Die Krise der Kindheit

Umwelterziehung und Erziehungsphilosophie sind die großen Themen des Buchautors Helmut Schreier. In seinem jüngsten Essay stehen Kindheit, Natur und die „Systemverzerrung zugunsten der Pharmaindustrie“ im Mittelpunkt.

Die Distanz zur Natur wird größer, gerade bei Kindern. Viele von ihnen verbringen mehrere Stunden täglich vor Bildschirmen, anstatt barfuss durch einen Bach zu waten, Pilze im Wald zu suchen oder sich ein eigenes Waldhäuschen zu bauen. Die „Natur“ kennen sie nur noch aus Fernsehserien. Nicht zufällig geht diese Entfremdung Hand in Hand mit einer wachsenden Zahl an fettleibigen, auffälligen, allergischen, für Krankheiten anfälligeren Kindern.

Hier setzt Helmut Schreiers kluger Essay an, der die Diskussion um unseren Umgang mit Kindern neu entfachen möchte. Die permanente Reizüberflutung, fehlende Nähe zu den Eltern und der geringe Kontakt zur Natur, sind die Ursachen für eine katastrophale Fehlentwicklung, die Schreier als Krise der Kindheit bezeichnet: „Das ganze hängt offenbar deshalb mit einer Krise zusammen, da es auch aus medizinischer Sicht als Krankheit gedeutet wird.“ Denn immer mehr Kinder werden aufgrund ihrer nicht der Norm entsprechenden Verhaltensweisen medikamentös behandelt. Die Pädagogik sieht sich nicht mehr imstande jedes Kind abzuholen, ihm die nötige Aufmerksamkeit zu geben oder für Wissen zu begeistern und reicht dieses Problem an die Medizin weiter. Anstatt auf die Bedürfnisse der Heranwachsenden einzugehen, werden nur Symptome von gesellschaftlich hervorgebrachten Verhaltensweisen behandelt. Dass bereits ein Waldspaziergang genauso hilft wie das gegen ADHS verschriebene Ritalin (ein Speed-Derivat), wird nicht zuletzt durch die vielen einseitigen wissenschaftlichen Studien vernachlässigt. Diese untersuchen leider meist nur die pharmakologische Wirkung der Medikamente/Drogen. Schreier nennt es „eine Systemverzerrung zugunsten der Pharmaindustrie“. Dagegen will er mit seinem Buch Einspruch erheben. „Es ist keine Krankheit, sondern Symptom einer ganzen Gesellschaft. An den Kindern wird etwas sichtbar, dass uns alle betrifft. Eine Entfernung von einer Verlässlichkeit, die vorher auf irgendeiner Weise auf der Welt da war.“

Plädoyer für eine neue Naturnähe

Schreiers These: Nur die Nähe zur Natur macht uns zu zufriedenen, aufmerksamen, gesunden Wesen. Durch den Wald zu spazieren und den Vögeln zuzuhören, das Rauschen der Blätter zu vernehmen, an einem Fluss entlang zu gehen, wo es überall eine ganze Welt zu entdecken gibt, haben längerfristig eine heilendere und beruhingendere Wirkung als jedes gegen ADHS verschriebene Medikament. „Krise der Kindheit“ ist nicht nur ein spannendes und wichtiges Buch für Eltern, sondern für alle, die sich für die Zukunft dieser Gesellschaft verantwortlich fühlen. Eine Zukunft in der die Natur Teil unseres Lebens ist.

 

Helmut Schreier im Gespräch: http://youtu.be/0M7_OsQeB3k

„Krise der Kindheit. Warum wir in die Natur zurückfinden müssen“ von Helmut Schreier ist im Verlag Rogner & Bernhard erschienen.

 

 

 

VERWANDTE ARTIKEL