Die oder das Premium?

Wer Premium nicht kennt, ist selber schuld! – Stimmt eigentlich nicht, es ist gar nicht so einfach auf dieses (für Deutsche: diese) Cola zu stoßen. Gerade in Österreich ist da eher noch Ebbe angesagt. Wenn es aber einmal so weit ist, ist es für die Meisten Liebe auf den ersten Blick.

Dabei ist Premium nicht einfach nur ein Cola – es ist der Versuch zu zeigen, dass es auch anders geht. Dass man auch mit fairen und egalitären Mittel einen Betrieb führen kann. Natürlich hat sich Biorama (so wie andere) schon einmal mit diesem nachhaltigen und progressiven Cola aus Hamburg auseinandergesetzt. Aber das Projekt lebt und entwickelt sich, weshalb wir uns mal wieder beim „Chef“ Uwe Lübbermann gemeldet haben. Uwe hat uns freundlich und wortreich (dafür nur virtuell) empfangen:

Nun gibt es euch schon seit 8 Jahren und immer noch seid ihr der Underdog – soll sich das jemals ändern?

Am 23.11. sind es sogar neun Jahre, und Premium kennt immer noch kein Schwein, Systemrelevanz sieht wirklich anders aus. Diese Lage hat natürlich Gründe.

Speziell in den ersten Jahren haben wir uns bewusst sehr viel Zeit beim Aufbau und der Entwicklung unseres alternativen Wirtschaftsansatzes gelassen, damit der auch richtig was taugt. Premium wird außerdem von einem Kollektiv aus über hundert Leuten gesteuert, was teilweise entsprechend lange Diskussionen bedeutet; für die tatsächliche Arbeit stehen aber wechselweise nur eine bis vier handvoll Aktive zur Verfügung; stell dir das wie eine Art riesige WG vor. Dann sind wir natürlich u.a. auf die Mithilfe von Kunden vor Ort angewiesen, die aber oft gar nicht wissen wie die Hilfe genau aussehen soll, weil Wirtschaft für viele irgendwie eine Black Box ist die plötzlich Produkte vor die Haustür zaubert – dabei wirkt sich alles was du tust oder nicht tust irgendwo aus. Das zur Erklärung.

Wir haben aber gerade auf unserem Jahrestreffen 2010 erstmals das Wort „verbreiten“ in unser Oberziel geschrieben, und kämpfen nun gerade intern wie das genau aussehen könnte. Bessere Hilfe für die o.g. mithelfenden Kunden gehört auf jeden Fall dazu. Die Handlungsfelder „Professionalisieren“ und „Kommunizieren“ sind schon seit letztem Jahr dabei, in beiden ist schon einiges passiert, in beiden gibt es noch viel zu tun.
Ich persönlich würde sagen, wir haben schon einiges mehr an virtuellem Einfluss gewonnen über Medienberichte, Kooperationen, Gastvorträge und relativ viel Präsenz im Netz, aber die reale Verbreitung hält da noch lange nicht mit. Das soll definitiv anders werden.

Habt ihr überhaupt ein Interesse daran euch zu professionalisieren, mehr Flaschen zu verkaufen – einfach größer zu werden?

Ja. Allerdings stecken da nicht Mengen- oder Umsatzgeilheit dahinter; der Grund ist vielmehr die Erkenntnis dass ein Systemwandel nicht nur virtuellen Einfluss braucht, sondern auch Schwung in der echten Welt. Je weiter da unsere Struktur und unsere Einflussmöglichkeiten reichen, je mehr Möglichkeiten auch finanziell da sind, desto besser können wir den Beweis führen dass Moral und Wirtschaft zusammen funktionieren können. Wirklich geglaubt und nachgemacht wird das von den „normalen“ Unternehmen da draußen nämlich erst mit ein paar Prozent Marktanteil statt (wie jetzt) etwa einem halben Promille in dem ziemlich großen Segment Cola. Das gibt es, können wir nicht ändern, aber wir wollen da auf jeden Fall noch ein paar Verbesserungs-Anteile herausschneiden.

Ihr arbeitet von keinem fixen Büro aus – wie schafft ihr es bei euren ausgelagerten Arbeiten den Überblick zu bewahren?

Gute Frage. Du hast ja unsere Netzwerk-Grafik gesehen … die aufzumalen hat nur ein paar Minuten gedauert, mir persönlich fällt das mit dem Überblick nicht so schwer, aber es geht sicher auch mal was unter oder verloren. Andererseits läuft das System insgesamt, andere Hersteller gleicher Größe sind anscheinend verplanter, keine Ahnung – ich würde sagen, ein ernstgemeintes Interesse für das Wohlergehen aller Beteiligten im Netzwerk reicht, dann kriegt man vieles ganz automatisch mit. Ansonsten helfen ein Mailprogramm mit unbegrenztem Speicher, eine Landkarte und Fingerspitzengefühl beim Lösen von Konflikten, außerdem helfen natürlich „externe“ Leute die von selber mitdenken. Die Unterscheidung in intern und extern ist aus meiner Sicht aber sowieso überholt, denn wie gesagt, alles was du tust oder nicht tust …

Was würdest du tun, wenn – sagen wir – McDonalds dir einen Job als Nachhaltigkeitsbeauftragter geben würde?

Klare Sache: ich würde versuchen herauszufinden, wie ernst die Verantwortlichen den Job meinen und welche Möglichkeiten damit verbunden wären. Eine Alibi-Rolle wäre nichts für mich, ich will was verbessern, und ich glaube dass der Markt langfristig Unternehmen belohnt die das auch tun. Große Strukturen kann man natürlich nicht von heute auf morgen umkrempeln, dafür hängen auch zu viele Jobs dran, aber schon kleine Veränderungen können enorme Hebelwirkungen entfalten. Sowas liegt mir; wenn die o.g. Parameter stimmen würde ich zusagen.

Vorletzte Woche durfte ich z.B. 14 europäischen Social Banks beim Institute for social-banking.org erzählen was ich in deren Marketing anders machen würde, und die waren ziemlich angetan davon. Vielleicht mache ich ja in ein paar Jahren nur noch sowas, wer weiß. Oder noch was ganz anderes.

Die Idee hinter der Frage war: In wie weit sollte ein Projekt wie Premium-Cola mit großen Konzernen zusammenarbeiten?

Größe ist zumindest aus meiner Sicht noch kein Fehler, es gibt eine Reihe Unternehmen die sie auf faire und nachhaltige Weise erreichen, es gibt auch richtig fiese kleine Abzocker. Natürlich greifen ab einer gewissen Größe und damit Rechtsform leider oft verstärkt Shareholder- statt Stakeholder-Interessen, aber das bedeutet letztlich nur dass Shareholder ihren Ertrag auch über den kurzfristigem Gewinn hinaus bewerten sollten. Also, Größe ist an sich noch kein Fehler, nur häufig ein Signal für die Entfremdung von Shareholdern und Stakeholdern. Das muss man sich im Einzelfall anschauen.

Ihr seid ja nicht gerade als beinharte Businessleute verschrien. Werdet ihr öfter übers Ohr gehaut?

Erfreulicherweise nicht. Es gab in fast neun Jahren genau einen Totalausfall bei einer Rechnung, und selbst da war es noch höhere Gewalt weil ein Todesfall dahinter steckte. Ein ziemlich asiger Spediteur hat mal zwei Kisten selbst ausgetrunken und nicht ausgeglichen, aber das war es schon fast – wir haben gerade durch unsere Konsens-orientierte Art fast nie Probleme mit böswilligen Schädigern … und wenn, dann kriegen wir es auch (mit entsprechenden Bauchschmerzen) hin, schnelle Schnitte zu machen. Ein neuer Kollege hatte z.B. mal 40 Euro aus einer Bar-Kasse privat ausgegeben und uns dann lapidar darüber „informiert“, von dem haben wir uns dann eben getrennt. Es gibt natürlich kommerzielle Mitbewerber die versucht haben uns mit Aggro-Methoden aus manchen Läden zu drücken. Das haben wir einfach auf unserer Webseite transparent gemacht, seitdem ist das auch vorbei oder findet eben verdeckter statt. Sowas ist wohl „normal“.

Was eher ein Problem darstellt: wir sind sehr sehr treu zu unseren Lieferanten, teilweise über ein Maß hinaus das uns selber schadet, z.B. bei Partnern die die Qualität von Etiketten einfach nicht in den Griff kriegen, das aber immer wieder glaubhaft versprechen. Da sind wir evtl. zu weich, aber mutwillig geschädigt werden wir eigentlich nie, oder wir kriegen das nur nicht mit, kann ja auch sein. (Lacht)

Es war jetzt immer wieder von Festivals die Rede – auf was für ein Festival würde Premium Cola passen?

Da fällt mir zuerst das holzrock.de ein – denen hatten wir einen Lohnverzicht unsererseits angeboten um ihren Einkaufspreis etwas zu senken, denn da bei uns alles bis zu festen Anteilen pro einzelner Flasche kalkuliert ist war das der einzige Weg. Den Lohnverzicht haben sie aber abgelehnt und voll bezahlt.

Wann kommt der Premium-Kaffee und wie wird er schmecken?

Geplant ist der Start im November, den Geschmack suchen wir nächste Woche zusammen mit dem Röster und Importeur aus. Der macht übrigens einen entscheidenden Unterschied: er setzt nicht einfach den Fairtrade-Preis an der seit Jahren unverändert ist und im Moment sowieso vom Preis des konventionellen Kaffees überboten wird, sondern er verhandelt die Preise im Konsens mit den Bauern. So wie sichs eben gehört.

Diskussionen in basisdemokratischen Strukturen können sich ja in die Länge ziehen. Insbesondere ein Konsensprinzip muss das ja sehr anstrengend sein. Wie geht euer Entscheidungsfindungsprozess vonstatten?

Basisdemokratie ist ein guter Weg, um Minderheiten zu unterdrücken. In unserem Modell könnten so z.B. 100 Kunden 10 Händler mehrheitsmäßig legitimiert im Preis drücken bis sie Pleite gehen. Zur Konsensdemokratie gibt es daher aus unserer Sicht kaum eine Alternative, wir überlegen aber schon länger eine Form in der nur noch Betroffene von Entscheidungen ein Vetorecht haben, sonst wird das nämlich relativ leicht für alle möglichen (grafischen) Geschmacksfragen oder Themen wie Religionsneutralität und ellenlange Sexismus-Debatten unter Männern zum Bumerang. Insgesamt stehe ich aber zu dem Verfahren, weil man so alle Meinungen aller Beteiligten hinzuziehen und zu ebenso klugen wie dauerhaft stabilen Lösungen kommen kann.

Trotz aller Bemühungen konsenusal und gerecht zu sein bewegt ihr euch aber klar innerhalb der linien des Kapitalismus – kann es eine bessere Welt im momentanen System geben?

Muss es. Wir werden das System nicht auswechseln können, dafür sind wir zu klein, und ich wüsste auch gar nicht wie ein alternatives Gesamtsystem aussehen sollte das wirklich funktioniert. Also müssen wir aus dem vorhandenen System das bestmögliche machen bzw. eine Menge verbessern. Die Grenzen kann man dabei übrigens verschieben, denn es gilt ja z.B. als Marktgesetz dass die Menge den Preis bestimmt. Bei uns gibt es aber bewusst Anti-Mengenrabatte für kleine Händler. Weiter gibt es z.B. als normal, dass ein Chef allein bestimmt wo es langgeht, auch das ist bei uns anders … in diesem System ist noch viel Raum für Verbesserungen.

Ist eure Art euch als Kollektiv zu organisieren und zu arbeiten auf alle Geschäftsfelder übertragbar?

Das kommt auf die Umsetzung an würde ich sagen. Es gibt ja z.B. Geschäftsfelder, die schnell handeln und mit großen Menschengruppen reibungslos funktionieren müssen, etwa zum Zeitpunkt einer Veranstaltung – da kann dann nicht jedes Rad im Getriebe zwischendurch anhalten und einen Konsens neu diskutieren. Vorher oder nachher geht das allerdings schon und könnte sehr viel Umsetzungswissen an die entscheidenden Personen vermitteln, umgekehrt auch jedem Rad im Getriebe die Gründe und Auswirkungen der jeweiligen Funktion sodass sie besser erfüllt werden kann, und alle auf Augenhöhe behandeln … letztlich geht es nur darum, und ich glaube persönlich dass der Konsens-orientierte Ansatz fast überall effektiv was bringt. Außer beim Militär vielleicht. (Lacht)

Ein Punkt der mir persönlich besonders aufstößt ist übrigens das mangelnde Systembewusstsein von manchen Politikern die über Gesamtsysteme entscheiden. Das deutsche Gesundheitssystem ist so ein Beispiel, enorm relevant, hochgradig komplex, und dennoch wird versucht mit einfachsten Methoden wie Zusatzbeiträgen pro Kopf unabhängig vom Einkommen an den Fehlern statt den Ursachen des Systems herumzubasteln. Wenn ich mal irgendwann finanziell abgesichert bin gehe ich evtl. in die Politik – aber wohl erst dann, denn für die nachhaltige Erfüllung solcher Funktionen sollten eigene finanzielle (Wiederwahl-)Interessen komplett ausgeschaltet sein.

Ihr wollt ja in erster Linie eine Vorbildfunktion haben. Wer ist eurem Beispiel zu wirtschaften schon gefolgt?

Wir haben den jeweiligen Entwicklungsstand des Systems bewusst in Einzelmodule zerlegt und die auf unserer Homepage unter Open Franchise (du kannst alles benutzen, musst nur sagen woher die Ansätze kommen) bereitgestellt. Das haben bisher ein Zahnbürsten-Hersteller namens SWAK und ein T-Shirt-Hersteller namens Made in Neukölln genutzt, der Transfer in andere Branchen findet also (wenn auch langsam mangels Bekanntheit) schon statt. Effektiver sind wir bisher innerhalb der Getränkewelt u.a. durch Kooperationen mit einer ganzen Reihe anderer Hersteller, die zum Teil ihre Produkte komplett in unsere Hände legen, sich mehr oder weniger Scheiben von der Arbeitsweise abschneiden oder „nur“ seit Jahren als Kooperationspartner dabei sind. Ungefähr in der Reihenfolge der Intensität sind das folgende Partner: Mojo-Cola, Costa Rica Cola, Leetmate, Hermann-Kola und Hausmarke Kaffee-Cola, Flora-Power/Rhabarberschorle, Charitea & Lemonaid, Viva con Agua, Drink Skull, Cola Rebell, BIERbier, Riesperle Gschbusi, Wostok, …

Welche anderen Wege wollt ihr gehen als nur alles richtig zu machen und darauf zu warten, dass es die anderen auch tun ?

Alles richtig schaffen wir sicher auch nicht, eher vielleicht „bestmöglich“. Das ist tatsächlich der Kern des Gesamtwerks Premium. Die Frage trifft daher mitten in unsere aktuelle Entwicklung, es steht ja erstmals das Wort „verbreiten“ im Oberziel. Das wollen wir aber nicht mit den Geldern unserer Kunden finanzieren, und diesen auch nicht mit platter Werbung auf den Wecker gehen. Wie dann verbreiten? Ein schwieriges Thema, das gerade intern diskutiert wird. Es gibt erste Ansätze, aber noch keine Lösung. Vielleicht muss jemand von außen helfen der oder die nicht so tief drinsteckt.

Und wie könnte nun „jemand von außen“ mitmachen? (Gerade Östereich ist ja noch eher Premium-Wüste.)

Das hängt von den Fans ab. Premium ist ein Mitmach-Netzwerk, das eben so verbreitet ist wie es Leute gibt, die mitmachen. Österreich ist da leider bisher sehr passiv, wir haben aber keine andere Wahl als zu warten, sind nämlich immer noch viel zu klein um festangestellte Außendienstler zu bezahlen. Der Aufbau läuft nur über die überzeugten Kunden: wer in seiner oder ihrer Stadt Premium vermisst rührt sich bei uns, bekommt einen Leitfaden wie man das ändert sowie ein Infopaket mit Musterflaschen, überzeugt damit ein paar passende Läden, mit denen wiederum ein Händler überzeugt werden kann die Versorgung zu übernehmen. Das mit dem Händler klären dann meist wir, aber ohne jemand vor Ort der oder die sich vorher die Läden kümmert kann eben nichts gestartet werden. Wir nutzen also mangels Alternative die Kunden für den Aufbau, geben ihnen aber auch das Steuer in die Hand vor Ort, und beteiligten sie an allem was sich durch ihren Einsatz bewegt mit vier Cent je Flasche und 96 Cent je Kiste. Davon wird niemand reich, aber für die Läden-Bekümmerung landen nach der anfänglichen Aufbauphase im Durchschnitt 50 Euro pro Monat bei dem jeweiligen Fan, je nachdem wie aktiv er oder sie eben ist. Mitbestimmung in der Mailingliste zu allen Unternehmensfragen ist dann natürlich auch drin. Premium ist quasi eine Open Source Marke, die Menschen dort packt wo es manchmal auch wehtut: die Welt verbessert sich nicht von allein, da muss und kann man aber recht einfach was machen.

Uwe Lübbermann ist offiziell Leiter der Firma Premium, organisiert ist sie aber als Kollektiv. Vor 10 Jahren haben sich frustrierte Afri-Cola Fans daran gemacht, die veränderte Rezeptur wie früher (und das heißt mit viel Koffein) nachzubrauen. Daraus hat sich ein Projekt entwickelt, dass sich gegen die Logik von Ausbeutung und Kommerzialisierung stellt.

Die Fragen stellte Imre Withalm.

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