Interview: Im MAK Design Labor

Bild: Annika Frye

Bild: Annika Frye

Anlässlich des 150. Jubiläums hat das Museum für angewandte Kunst seine Studiensammlung völlig neu interpretiert, das MAK Design Labor hat am Dienstag seine Pforten geöffnet. BIORAMA sprach mit Museumsdirektor Christoph Thun-Hohenstein und Kustode Thomas Geisler über Design, das die Welt verbessert.

BIORAMA: Was waren die Beweggründe, die Studiensammlung des MAK neu zu interpretieren, und den Themenbereich des alternativen Produzierens zu bearbeiten?

Christoph Thun-Hohenstein: Auch Museen können sich nicht auf Lorbeeren ausruhen, sondern sind gefordert, ihre Aktivitäten zeitgemäß zu gestalten und neue gesellschaftspolitische Spielräume zu erobern. Das gilt in besonderem Maß für Museen angewandter Kunst wie das MAK, bei denen es um die Zusammenführung von Kunst und Alltag geht. Das MAK Design Labor will ein neues Bewusstsein für die maßgebliche Aufgabenstellung von Design – „Wie verbessert man die Welt?“ – schaffen und auch die angewandte Kunst vergangener Jahrhunderte verstärkt durch diese Brille betrachten. Alternatives Produzieren erhält heute speziell durch die jüngste Welle der DIY-Bewegung und die Möglichkeiten des 3-D-Drucks zusätzliche Bedeutung und ist ein Kernthema für Designschaffende, das auch im Museum entsprechend thematisiert werden muss.

Bild: Aleksandra Pawloff/MAK, 2011

Bild: Aleksandra Pawloff/MAK, 2011

Was sind die größten Herausforderungen für Designer in der alternativen Produktion?

Thomas Geisler: Sich Wissen über Alternativen anzueignen, oder sich so zu vernetzen, um Zugang zu diesem Wissen zu bekommen. Vieles findet sich als Bauanleitung im Internet, dennoch braucht es eine fundierte Auseinandersetzung und Kenntnis von zunächst fremder Materie, ob Materialwissenschaft, Biotechnology oder einfach traditionellem, handwerklichem Wissen. Zudem braucht es Durchhaltevermögen, um vom reinen Experiment zu verwertbaren Allgemeinlösungen zu kommen. Einerseits richten sich alternative Konzepte auch gegen gängige Marktstrategien – dennoch müssen sie von etwas leben können.

Wie ändert sich in Zeiten der Ressourcenknappheit der Umgang mit Material? Spielt hier auch fairer Handel eine Rolle?

Thomas Geisler: Material wird bewusster eingesetzt und wird zum Gestaltungselement. Vor allem aber auch die Entwicklung und der Herstellungsprozess neuer biosynthetischer Materialien wird zur Designaufgabe, oder die Überlegung, was aus all dem Technoschrott und Abfall wiederverwertet werden kann. Das denken in Kreisläufen, statt in Sackgassen, ist dazu Voraussetzung. Wie und wo etwas produziert wird, gehört zur Gesamterzählung eines Produktes, worüber der Kunde informiert werden will, bevor er eine Kaufentscheidung trifft. Die Wiederentdeckung lokaler Produktionsmöglichkeiten, auch im urbanen Umfeld, spielt eine zusehens wichtige Rolle.

In vorindustriellen Zeiten mussten Dinge vor allem funktionell, robust und lange haltbar sein, das Design idealerweise möglichst zeitlos, kehren wir angesichts der Ressourcenknappheit langsam wieder auf diesen Pfad zurück?

Thomas Geisler: Vereinfachung und die Wiederentdeckung handwerklicher Techniken führen vielleicht wieder zu materialgetreueren Produkten. Andererseits entwickeln sich gerade eine Vielzahl neuer Materialien, die ähnliche Eigenschaften, wie etwa Erdölbasierte haben – oder überhaupt neue Möglichkeiten mit sich bringen. Langlebigkeit – materiell und gestalterisch – ist in jedem Fall ein zukunftsträchtiges Thema.

Bild: MAK/Katrin Wißkirchen

Bild: MAK/Katrin Wißkirchen

Was kann man aus vorindustriellen Produktionsweisen für heute lernen? Kann auch industrielle Produktion nachhaltig sein?

Thomas Geisler: Daran führt kein Weg vorbei. Es dauert nur in der Industrie etwas länger, dafür sind die Auswirkungen um so sichtbarer. Man muss bedenken, dass hierfür enorme Investitionen nötig sind, die sich natürlich langfristig rechnen müssen. Problematisch ist das vor allem für die, die schon Produktionsriesen sind. Weshalb die Überlegungen in dezentralen, kleineren oder vernetzteren Einheiten zu produzieren relevant werden. „Smart Production“ würde ich das nennen. Das Wissen über zwei Jahrhunderte Industrieproduktion und ihre Auswirkungen – ökologisch und gesellschaftlich, ist eine gute Grundlage nach Veränderungspotenzialen zu forschen.

Kann man in einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die ja die geplante Obsoleszenz praktisch erfunden hat, überhaupt nachhaltig produzieren?

Thomas Geisler: Nur wenn es gelingt, dieses System auf Kreisläufe hin auszurichten. Die treibenden Kräfte der Marktwirtschaft haben es in der Hand, denn ohne willige Konsumenten beginnt das System zu erlahmen. Diese werden aber immer kritischer, obwohl sie im selben System gefangen sind. Design hat hier sicher auch die Aufgabe über die Systemgrenzen hinauszudenken. „Was wäre wenn…“ – auch Alternativen müssen verkauft und verpackt werden, wenn sie mit Freude angenommen werden wollen. Es geht ja auch darum, eine breite Masse zu begeistern.

Bild: BIORAMA

Bild: BIORAMA

In einer Zeit wo 3-D-Drucker den Konsumenten auch immer mehr selbst zum Designer und Produzenten (Prosumer) werden lassen, wie verändert sich hier die Rolle der Designer?

Thomas Geisler: Nur weil ich einen 3-D-Drucker zuhause habe, oder eine Kreissäge bedienen kann, bin ich noch lange kein Designer. Wissen und Gestaltungswerkzeuge von Designern sind weit vielfältiger. Es kann aber auch festgestellt werden, dass sich das Berufsbild, gerade in den letzten fünf bis zehn Jahren enorm verändert und erweitert hat, letztlich auch neue Spezialgebiete dazugekommen sind: Designer,  die soziale Prozesse gestalten, in beratender oder moderierender Rolle an der Schnittstelle von Wirtschaft und Forschung arbeiten. Das sieht man auch an den spezialisierteren Ausbildungsangeboten. In einer Zeit, die so desperat nach „kreativen“ Lösungen sucht, ist das Profil von Designern weit mehr geschätzt als noch vor einigen Dekaden.

 

MAK DESIGN LABOR
Wien, Stubenring 5
Öffnungszeiten: Di 10:00–22:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr
Jeden Dienstag 18:00–22:00 Uhr Eintritt frei!

www.MAK.at

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