Die Freuden der Ebene

Von einem kleinen Dorf im Burgenland aus liefert Georg Lunzer seit knapp 20 Jahren seinen Bio-Wein nach ganz Österreich. Dieser Erfolg hat eine ganze Reihe von Vätern: Unter anderem eine gehörige Portion Pragmatismus.

Wer dem Geheimnis des Bioweins auf den Grund gehen will, muss sich von Wien aus tief ins Burgenland wagen. Vorbei an den architektonischen Bedrohungen des Parndorfer Outlets samt seiner zuckerlfarbenen Westernkulissen, vorbei an Armeen von Windrädern und hektarweiten Weinfeldern, die im Lichte der ersten Frühlingstage noch etwas karg wirken. Bis nach Gols, nahe dem Neusiedler See. Und wer Georg Lunzer treffen will, muss die Weingasse, die Weingartengasse und gefühlte weitere 50 eng bemessene Straßen, die den Namen des Hauptwirtschaftsfaktors hier in der Gegend tragen, hinter sich lassen. Das blaue Namenschild verheißt schließlich, dass es nur noch die Hürde des Gartentores zu überwinden gilt, um zu Georg Lunzers Anwesen vorzudringen.

Der Empfang des 45-Jährigen ist überaus herzlich. Ohne Verzögerung steht ein Achterl des eigenen Rosés in der Mittagssonne. Es ist einer der ersten wirklich warmen Frühlingstage. Mit dem Wissen, dass sich der Neusiedler See in unmittelbarer Nähe befindet fühlt es sich sogar ein bisschen wie Urlaub an.

Schon seit seiner Geburt lebt Georg Lunzer in Gols. Nach der Absolvierung der Weinbauschule Klosterneuburg übernahm er 1989 den Betrieb seiner Eltern. Ein Jahr später setzte Lunzer erste Schritte in Richtung Bio-Weinbau, 1995 war die Umstellung komplett abgeschlossen. Die Entscheidung, endgültig auf die Produktion von Bio-Wein umzustellen war eine spontane, ja fast schon impulsive: „Eines Abends saß ich mit einem Freund zusammen, der sagte, ‚Steig doch auf Bio um!‘. Und dann hab ich das gemacht.“ Ein pragmatischer Ansatz eigentlich, der sich auch sonst durch das Gespräch zieht. „Wein soll man trinken, weil er schmeckt, das mit dem Bio ist nur das Zuckerl.“ So viel Ehrlichkeit erfrischt. Überhaupt hört man dem äußerst einnehmenden Herrn Lunzer sehr gerne zu, wenn er seine Zunft beschreibt, während er die beiden Zuwendung einfordernden Katzen des Hauses streichelt.

Lunzer war einer der ersten Bioweinbauern der Region. Die anfängliche Skepsis der Umgebung war damals deutlich zu spüren und jedes verrutschte Flaschenetikett wurde dem biologischen Anbau angelastet. Doch den Schwierigkeiten und allen Zweiflern trotzend, setzte der Vater zweier Töchter das Gebot der Nachhaltigkeit fort und schaffte es schließlich, sich zu etablieren, und sich Stammkunden und fixe Abnehmer aufzubauen. Und das gelang ihm sogar ziemlich gut. Trotz und wegen seines Pragmatismus. „Zu der Zeit war Bio-Weinbau eigentlich nur eine Sache von Fundis. Das war aber nicht mein Ansatz.“ Lunzer wollte immer schon mehr Menschen mit seinen Produkten erreichen und den Biowein aus den Reformhäusern holen. Im Jahr 2001 tat sich die große Chance auf. Aber dazu später.

10 % der Weinbaufläche in Österreich wird bio bewirtschaftet

Lunzers Spezialität sind der Blaue Zweigelt und Weißburgunder, aber auch Chardonnay, Welschriesling und Blaufränkischer sind Teil des Assortiments, das etwa zu einer Hälfte aus Weiß- und zur anderen aus Rotweinen besteht. Heute werden pro Jahr an die 70.000-80.000 Liter Wein in dem Betrieb hergestellt. Von der Traube bis zur fertigen Flasche geschieht dabei alles im eigenen Betrieb, was viele unnötige Wege erspart und auch die Abnehmer sehr zu schätzen wissen. Sogar die verwendeten Spritzen zur Benetzung mit Naturdünger sind recyclebar. Genau genommen ist der Wein aber eigentlich erst ab 2013, also mit der Ernte von 2012 „Bio-Wein“, der durch ein entsprechendes Etikett auf der Flasche gekennzeichnet wird. Die neue EU-Verordnung regelt damit nicht nur die Erzeugung der Bio-Trauben, wie bisher, sondern auch die Weiterverarbeitung zu Wein. Mittlerweile werde hierzulande bereits etwa 10% der Weinanbaufläche biologisch kultiviert. Damit liegt Österreich europaweit an erster Stelle.

Seine mittlerweile auf etwa 13 Hektar angewachsenen Weingärten bewirtschaftet Georg Lunzer mit zwei fixen Mitarbeitern, vier bis fünf Saisonarbeitern und bei der Lese mit bis zu zwölf Helfern. Die Anbauflächen befinden sich in einem relativ weitläufigen Gebiet zwischen Gols, Podersdorf und Frauenkirchen, sodass schon mal größere Wegstrecken zurückzulegen sind. Insgesamt gestaltet sich der biologische Anbau zu erwartender Weise riskanter und mit mehr Aufwand. Etwa, wenn es ein „katastrophales Weinjahr“ wie 2010 ist. Im Bio-Weinbau kann man nur vorsorglich, nicht kurativ wirtschaften und in der Not gibt es dann eben keine chemische Keule, die Schädlinge tilgt oder einem schwächelnden Wachstum auf die Sprünge hilft.

„Die Subventionen stehen in keiner Relation zum Aufwand“ erwidert der Winzer auf unsere Frage nach Förderungen, die nur etwa 20 Prozent mehr betragen als bei konventionellem Anbau. Viel mehr manuelle Arbeit fällt an, die Wirkungsdauer der Mittel ist geringer und kürzere Spritzintervalle sind notwendig. So muss zum Beispiel die der Morgensonne zugewandte Traubenseite entblättert werden, damit sich aufgrund des Morgentaus kein Pilz bildet. Außerdem bedarf es einer gewissen Vorlaufzeit, um auf biologischen Landbau umzusteigen. Zunächst muss mit der Dauerbegrünung begonnen werden. Das bedeutet, dass zwischen den Rebstöcken andere Pflanzen zur Verbesserung der Boden- und Nährstoffkultur gepflanzt werden und damit eine zu hohe Mineralisierung  bzw. Ausschwemmung des Bodens verhindern sollen: zunächst Pflanzen mit geringeren Ansprüchen, nach und nach gilt es dann, eine Artenvielfalt zu schaffen. Ein sinnvolles kleines Öko-System aus Pflanzen, Tieren und Nützlingen ist die Basis für eine funktionierende biologische Bewirtschaftung, bei der zur Gänze auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz, Dünger und Chlorreinigungsmittel verzichtet wird. Denn, „Raubbau passiert relativ schnell“, sagt er und meint damit die Industrialisierung im Pflanzenanbau, die durch exzessive Unkrautvernichtung Böden nachhaltig geschädigt hat und immer noch schädigt.

Wie ist so ein enormer Aufwand und Risiko auch finanziell zu tragen? Das Geheimnis sind – wie so oft in einer Marktwirtschaft – vor allem fixe Kunden, die Ware in großer Menge abnehmen. Insofern war es für Lunzer ein absoluter Glücksgriff, als im Jahr 2001 Ja!Natürlich, die Bioeigenmarke der österreichischen Abteilung des REWE-Konzerns, bei ihm anklopfte. Die Firma plante, ihr Sortiment um Genussware zu erweitern. Da war sie – die Chance, nicht mehr für einen kleinen, lokalen Markt zu produzieren, sondern seinen Wein österreichweit in Supermärkte zu bringen. Georg Lunzer zögerte nicht lange. Die mittlerweile über zehnjährige Geschäftsbeziehung mit Ja!Natürlich funktioniert weiterhin einwandfrei, und Lunzer hat seinen Schritt nie bereut.

„Vermutlich werde ich die letzte Generation auf diesem Hof sein“ sinniert Georg Lunzer über die Zukunft des Hofes und Expansionspläne, während er sich ein Bier öffnet. Offenbar ist der Wein also kein Dogma für den Winzer. Besonders traurig scheint er nicht zu sein – eher realistisch. Bisher zeigen seine Töchter eher geringes Interesse an einer Übernahme des Betriebs, und „wenn kein Weinbauer in die Familie einheiratet“, dann war es das eben. Bis es allerdings soweit ist und Herr Lunzer sich in den wohlverdienten Ruhestand in der Idylle am Neusiedler See zurückziehen wird, werden noch viele Trauben ihren Weg von den Reben in den Supermarkt finden.

Georg Lunzer

7122 Gols

Sportplatzgasse 4

0043/21732776

Ab-Hof-Verkauf nach Voranmeldung

TEXT Anna Hoffer


Video-Interview mit Georg Lunzer für Ja! Natürlich.

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