ihrem Weg nach Österreich nicht nur ein paar Kilogramm CO2 sondern sie wird auch unter anderen Arbeitsbedingungen und zu einem deutlich geringeren Preis, als in Österreich hergestellt. Sojaanbau (also Viehfutter in der EU) erfordert nicht nur großzügiges Abholzen von Regenwald und eher unkontrollierten Einsatz von Pestiziden, sondern auch jene unzähligen, billige ArbeiterInnen die mit Hilfe von Landraub auf die Plantagen gezwungen werden. Diese Aufzählung ist ziemlich einfach fortzusetzen. Ja, das wissen wir doch eh schon, aber wir sollten uns dennoch Gedanken darüber machen, wieso sich die angeblich illegalen „Wirtschaftsflüchtlinge“ eigentlich auf den Weg nach Europa machen.

Soziale und ökologische Nachhaltigkeit hat nichts, aber rein gar nichts mit einem Luxusproblem zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Unzählige Esswaren, die wir hier in Europa kaufen stammen von „Weltmarkt“. Oft sind werden sie in der sogenannten dritten Welt produziert. Was wir essen entscheidet auch über das Lebenslos der Anderen. Gehen wir verantwortlich damit um und wir schließen mit einem Zitat der Unesco diesen Blog ausnahmsweise auf Englisch ab:

Sustainable development is a normative and highly ethical concept per se. In dealing with issues such as inter-and intragenerational justice, the value of cultural diversity or gender equity, it provides an ethical perspective which drives the global imperative of changing our current patterns of production and consumption (UNESCO, 2015).


Über Gefundenes Fressen:

Jeder Bissen ist ein politischer Akt. Was wir wann wie und warum essen, kann unwürdige Arbeitbedingungen, Bodenerosion in Zentralafrika oder brennende Amazonasflächen auslösen. Die Frage des täglichen Essens hat nichts mit Diäten, Rezepten oder Gourmetkritiken zu tun sondern mit CO2 Emissionen, Fracking oder Gentechnologie. Jeder Biss ist Kultur. Jedes Schlucken ist Politik. Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter wollen in ihrem Blog das Essen als essentielles politisches Thema in der Mitte der Gesellschaft positionieren, weil die Aufnahme der alltäglichen Kalorien nicht nur eine Frage von Genuss und Geschmack sondern auch der Lebenseinstellung und Denkweise einer Gesellschaft ist. Erst das Fressen, dann die Moral? Nein.

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