First Position: Der Traum von der großen Ballettkarriere

Michaela DePrince Bild: Filmladen Filmverleih

Michaela DePrince
Bild: Filmladen Filmverleih

Die Füße geschunden und schmerzende Muskeln – Regisseurin Bess Kargman portraitiert in ihrem ersten Dokumentarfilm First Position sechs junge Balletttänzer auf dem Weg zu ihrem großen Traum: einer professionellen Ballettkarriere. Realistisch und hart zeichnet sie den Kampf an die Spitze – dafür tun die tanzenden Athleten alles, was nötig ist. Ab 4. Oktober in den Kinos.

Der Ehrgeiz von Aran Bell (11), Michaela DePrince (14), Rebecca Houseknecht (17), Jean Sebastian Zamora (16), den Geschwistern Miko (12) und Jules (10) Fogarty bringt sie dazu, ihre Kindheit gegen tägliches Balletttraining einzutauschen. Es sind nicht nur sie selbst, die sich diesem Druck unterwerfen – ihre Eltern feuern sie an, fördern sie und verzichten damit selbst auf einiges. Die Kinder und Jugendliche werden dabei oft aus ihrer Umgebung mit Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert – ein tanzender Bub gilt bei Kindern nicht gerade als männlich. Sie stehen darüber und versuchen außerhalb der Ballettwelt so normal wie möglich zu sein.

Die sechs Protagonisten haben unterschiedliche Motive, warum sie sich für die tänzerische Tortur entschieden haben. Für alle ist es eine Art sich selbst darzustellen und zu vermitteln. Michaela verarbeitet damit ihr schweres Schicksal. Das Mädchen stammt ursprünglich aus Sierra Leone. Ihre Eltern wurden von Rebellen im Bürgerkrieg getötet, als sie vier Jahre alt war. Eine amerikanische Familie adoptierte sie, die ihr den Ballettunterricht ermöglichten. Ballett ist für Jean Sebastian aus Kolumbien ein Weg aus der Armut. Wie alle trainiert er hart, jedoch mit dem Ziel für sich und seine Familie finanziell sorgen zu können.

Joan Sebastian Bild: Filmladen Filmverleih

Joan Sebastian
Bild: Filmladen Filmverleih

Spärliche Kritik kommt von den Protagonisten selbst. „You are making your body do things that it is not supposed to do“, sagt Michaela während eines Trainings für den Youth American Grand Prix. Auf diesen Wettbewerb arbeiten sie alle hin, um eine Anstellung an einem Theater oder ein Stipendium für eine renommierte Ballettschule zu gewinnen. Fünf Minuten haben die Bewerber Zeit, die Jury von sich zu überzeugen. Fünf Minuten, die über eine mehr oder weniger erfolgreiche Zukunft in der Ballettwelt entscheiden. Mit dem Druck vor der Perfomance gehen alle unterschiedlich um. Rebecca erzählt, dass die anderen sie schief ansehen, wenn sie ihren Konkurrenten vor dem Auftritt viel Glück wünscht. Nur wenige der tausenden Teilnehmenden schaffen es auf’s Treppchen. Rebecca hat großes Talent, nicht nur wegen ihrem perfekten Äußeren, schätzt ihre Ballettlehrerin. Heute studiert sie Logopädie und tanzt nur noch zum Spaß – ein Detail, das die Regisseurin weglässt.

Mehr als hartes Training

Bess Kargman hat als junges Mädchen selbst Ballett getanzt. Verzerrt kann man ihr Bild vom professionellen Ballett nicht bezeichnen, aber vielleicht ein bisschen zu verträumt und romantisch. Zu einer Anstellung an einer Institution hat es bei ihr nicht gereicht. Sie möchte mit ihrer dramatischen preisgekrönten Dokumentation mit Vorurteilen, die über die Ballettszene kursieren, aufräumen. Ballerinas trainieren so hart, wie es nötig ist, so wie in jedem anderen Spitzensport. Deshalb sind sie dünn, obwohl sie viel essen. Ohne hohe Kalorienzufuhr wäre tägliches Training auch nicht zu bewältigen.

Hohe und noch höhere Sprünge Bild: Filmladen Filmverleih

Hohe und noch höhere Sprünge
Bild: Filmladen Filmverleih

Das bedeutet nicht, dass es keinen Ernährungsplan gibt. Die Mutter der 12-jährigen Miko achtet penibel darauf, dass ihre Kinder – denn auch Mikos Bruder Jules tanzt – gesund und fettarm isst. Auf den Tisch kommen also Brokkoli und Magerjoghurt. Mutter und Vater halten die Diät selbstverständlich auch ein.

Alles muss stimmen: Physiologie, Technik und die Größe des Portemonnaies 

Der Körper ist alles. Ohne perfekte Technik und genügend Geld hat keiner eine Chance. 15 000 bis 20 000 US-Dollar kostet ungefähr ein Tutu, jedes handgemacht und nicht von der Stange. Michaelas Mutter muss zusätzlich die hellen transparenten Gazestoffteile der Kleider braun einfärben, denn die Haut ihrer Tochter ist nun einmal dunkler. Die Schuhe sind meistens nach einem Tag kaputt und der Ballettunterricht ist auch nicht günstig. Dazu kommen noch die täglichen Verletzungen, die versorgt werden müssen. „Meine Kinder arbeiten härter als ich.“, gesteht Miko und Jules Vater. Es ist Hingabe, die die jungen Tänzer leitet – für einen Traum, der wie alle Träume, ohne Sicherheit Wirklichkeit wird oder Fiktion bleibt.

First Position versucht die Zuseher mit Faszination für den Ballettsport zu infizieren und ihn zu entmystiphizieren. Am Ende des Films ist man auf jeden Fall voll Bewunderung für die Disziplin und harte Arbeit der Balletttänzer. Übrig bleibt die Frage, ob es das wert ist.

 

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