Hoch bauen aus Holz – Wiens Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig im Interview

Das HoHo-Holzhaus der Kerbler Gruppe in einer Visualisierung. 2018 soll es eröffnet werden.

Das HoHo-Holzhaus der Kerbler Gruppe in einer Visualisierung. 2018 soll es eröffnet werden.

Im Wiener Stadtteil Aspern wird gerade das welthöchste Hochhaus aus Holz aus dem Boden gestampft. Auch sonst ist Wien – im positiven Sinne – auf dem Holzweg, etwa beim Bau von Schulen. Dass bei Neubauten dereinst ausschließlich auf Holz gesetzt wird, glaubt Michael Ludwig, der für Wohnbau zuständige Stadtrat, allerdings nicht. Ein Interview.

Was spricht für den Einsatz von Holz gerade bei Bauten in die Höhe?

Michael Ludwig: Holz ist ein biologischer, nachwachsender Rohstoff, der umweltschonend produziert wird. 1 m³ Holz speichert 950 kg CO2, sodass Holzbauten auch einen Beitrag zum Klimaschutz darstellen. Darüber hinaus kann Holz im Werk präzise vorgefertigt werden und ist somit auf der Baustelle relativ einfach einzubauen. Schließlich ist es auch recyclingfähig, wenn ein Gebäude abgebrochen werden sollte.

Sehen Sie Holzbauten auch als „Leuchttürme“ des Sozialen Wohnbaus?

Das, was den geförderten Wiener Wohnbau weltweit zur Nummer eins gemacht hat, ist vor allem sein sozialer Anspruch. Hochqualitative Wohnbauten entstehen auch anderswo, allerdings in der Regel frei finanziert. Was Wien unterscheidet, ist, dass wir gleich mehrere Anforderungen an den sozialen Wohnbau stellen. Sie umfassen die Bereiche Ökonomie, Ökologie, Architektur und soziale Nachhaltigkeit. Wobei mir soziale Nachhaltigkeit und finanzielle Konditionen, die sich die Menschen auch leisten können, besonders wichtig sind.

Es gibt eine ganze Reihe an Leuchttürmen im geförderten Wiener Wohnbau, bei denen aber nicht die Bauweise allein ausschlaggebend ist. Holzbauten können aber Flaggschiffe sein, wenn sie alle anderen geforderten Kriterien auch auf einem Top-Niveau erfüllen.

Das Schlagwort der Stunde lautet Verdichtung: Gibt es beim Einsatz von Holz als Baumaterial besondere Risiken und Vorkehrungen was den Brandschutz betrifft?

Als brennbares Material müssen bei Holz natürlich besondere Vorkehrungen, was den Brandschutz betrifft, getroffen werden, so z.B. Verkleidungen aus nicht-brennbarem Material oder besonders dicke Elemente, die einem Brand für einige Zeit Widerstand leisten können. Die Anforderungen waren bisher aus Vorsichtsgründen außerordentlich hoch und wurden mit der Neufassung der OIB-Richtlinien 2015 auf ein sinnvolles Maß reduziert. Bei Hochhäusern muss der Kern des Gebäudes aber weiter aus nicht-brennbaren Baustoffen bestehen.

Michael Ludwig bei der Wohnhausübergabe in der Seestadt Aspern © PID/Jobst

Michael Ludwig bei der Wohnhausübergabe in der Seestadt Aspern © PID/Jobst

Was sind darüber hinaus die großen Risiken beim Einsatz von Holz?

Als biologischer Baustoff ist Holz der Gefahr der Vermorschung und Zersetzung ausgesetzt, wenn nicht auf eine entsprechende Abdichtung geachtet wird. Technisch gibt es aber auch dafür ausgereifte Lösungen.

Ist Holz billiger oder teurer?

Das ist abhängig von Gebäudehöhe. Bei Einfamilienhäusern und Reihenhausanlagen ist praktisch kein Unterschied zu anderen Baustoffen gegeben. Je höher jedoch ein Gebäude wird, umso mehr Vorkehrungen sind aus brandschutztechnischer Sicht erforderlich, weshalb bei höheren Gebäuden die Kosten um bis zu 20 Prozent über dem Wert vergleichbarer Baustoffe liegen.

Ist Wien im Holz-Hochhausbau international gesehen ein Pionier?

Westösterreich und die Schweiz haben zwar etwas früher große Holzbauten errichtet, aber Wiens erster mehrgeschossiger Wohnbau – die Holzbausiedlung „Spöttlgasse“ in Wien-Floridsdorf – sie wurde 2005 errichtet – wurde gleich mehrfach ausgezeichnet. Die Wohnhausanlage am Mühlweg im 21. Bezirk in Passivhaus-Holzbauweise – sie wurde 2006 bezogen – war die größte Wohnanlage Europas in Holzmischbauweise. Mit dem Wohnbau an der Donaustädter Wagramer Straße haben wir 2013 den höchsten Wohnbau Österreichs in massiver Holzbauweise realisiert. Man kann Wien also zu Recht, auch international gesehen, als Pionierin bezeichnen. Was die Höhe von Holzbauten anbelangt, sind heute Städte wie London oder Zürich führend. Allerdings soll das geplante Holzhochhaus in Aspern das welthöchste Holzgebäude werden.

Gibt es abgesehen vom geförderten Wohnbau auch andere kommunale Projekte, die im Holzbau realisiert werden?

Vor allem im Schulbau findet Holz derzeit einen wichtigen Anwendungsbereich, weil hier oft – im Falle eines Zubaus oder einer Aufstockung – nur in der Ferienzeit gearbeitet werden kann. Der Vorfertigung kommt hier große Bedeutung zu – die Holzteile können im Frühjahr produziert werden und werden dann in kürzester Zeit im Sommer zusammengesetzt.

Visualisierung des Innenraums: So könnten Bewohner des HoHo-Hauses künftig die Seestadt überblicken. © Kerbler Gruppe

Visualisierung des Innenraums: So könnten Bewohner des HoHo-Hauses künftig die Seestadt überblicken. © Kerbler Gruppe

Was meinen Sie: Werden Neubauten irgendwann ausschließlich aus Holz sein?

Das ist unwahrscheinlich. Erstens gibt es auch andere sehr gute ökologische Bauweisen, die wir ebenfalls nutzen und erforschen. Und zweitens – wenn Sie etwa an Lückenbebauungen im Zentrum denken – muss das Erscheinungsbild eines Gebäudes auch ins Stadtbild passen. Maxime des geförderten Wiener Wohnbaus ist es, Projekte für unterschiedliche Wohnbedürfnisse und Wohnwünsche zu entwickeln. Demgemäß wird Holz in Zukunft eine wichtige, aber nicht alleinige Rolle spielen. Holz ist jedenfalls ein Baustoff, der sich im Wettkampf ökologischer Baumaterialen behaupten wird.

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