Deine Schuhe? Made in Vietnam.

(c) Ueberreuter Verlag

(c) Ueberreuter Verlag

Mit „Made in Vietnam“ hat Carolin Philipps ein Buch geschrieben, das wohl niemanden kalt lässt: In einer packenden Geschichte wird von der 14jährigen Lan erzählt, einem vietnamesischen Mädchen, das gezwungen ist, unter unmenschlichen Bedingungen in einer Schuhfabrik zu arbeiten. Sie ist eine der unzähligen jungen Menschen, die an der Produktion von Markensportschuhen für die westliche Welt beteiligt sind und ausgebeutet werden. Es sind jene Schuhe, die auch viele von uns gedankenlos kaufen und an den Füßen tragen, ohne die Herstellungsbedingungen zu hinterfragen.

„Lan wird niemals so viel Geld besitzen, um sich solche Schuhe kaufen zu können. Für ein Paar müsste sie sechs Monate lang ihren gesamten Verdienst sparen.“ Lans größter Wunsch sind keine neuen Sportschuhe. Sie möchte etwas lernen, in die Schule gehen. Ihre Familie, die Reisfelder bewirtschaftet, ist nach einem Ernteausfall jedoch gerade auf ihren – für uns ohnehin mickrig erscheinenden – Lohn angewiesen. Die ArbeiterInnen in der Schuhfabrik, viele darunter unter vierzehn Jahre alt, nähen täglich viele Stunden lang bis spät in die Nacht hinein und dürfen keine Müdigkeit zeigen. Wer einschläft, muss mit harten Konsequenzen rechnen – von der Folter bis zur Kündigung. Die widrigen Arbeitsbedingungen, unbezahlte Überstunden, zu wenig Essen und noch weniger Schlaf, werden von allen schweigend hingenommen, um den Job nicht zu verlieren, schließlich geht es nicht um das Einzelschicksal, es werden vielmehr ganze Familien ernährt.

Als auch Lans Lohn nicht mehr zum Leben reicht, wird ihre jüngere Schwester ebenfalls in die Schuhfabrik geschickt. Durch einen Zufall kommt Lan mit der Familie des gnadenlosen Fabriksbesitzers in Kontakt und kann ihre Position verbessern: Als der Großvater bemerkt, dass sich Lan mit Schlangen auskennt, setzt er sie immer häufiger als Helferin bei der Schlangenzucht ein. Bald erkennt Lan, dass sich der Großvater von seinen geldgierigen, im Luxus lebenden Angehörigen losgesagt hat. Hier findet eine Diskussion um Werte und den gesellschaftlichen Wandel statt, die im Vietnam vor allem zwischen der alten und der jungen Generation geführt wird: Der alte Widerstandskämpfer aus dem Vietnamkrieg gegen die USA gegen seinen neureichen, an westlichen Werten orientierten Sohn.

Lans Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Mädchen nur noch selten zu Gesicht bekommen, werden bald misstrauisch und fürchten, sie würden von ihr verraten – seit längerem wird nämlich ein Aufstand geplant. Als sich schließlich ein deutscher Arbeitsinspektor ankündigt, um die Fabrik zu besichtigen, bietet Lan ihre Hilfe an. Es muss verhindert werden, dass die Firma aufgrund scheinbar fairer Arbeitsbedingungen ein Gütesiegel erhält. Nur zögerlich trauen die Arbeiterinnen dem Mädchen, das sie nicht mehr beim Nähen sehen, aber sie ist die einzige, die den Kontrolleur direkt auf die schrecklichen Arbeitsbedingungen aufmerksam machen kann. In einem spannenden Finale bangt man um Lan, doch im letzten Moment gelingt das Vorhaben tatsächlich …

Man könnte kritisieren, dass es sich bei „Made in Vietnam“ um keine Reportage handelt und Story sowie Personen frei erfunden sind: Dieses Buch ist jedoch höchst wertvoll, da es die real existierenden menschenunwürdigen Zustände anspricht, die viele Menschen weltweit – in gewisser Weise für uns – ertragen müssen. Die Historikerin und Anglistin Carolin Philipps ist mit einem Vietnamesen verheiratet und man darf annehmen, dass sie sich vor der Niederschrift mit den Lebensbedingungen im Vietnam vertraut gemacht hat. Und wenn auch nur Teile der Geschichte das widerspiegeln, was sich in der Wirklichkeit abspielt, so muss man der Autorin diesen Versuch, junge Menschen wachzurütteln, hoch anrechnen. Ob man auch nach der Lektüre noch unüberlegt zu lässigen 4-Euro-T-Shirts und den neuesten Sneakers greift? Ich wage es zu bezweifeln. Vielmehr werden einige eine brennende Frage mehr haben: „Was kann man dagegen tun?“

„Made in Vietnam“ von Carolin Philipps ist im Ueberreuter Verlag erschienen. 144 Seiten. Für Kinder ab 14 Jahren.

Blickpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit:

Papier: aus geprüfter nachhaltiger Forstwirtschaft, geliefert von Salzer Papier, St. Pölten
Druckfarben: keine Angabe
Druck und Bindung: Print Consult, München (Deutschland)

 

VERWANDTE ARTIKEL