Ein Schiff wird kommen

Die Ballade vom Seemann und vom Albatros als Gleichnis für den Klimawandel.

Die Weltmeere sind leer, verdreckt, doch uns kümmert’s kaum. Kann man es Nick Hayes da verübeln, dass das Meer bei ihm nicht nur salzig, sondern auch etwas moralinsauer schmeckt? Es ist ein großes Thema, dem sich der 30-jährige Londoner Autor und Cartoonist (»Guardian«) gleich in seiner ersten Graphic Novel gewidmet hat: der Entfremdung des Menschen vor der, nein: vor seiner Natur und dem Preis, den er dafür zu zahlen hat. Frei nach der berühmten romantischen Ballade von Coleridge (»The Rime of The Ancient Mariner«) lässt er eine archaische Kraft in unsere urbane Zerstreutheit einbrechen:

Ein Mann in der Mittagspause. Eigentlich möchte er im Park nur sein Sandwich essen, am Blackberry herumfingern. Da belästigt ihn ein Fremder mit seiner abenteuerlichen Geschichte. Unbekümmert hat er auf hoher See einen Albatros getötet. Poseidons Rache an ihm und seiner Crew ist unerbittlich. Er zieht ihn hinab in einem Strudel aus Plastik, Styropor und Müll. Die Moral von der Geschichte wäre offensichtlich. Dass die Ballade trotzdem nicht zum Betroffenheitspamphlet geriet, sondern zum opulenten Meisterwerk, verdankt sie neben ihrer archaischen Form einem interessanten Gegensatz. So straff die Komposition, so verdichtet die Sprache, so überschäumend die Fantasie und das entgrenzte Raumgefühl der Erzählung. Dieser ganz eigenen Düsternis, den bedrückenden Bildern, auch der fabelhaften Übersetzung von Henning Ahrens kann man sich nicht entziehen.

»Die Ballade von Seemann und Albatros« von Nick Hayes ist im Hamburger Mare Verlag erschienen.

www.foghornhayes.co.uk


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