Funk(h)aus

Foto: Thomas Ledl, CC BY-SA 3.0 at

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Der ORF soll die Wiener Innenstadt verlassen. Ist das ein nachhaltig sinnvoller Plan? Ein Gastkommentar von Jonathan Fetka. 

In den letzten Jahren war immer wieder von einer Umsiedelung des ORF-Zentrums am Küniglberg auf einen alternativen Standort die Rede. In einem neu errichteten Sendezentrum könne man Synergien besser nutzen und auf veränderte Anforderungen der Medienlandschaft eingehen, so der engagierte Tenor. Obendrein könnte Geld eingespart werden. Viel Geld. Juhu!

Diskutierte Standorte waren hier das von der Stadt Wien präferierte St. Marx oder Teile des frei gewordenen Areals des Wiener Hauptbahnhofs. Beides für die Stadtentwicklung nicht gänzlich uninteressante Standorte. Auf jeden Fall bessere, als der schwer erreichbare und nicht in eine wünschenswerte, polyzentrale Stadtstruktur eingebettete Küniglberg. Diese Standorte gingen mit der stadtentwicklerischen Strategie der Stadt Wien konform, welche sich auf eine Verkehrsreduktion und Entwicklungsimpulse an ausgewählten Zentren stützt. Nun, die Entscheidung ist gefallen.

Wiener ORF-Standorte werden am Küniglberg zusammengelegt

Die von ORF Generaldirektor Wrabetz präsentierte Lösung ist etwas ironisch gegenüber der bisherigen Überlegungen. Das Sendezentrum am Küniglberg wird saniert und ausgebaut, bisher über die Stadt verteilte Sender wie FM4, Ö1 und Radio Wien werden fast gänzlich in die Struktur in Hietzing eingegliedert. Das macht stutzig. Von welchen Synergieeffekten ist hier nunmehr die Rede? Da mit bis zu 10 Mio. Euro Einsparungen pro Jahr argumentiert wird, wohl nur von Betriebswirtschaftlichen. Die volkswirtschaftlichen oder gar verkehrs-, gesellschafts- und kulturpolitischen Effekte werden hingegen kaum positiv ausfallen und im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung sein können. Warum?

Meister-Eder-Romantik oder Bürotürme

A                  Die Entwicklung von (nicht nur) österreichischen Städten ging in den letzten Jahrzehnten in eine recht eindeutige Richtung, und zwar zur Verdichtung von Stadtfunktionen in bestimmten Teilräumen. So wurden an gut erreichbaren Verkehrsknotenpunkten Einkaufszentren oder Bürotürme aus dem Boden gestampft, welche eine kleinräumige, diversifizierte innerstädtische Branchenstruktur auflösen. Anschließend ist dann von Innenstadtsterben die Rede, Innenstädte müssen teuer saniert werden, um Attraktivität zu wahren. Eigentlich ein positiver Effekt, nur leider aus Not erzwungen. Das müsste nicht sein. Logisch, das romantische, kleinräumige Konzept des Meister Eders im Hinterhof hat mehrheitlich ausgedient und ist für viele größere Firmen, welche auf repräsentative und zusammengelegte Standorte angewiesen sind, nicht praktikabel. Allerdings bringen Arbeitsplatzabsiedlungen immer auch weitere Arbeitsplätze in der Umgebung, wie etwa der Gastronomie, in Gefahr. Im innerstädtischen Bereich würden an zwei ORF-Standorten insgesamt etwa 700 Arbeitsplätze verloren gehen. Ein wahrlich nicht zu unterschätzender Faktor für die lokale Gastronomie, die Lebendigkeit des Bezirks und sicher nicht im Sinne einer ausgewogenen Stadtentwicklung. Und jeder von uns will doch beim etwaigen abendlichen Bier in der Nachbarschaft aus mehreren Lokalen wählen können? Die Stadt Wien versucht, mit verschiedenen Instrumenten, wie etwa Leerstandsmanagement, gegen verödende Einkaufsstraßen und Erdgeschosszonen vorzugehen. Dabei hätte sie es in der Hand, über Bebauungsrichtlinien bestimmte, ungewollte Standortentwicklungen zu unterbinden (hier sei auch auf den offenen Brief der Architektenkammer hingewiesen). Paradox.

                 Im Funkhaus in der Argentinierstraße sind viele Interview- und Studiogäste Teil der Programme der Sender. Genau dieses Konzept macht diese Sender wertvoll und bindet sie aktiv in das Kulturleben der Stadt ein. Bei einer Umsiedelung ergeben sich zwei Probleme. Erstens ist für viele Gäste das Studio deutlich schwerer zu erreichen, was ein Teilnehmen an der Sendung erschwert, zweitens müssen weitere und kompliziertere Verkehrswege in Kauf genommen werden. Und gerade die zusätzlichen Verkehrswege stehen diametral zur forcierten, sinnvollen Politik der CO2- und Verkehrsreduktion der Stadt Wien. Die Architektenkammer spricht von bis zu 2 Mio. zusätzlichen PKW-Kilometern. Pro Jahr. Die komplikationsfreie Anbindung an das pulsierende Großstadtleben ist nicht mehr in dem bisherigen Ausmaß gegeben. Die Synergieeffekte sind fraglich.

                 Bei einer Fachenquete im Wiener Rathaus zum Thema Stadtentwicklungsplan 2025 wurde von verschiedenen Seiten und Studien mehrfach auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung des kreativen Sektors der Stadt Wien hingewiesen. Was für ein Signal sendet man an das Kultur- und Kreativmilieu, wenn man es teilweise in die Peripherie verbannt? Wirtschaftlich ist für eine Stadt nicht nur eine kurzfristige Bilanz, sondern weiters und vor allem auch die Schaffung eines gewissen Stadtimages, welches der Stadt als Attraktivitätsfaktor dient. Ein Stadtimage entscheidet unter anderem über den Zuzug von Firmen und Arbeitskräften und ist somit wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Stadtplanung. Die Stadt Wien verdient am kreativen Milieu in etwa so viel wie am Tourismus (!). Wenn sie diesem weiter einen fruchtbaren Boden bieten, wenn sie weiter kreative Menschen anziehen und ein positives, lebendiges Image wahren will, muss das Funkhaus weiter als ein Ort der Begegnung, des Austauschs, am zentralen Ort bestehen bleiben.

Fazit, bei einem öffentlichen Unternehmen, wie der ORF eines ist, darf nicht nur auf betriebswirtschaftliche Komponenten Rücksicht genommen werden. Etwaige negative Folgen fallen auf dieselbe Geldbörse zurück, welche den ORF finanziert. Unsere. Aus diesem Grund müssen die genannten Einsparungen auch gesamtökonomisch und gesellschaftlich betrachtet werden. Niemand wünscht ein lebloses Grätzel zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof, wenn gerade hier ein lebendiges ORF-Kulturzentrum eine schöne Brücke zwischen diesen beiden pulsierenden Orten darstellen kann.

Am Standort St. Marx hat die Stadt Wien übrigens reagiert und entwickelt dort nun ein Start-Up Zentrum.

 

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels hat die Petition „Erhaltung des Radiosenders Ö1“ schon über 76.000 Unterzeichner.

Hier der offene Brief der Architektenkammer

Hier geht’s zum Manifest der Gegner der Zusammenlegung

 

Jonathan Fetka war einmal grüner Bezirksvorsteherstellvertreter in Graz und studiert Schauspiel und Raumplanung in Wien.  

 

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