Der Bioladen Europas

(c) Reinhard Gessl/Fibl

(c) Reinhard Gessl/Fibl

Franz Fischler kann man nicht gerade als Bio-Freak bezeichnen und dennoch gilt er als ein Vater des österreichischen Bio-Booms. Ein Gespräch über Landwirtschaft(spolitik) mit einem der wenigen österreichischen Politiker von Weltruf.

 

BIORAMA: Herr Fischler, warum sind Sie eigentlich nicht korrupt?

Franz Fischler: Ich habe für mich einen persönlichen Ehrenkodex. Da hat nicht einmal der Hauch von Korruption Platz.

Korruption scheint aber heute zum Arbeitsprogramm eines Politikers zu gehören?

Sie reden primär von Österreich? Da müssen Sie ein bisschen unterscheiden. Seit der Zeit, als Präsident Kirchschläger gesagt hat, man müsste in Österreich die Sümpfe trocken legen, hat sich wieder viel aufgestaut. Das bricht jetzt auf – und die Bevölkerung bekommt den Eindruck, es gäbe nur mehr Korruption und Leute, die für die eigene Geldtasche arbeiten. Aber in Österreich gibt es nach wie vor viele korrekte Politiker.

Korruption spielt in Ihrem Leben keine Rolle – dafür aber die Zahl Fünf. Wie ein Blick auf ihren Lebenslauf zeigt, vollzieht sich Ihre Karriere in einem Fünfjahresrhythmus.

Das ist richtig, war aber nicht so geplant. Im alten Rom hat man übrigens diese Fünf-Jahres-Schritte »Lustren« genannt. Ich bin als Fünfjähriger zur Volksschule gegangen, habe dann noch ein Jahr Hauptschule gemacht – also fünf Jahre. Auf dem Untergymnasium habe ich auch fünf Jahre gebraucht, statt vier. Und wenn man den Militärdienst zum Obergymnasium dazurechnet, macht das wieder fünf Jahre. Gute fünf Jahre habe ich studiert – und danach fünf Jahre an der BOKU als Assistent gearbeitet. Fünf Jahre war ich in der Kammer Angestellter und fünf Jahre Direktor. Und fünfeinhalb Jahre war ich Minister – dann noch zweimal fünf Jahre in Brüssel.

In ihre Zeit als Landwirtschaftsminister fällt die politische Geburtsstunde des Biolandbaus. Warum haben Sie damals auf Bio gesetzt?

Erstens fand ich, man muss den Biologischen Landbau entideologisieren. Da geht es ja nicht um ein Glaubensbekenntnis, sondern eine Möglichkeit, wie man Landwirtschaft betreiben kann – eine besonders unterstützenswerte Landwirtschaft. Und zweitens sah ich das Riesenpotenzial. Daher habe ich auch die finanziellen Bedingungen dafür deutlich verbessert: Als ich 1989 ins Ministerium kam, umfasste das Budget für den Biologischen Landbau gerade einmal zwei Millionen Schilling – am Ende meiner Ministerzeit gab es dann 200 Millionen Schilling. Sehr wichtig war auch, dass wir die Bioprodukte in die Supermarkt-Ketten gebracht haben. Auf diese Karte habe ich gesetzt – und das war entscheidend für das Wachstum des Biologischen Landbaus.

Franz Fischler

Sind Sie mit der gegenwärtigen Entwicklung des Biolandbaus zufrieden?

Ja! Wir liegen mit einem Bio-Anteil von über 15 Prozent meilenweit vor allen anderen Staaten in Europa. Andererseits darf man sich auch nicht zu große Illusionen machen. Ich glaube, der Biologische Landbau wird in zehn, zwanzig Jahren bei einer Größenordnung von 20-25% Fläche oder Umsatz sein Limit erreicht haben.

Als Minister haben Sie damals auch den Landwirten den EU-Beitritt schmackhaft gemacht …

Es war wichtig, den Biolandbau und die Bergbauern – also alle, die mit Benachteiligungen arbeiten müssen – förderfähig zu machen. Deshalb haben wir beim heimischen Fördersystem ziemlich viel umgestellt. So konnten wir bei den Beitrittsverhandlungen verlangen, dass unser Förderniveau auch nach dem EU-Beitritt beibehalten werden kann. Am Ende der Verhandlungen hat es dazu geführt, dass Österreich, im Verhältnis zur Größe seiner Landwirtschaft, bis heute die größte ländliche Entwicklungsförderung hat. Ein anderes wichtiges strategisches Element waren die österreichischen Marktordnungen. Die stammten noch aus der Nachkriegszeit, mit dem Milchwirtschaftsfonds, dem Getreidewirtschaftsfonds etc. Die hatten sich längst überlebt. Ich habe dann den bevorstehenden EU-Beitritt als Argument benutzt, um die Dinge zu ändern. Viele österreichische Bauern, vor allem aber so g’scheite Missionare aus Bayern versuchten ja den Leuten einzureden, wir würden mit EU-Waren überrannt werden.

Und was tut man gegen „g’scheite Missionare“?

Ja, was tut man dagegen? Wir haben die Naturnähe, also die Stärken der österreichischen Lebensmittel positioniert. Und zusätzlich – auch auf meine Initiative hin – die Agrarmarkt Austria, die AMA, gegründet, also ein Marketinginstrument aufgebaut, um den Patriotismus bei den österreichischen Konsumenten zu nutzen.

Ist das heutige AMA-Gütesiegel eine Patriotismus-Pickerl? Reicht das als Qualitätszeichen für die österreichische Landwirtschaft?

Ich bin der Meinung, dass das AMA-Gütesiegel heute die Standardware aus Österreich repräsentiert. Eine Ware, die das AMA-Gütesiegel nicht trägt, ist eigentlich schon fast eine Problemware.

Wenden wir uns der europäischen Landwirtschaft zu. Welche Akzente haben Sie da als EU-Kommissar gesetzt?

Angefangen hat es mit einem wichtigen, leider sehr negativen Punkt: der BSE-Krise. 1996 ist in London vom Gesundheitsminister zum ersten Mal verkündet worden, dass BSE auf den Menschen übertragbar ist. Was natürlich zu einem Riesenskandal geführt hat. Unser Problem war, dass man sich bei einer Krankheit in erster Linie auf wissenschaftliche Ergebnisse stützen muss – nur die gab es nicht. Das war wie Fahren im Nebel. Man musste sozusagen mit dem Hausverstand überlegen, was die sinnvollsten Maßnahmen sind. Das war eine extrem schwierige Situation, die wir aber gut gemeistert haben.

2003 kam dann Ihre große EU-Agrar-Reform …

Der Kern dabei war, dass ich mit der Verbindung zwischen Produktion und Förderung in der sogenannten »ersten Säule« Schluss gemacht habe. Bis dahin war es so, dass die Förderung die Produktion angeheizt hat. Ich war aber der Meinung, das muss unbedingt neutralisiert werden. Was unterm Strich auch für die Landwirte besser war – und darüber hinaus noch einen wichtigen Aspekt hatte: Uns ist damit auch gelungen, dass die EU-Förderung zu 90% in Übereinstimmung mit dem WTO-Recht ist, also nicht mehr als wettbewerbsverzerrend galt.

Eine ketzerische Frage zu diesem Thema: Bei jeder Agrar-Reform gibt es nur jammernde Bauern und erboste Bürger – warum streicht man nicht gleich das ganze Agrarbudget? 

Das hätte gravierende Folgen! Nicht, weil es keine Lebensmittelproduktion mehr gäbe. Das würde nicht geschehen, aber die Landwirtschaft würde sich aus den ungünstigen Standorten, z.B. den Bergbauerngebieten, zurückziehen und dafür an den günstigeren Standorten weitaus intensiver produzieren. Mit dieser Intensivierung steigt dann der Druck auf die Böden und auf die Grundwasser-Qualität. Das wäre das eigentliche Problem – die enormen Umweltschäden. Und wenn in den schwächeren Regionen die Landwirtschaft aufhört, gehen auch die Attraktivität der Landschaft und damit der Tourismus zum Teufel.

Intensität – sprich möglichst hohe Erträge – ist auch das Zauberwort bei der grünen Gentechnik. Wie stehen Sie dazu?

Ich versuche an diese Frage nicht ideologisch, sondern pragmatisch heranzugehen. Wenn ich mir anschaue, was die jetzige grüne Gentechnik kann, bringt sie dem österreichischen Bauern überhaupt nichts. Daher ist es in Österreich sinnlos, grüne Gentechnik einzusetzen.

Ist grüne Gentechnik nicht generell sinnlos?

Der Grund, warum mittlerweile auf der Welt 180 Millionen Hektar mit gentechnisch verändertem Saatgut bestellt werden, ist, dass sich in Übersee, sowohl in Nord- als auch in Südamerika die Pflanzenproduktion, also die Anbautechnik völlig geändert hat. Während man bei uns nach wie vor klassischen Ackerbau betreibt – also pflügt, den Acker herrichtet und sät – kommt in Übersee die ganze Bodenbearbeitung ohne Pflügen aus. Und für diese Bauern wird auf einmal die grüne Gentechnik interessant, weil bei dieser pfluglosen Methode der Unkrautdruck steigt. Daher ist es interessant, dass ich Sorten habe, die tolerant gegen das Totalherbizid Roundup sind. Konkret heißt das, dass alle Unkrautarten eingehen, außer den Roundup-verträglichen Pflanzen.

Anders gefragt: Ist der Einsatz von grüner Gentechnik für Sie bedenkenlos? 

Nochmals: In Europa, mit unserem klassischen Ackerbau, bringt Gentechnik nichts. Und weil man bestimmte gentechnisch veränderte Soja- oder Maissorten zugelassen hat, ist das kein Argument, auch gleich andere zuzulassen. Das muss sehr sorgfältig von Fall zu Fall geprüft werden. Dass es hier zu Fehlern kommen kann, das kann man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen.

Die Heilsverkünder der Gentechnik möchten damit den Welthunger besiegen …

Ein absoluter Unsinn! Das Niveau, auf dem Landwirte in Afrika und sonst wo operieren, ist ein völlig anderes. In den Ländern, die vom Hunger betroffen sind, helfen keine Gentechnik-Konzepte. Ein Beispiel dazu: Der Maisertrag in Burkina Faso beträgt 100 Kilogramm pro Hektar, in Österreich sind es 11 Tonnen. Selbst wenn Sie dort gentechnisch verändertes Saatgut verwenden würden, wären es trotzdem nur 100 Kilogramm und nicht mehr. Garantiert! Weil es dort an ganz anderen Dingen mangelt: zum Beispiel an einer vernünftigen Wasserversorgung, an einer einfachen Düngung, an besseren Erntemethoden etc. Diese Dinge muss man verändern. Es ist geradezu fahrlässig, die Landwirte dort mit zugekauftem Saatgut abhängig zu machen.

Abschließend ein Blick zurück nach Österreich, ganz konkret in ihren Kühlschrank: Wie viele Bio-Lebensmittel sehen wir da?

Da müssen Sie meine Frau fragen. Aber an Bio-Lebensmittel sind es hauptsächlich Obst und Gemüse, Fruchtsäfte. Wir sind keine absoluten Bio-Freaks, aber wir sind Regional-Freaks.

 

 

Ad Personam 

Franz Fischler, geboren 1946 in Tirol, ist Präsident des Europäischen Forums Alpbach, Vorsitzender der Raiffeisen Klimaschutz-Initiative sowie Ehrenpräsident des Ökosozialen Forums und der österreichischen Global Marshall Plan-Initiative. Von 1995–2004 war er Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei, davor övp- Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (1989–1994). Er ist Gastprofessor an drei Universitäten und Berater zahlreicher Regierungen und der oecd.

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