„Die Verbindung von Urbanität und Natur, das macht Innsbruck aus“

Festival-Direktor und Umweltanwalt Johannes Kostenzer im Gespräch mit BIORAMA-Redakteur Christoph Kranebitter. Bild: Claus Watzdorf

Festival-Direktor und Umweltanwalt Johannes Kostenzer im Gespräch mit BIORAMA-Redakteur Christoph Kranebitter.
Bild: Claus Watzdorf

Dieses Jahr rollt das Innsbruck Nature Film Festival bereits zum 13. Mal den grünen Teppich aus. Wir haben uns mit Festival-Direktor und Tiroler Umweltanwalt Johannes Kostenzer getroffen, um mit ihm über Naturschutz, Christian Berger und die Transparenz in der Umweltpolitik zu plaudern.

BIORAMA: Bereits 2001 fanden zum ersten Mal die Innsbrucker Naturfilmtage statt. Wie kam es zur Idee, Themen wie Umweltschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit über das Medium Film einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

Johannes Kostenzer: Die ursprüngliche Idee war eigentlich, Leute mit Naturthemen zu konfrontieren, die man nicht bei einschlägigen Veranstaltungen rund um das Thema Naturschutz antrifft. Unsere Motivation war es, eine Brücke zu schlagen. Einerseits zwischen cineastisch Interessierten und dem von cir erwähnten Themengut. Mein damaliger Vorgesetzter gab mir hierfür dann die Gelegenheit. Das hat auf Anhieb gut funktioniert – obwohl die Naturfilmtage noch relativ überschaubar waren, herrschte reges Interesse. Deswegen wuchs dann natürlich auch die Ambition die Naturfilmtage auszubauen.

Die Naturfilmtage sind also sukzessive gewachsen. Letztes Jahr fand ja eine Transformation hin zu einem internationalen Wettbewerb statt. Das Festival nennt sich seitdem Innsbruck Nature Film Festival – kurz INFF. Was war hierfür die Intention?

Vor ungefähr sechs Jahren wuchs in mir der Wunsch die Naturfilmtage weiterzuentwickeln. Es lief zwar gut – wir waren die vier Tage über ausgebucht –, jedoch hatte ich den Eindruck, dass zwischen uns als Organisatoren, die Filme bereitstellen, und dem Publikum eine gewisse Distanz herrscht. Eine weitere Auseinandersetzung fand nicht statt. Wir hatten zwar Q&A-Sessions, jedoch hatte ich immer das Gefühl, dass es zwei Gruppen gibt. Wir, als die Bringer auf der einen, und eben die Konsumenten auf der anderen Seite.

Diese Verbindung von Urbanität und Natur, die Innsbruck ausmacht, ist seit jeher ein Kernthema unseres Festivals. Das wollte ich irgendwie aufbrechen, eine Dynamik rein bringen. Ich hab dann jahrelang überlegt, wie ich das schaffen könnte. Schlussendlich ist uns dann zugutegekommen, dass die Stadt Innsbruck einen Markenbildungsprozess durchführte. Ergebnis war, dass Innsbruck eben nun mal eine Stadt ist, die inmitten von Gebirge und Natur liegt. Diese Tatsache sollte auch mehr ins Zentrum der Marke selbst rücken. Diese Verbindung von Urbanität und Natur, die Innsbruck ausmacht, ist ja auch seit jeher ein Kernthema unseres Festivals. Die Gespräche mit der Stadt verliefen dann positiv und mit der finanziellen Unterstützung wagten wir quasi den Sprung ins kalte Wasser.

Bild: Claus Watzdorf

Bild: Claus Watzdorf

Lag das mit der Hinwendung zur Internationalität auch am Thema selbst? Natur ist ja etwas, das jeden betrifft.

Natürlich. Das ist ja auch das, was mich persönlich motiviert, also der internationale Austausch. Wenn ich sehe, dass unsere Plakate beispielsweise in Moskau hängen, ist das natürlich großartig.

Bezüglich Internationalität: Vor einiger Zeit ist ja der UN-Klimagipfel in New York zu Ende gegangen, wo Generalsekretär Ban Ki-Moon zu einem Kurswechsel in der Klimapolitik aufrief. Ist das ein wichtiges Signal oder verläuft so etwas gerne im Sand?

Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Ich glaube, das muss man auch sein, wenn man sich für die Natur einsetzt. Ich halte es auch für ein wichtiges Signal, dass sich die USA da bewegen. Was ich allerdings in Europa bemerke ist, dass sich trotz vieler negativer Meldungen die Sensibilität für das Thema erhöht. Als Beispiel: das Tankerunglück 1999 der Erika vor der bretonischen Küste. Voriges Jahr kam es zu einer rechtskräftigen Verurteilung der Verantwortlichen in letzter Instanz. Für den Schaden müssen nun also Zahlungen an die NGOs und an die Gemeinden durchgeführt werden. Ein absolutes Novum. Oder wenn man sich ansieht, was in Deutschland passiert mit diesen Protestbewegungen – ich sag’ jetzt nicht, dass Stuttgart 21 ein tolles Zeichen wäre, aber es zeigt nun mal, dass die Gesellschaft sich verändert und mitreden will. In Zukunft ist definitiv mehr Transparenz notwendig.

Bei diesem UN-Klimagipfel ist ja der Schauspieler Leonardo DiCaprio zum Botschafter ernannt worden. Ist das ein reiner PR-Gag oder wird das eine Wirkung haben?

Da gibt es sicherlich beide Varianten. Es gibt genügend Beispiele von berühmten Persönlichkeiten, die wahrgenommen haben, dass man etwas tun muss. Wenn man erstens berühmt ist und zweitens viel Geld hat, sitzt man nun mal auch auf einem großen Hebel. Mir fällt da beispielsweise der ehemalige Besitzer der Marken Esprit und North Face (Anm.: Douglas Tompkins) ein, der seine Anteile verkaufte und in Südamerika 5.000 km2 Land ankaufte, um es in einen Nationalpark umzuwandeln. Es liegt also in DiCaprios Hand, diesen Posten Ernst zu nehmen. Falls er ihn ernst nimmt, kann er sicherlich viel bringen.

Zurück zum Festival. Seit letztem Jahr sitzt ja unter anderem der Regisseur und Kameramann Christian Berger in der Jury. Wie konnte er für das Festival gewonnen werden?

Christian Berger ist ja dermaßen viel beschäftigt, dass er abseits seiner eigenen Projekte eigentlich keine Zeit. Uns kam zugute, dass wir in den ersten Jahren seinen Film „Mautplatz“ gezeigt haben. Er ist damals unserer Einladung gefolgt und wir konnten uns intensiv austauschen. Zwischendurch haben wir uns dann wieder aus den Augen verloren. Als dann letztes Jahr das mit der Besetzung der Jury aufgekommen ist, hab’ ich ihn einfach angerufen und er hat sofort zugesagt. Das hat uns natürlich irrsinnig gefreut. Das ist auch für uns ein klares Qualitätssignal. Für heuer wär die Zusammenarbeit fast schief gegangen, weil er ja derzeit auf Malta für Angelina Jolie dreht. Wir konnten allerdings seine Frau dazu überreden, dass sie ihm die Filme bringt. Er schaut sich dann die Beiträge in seinen Drehpausen an.

Letztes Jahr ging „Schnee“ von August Pflugfelder als Siegerfilm hervor. Der Film setzt sich mit der Ausbeutung der Alpen als Wirtschafts- und Tourismusregion auseinander. Aktuell gibt es ja auch beispielsweise die Petition „Rettet die Kalkkögel“. Wie siehst du, eben auch in deiner Funktion als Tiroler Umweltanwalt, diese Entwicklung?

Das ist sicherlich eine komplexe Fragestellung. Zum einen stellt der Tourismus in Tirol natürlich einen wichtigen Wertschöpfungsbereich dar. Zum anderen wandern die Schipisten und Aufstiegshilfen immer weiter hinauf. Da kommt man dann in ein Gebiet, welches extrem sensibel ist. Vor kurzem wurde zum Beispiel von Herrn Professor Grabherr nachgewiesen, dass die Vegetation oberhalb der Baumgrenze, also ab ca. 2.200 bis  2.300 Metern Seehöhe, teilweise 5.000 Jahre alt ist. Das sind zwar unscheinbare Rosettenpflanzen, die sich aber innerhalb eines Menschenlebens nicht regenerieren können. Meiner Meinung nach fehlt da einfach auch Respekt.

Bild: Christian De Zottis

Bild: Christian De Zottis

Da braucht es also mehr Schutz?

Genau. Und es braucht auch die Thematisierung dieser empfindlichen Räume, die man vorantreiben muss. Vielen ist einfach nicht bewusst, wie sensibel der Hochgebirgsraum eigentlich ist.

Zum Abschluss: Was ist beim INFF in Zukunft geplant? Das Festival ist ja in Österreich eigentlich das einzige, welches sich dezidiert mit Umwelt und Natur beschäftigt. Wenig Konkurrenz also. Aber wie schaut es da mit den Größenverhältnissen aus? Will man sich an die großen österreichischen Festivals, wie beispielsweise die bald beginnende Viennale etwas angleichen?

Das Festival findet in Innsbruck im Leokino, einem sehr attraktiven Kino, das auf eine große Tradition zurückblicken kann, statt. Seitens der Kapazität sind uns somit natürlich Grenzen gesetzt. Mir geht es eigentlich mehr darum, den Spirit des Festivals in die Stadt zu tragen. Daran arbeiten wir sukzessive. Im Rahmen des Festivals gibt es beispielsweise auch Workshops, die von GEO-Redakteuren durchgeführt werden. Wir haben eine Stadtführung der etwas anderen Art mit einem ökologischen Schwerpunkt. Wir haben auch eine Verbindung zur Architektur geschaffen mit dem Architekturkollektiv Columbosnext, das uns den Außenbereich des Kinos gestaltet. Wir erhalten da zum Beispiel Sitzgelegenheiten aus Recyclingmaterial. Bio vom Berg, die ihre Produkte anbieten werden, ist ebenfalls mit dabei. Wir legen den Fokus also auf ein breites Spektrum, um einen ganzheitlichen Zugang zu ökologischer und sorgsamer Lebensführung zu ermöglichen.

Innsbruck Nature Film Festival
21. bis 24. Oktober
Innsbruck, Leokino

www.inff.eu

Bild: Innsbruck Nature Film Festival – Roberto Baldissera

Bild: Innsbruck Nature Film Festival – Roberto Baldissera

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