Menschlichkeit statt Überbevölkerung

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Am Dienstag, 17.9. feierte der österreichische Film „Population Boom“ seine Premiere im Wiener Gartenbaukino, anschließend konnte mit Regisseur Werner Boote und zwei seiner Interviewpartner aus dem Film, Obadias Ndaba und Wolfgang Lutz, diskutiert werden.

Als Werner Boote seinen neuen Film nach „Plastic Planet“ startete, ging er von etwas ganz anderem aus; das Thema Überbevölkerung sollte als die große Herausforderung der Menschheit behandelt werden. Im Zuge der zweieinhalb-jährigen Arbeit an dem Thema, der Recherche und der Interviews kam der Dokumentarist jedoch auf einen anderen Schluss: Uu viel Bevölkerung auf der Erde gibt es nicht, ungerechte Verteilungen zwischen den Völkern aber schon.

„Wer von uns ist zu viel?“

Einig sind sich mittlerweile alle: Für den Klimawandel, für globale Umweltzerstörung, Überschwemmungen und Desertifikation als seine Folgen trägt der Mensch die Verantwortung. Aber wer genau? Ist es die Masse der sieben Milliarden Menschen auf der Erde? Seit Jahrzehnten werden Länder mit hoher Geburtenrate angeprangert, die Überbevölkerung sei schuld an den Umweltkatastrophen und an Armut und Hunger. Mediale Kampagnen und politische Maßnahmen wie etwa die Ein-Kind-Regelung in China sollen der angeblichen Überbevölkerung Einhalt gebieten. Doch weltweit sind Familien mit vielen Kindern in den ärmsten Regionen zu finden, den Ländern mit dem niedrigsten CO₂-Ausstoß. Sie leben im Müll, weil sie weder Land noch Kaufkraft besitzen und dadurch für die Wirtschaft uninteressant sind. Reiche Länder mit niedriger Geburtenrate hingegen verbrauchen zu viele fossile Brennstoffe,  haben einen zu hohen Fleischkonsum, stoßen Unmengen an Kohlenstoffdioxid aus und tragen dadurch zur globalen Erwärmung bei. Doch wie und warum verbreitet sich der Mythos der Überbevölkerung? Wieso hält er sich so hartnäckig in Politik, Wirtschaft und Medien? Wie funktioniert die Panikmache vom Platzmangel und der Ressourcenknappheit? Und wer profitiert davon?

Diesen Fragen geht Werner Boote auf den Grund. Mit Regenschirm und Tageszeitung ausgestattet, beginnt  seine Reise in Wien und führt ihn nach China, Japan, Indien, Bangladesch, in die USA, Kenia, Mexiko und Finnland, wo er mit unterschiedlichen Menschen über Maßnahmen, Ziele und Konsequenzen des politischen Konzepts „Familienplanung“ spricht. Neben Regierungsverantwortlichen und Abgeordneten kommen die von dem Konzept betroffenen Menschen zu Wort; eine Braut in Peking erzählt, dass sie nur ein Kind bekommen wird dürfen, eine Familie in den Slums Dhakas gibt zu bedenken, wie schnell es passiert, dass eines ihrer vielen Kinder erkrankt und stirbt, ein Schuldirektor in einem Vorort von Tokio ist traurig, dass es keine Schüler mehr gibt, die seine Schule besuchen könnten und eine junge Mutter in Afrika lächelt stolz über ihr zweifaches Mutterglück.

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Bild: Thimfilm

Wertewandel als Lösung?

All diese interviewten Menschen rund um den Planeten wecken Sympathie und Mitgefühl, was jeder Einzelne erzählt, klingt schlüssig, allen wünscht man Glück und Liebe, Familie und Kinder. Gandhi-Zitate und die traurig-schöne Musik von Gianna Charles tun ihr übriges, um nicht mehr an die politischen Strukturen hinter der Thematik, nicht mehr an das ausbeuterische Finanzsystem, an die Gier der Mächtigen, an die erbarmungslos auferlegten Gesetze des Kolonialpakts und an die Ohnmacht der UNO zu denken. Es schein alles möglich, wenn man sich nur auf mehr Miteinander besinnt und sich weg von „dicken Autos und haufenweise Besitz“, hin zu mehr Menschlichkeit entwickelt.

Es bleibt ein optimistisches Gefühl, das sich auch in der anschließenden Publikumsdiskussion bemerkbar macht, nur zögerlich heben sich Hände. Moderator Stuart Freeman, die zwei Interviewpartner aus dem Film – der Demograph Wolfgang Lutz und Obadias Ndaba, der Präsident von World Youth Alliance – reden munter drauf los. Auf die abschließende Frage des Moderators „Was können wir tun?“ antwortet Werner Boote, es ginge nicht um den Einzelnen, sondern um das Wir-Gefühl, er plädiere für einen Wertewandel, der Mensch ist ja auch „ein soziales Wesen“. Überraschend gut gelaunt verlässt man den Film.

 

„Population Boom“ läuft ab 20. September in diesen österreichischen Kinos.
www.populationboom.at

 

 

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