Die genau andere Richtung – Zu Gast bei Clara Luzia

Ein Hausbesuch bei Clara Luzia: Die österreichische Musikerin und Amadeus-Preisträgerin serviert uns Karottensuppe, Fenchel mit Erdäpfeln und am Plattenteller die Testpressung ihres neuen, vielleicht letzten Albums »Here’s To Nemesis«.

Clara Humpel, so heißt Clara Luzia mit bürgerlichem Namen, schaut misstrauisch in den Plastikaufsatz ihres Küchengeräts. »Immer wenn mir ein Essen gelingt, werde ich total übermütig. Dann glaub ich, es beim nächsten Mal verbessern zu können.« Die Musikerin versucht sich gerade an einer Karottensuppe, die sie gestern noch rezeptgetreu mit Orangen verfeinert hat. Heute, beim BIORAMA-Hausbesuch, sind die Orangen aus. »Ich hab mir gedacht, ich probier es mal mit Äpfeln.« Doch das Ergebnis entspricht als dicker Brei nicht ganz ihren Erwartungen: »Da müsst’s jetzt durch«, sagt sie augenzwinkernd.

Clara hat uns zu sich in ihre Wohnung in einem 50er-Jahre-Bau geladen. Dort, im 20. Wiener Gemeindebezirk, lebt sie schon, seit sie 1997 zum Studieren nach Wien gekommen ist – seit einigen Jahren nun gemeinsam mit Ehefrau Cathi Priemer und Hund Lotti. Ursprünglich waren hier ihre Großeltern zuhause. Neben Musikinstrumenten und -abspielgeräten stechen in der Drei-Zimmer-Wohnung deshalb auch sehr schöne alte Möbel ins Auge. »Die sind noch von der Oma«, erklärt Clara.

Dass sie für uns in ihrer Küche steht und Zwiebel zerkleinert, liegt daran, dass im Oktober ihr neues Album »Here’s To Nemesis« erscheint. »Wir haben nur mehr im Trio gespielt, also nur mehr Bass, Gitarre, Schlagzeug. Und mir kommt die Platte – gerade im Vergleich zur letzten – recht fokussiert vor. Damals habe ich gesagt: ›Ich will, dass wir das alle gemeinsam machen.‹ Für die neue Platte wollte ich in die genau andere Richtung gehen: Ich such mir einen Produzenten und mit dem – und mit sonst niemandem – arbeite ich daran. Weil: Zu viele Köchinnen … Das stimmt halt leider. Es kann schon gut sein, aber es ist dann eben oft der kleinste gemeinsame Nenner.«

Nach der Suppe soll es Fenchel mit Erdäpfeln geben. »Das hat die Mama früher immer gemacht. Mit Fisch halt, ich ess es als Hauptspeise. Das war mein erstes Rezept, das koch ich jetzt seit 15 Jahren – wobei: Es schmeckt eh jedes Mal noch ein bissl anders.« Im niederösterreichischen Weinviertel aufgewachsen, hat es bei den Eltern immer schon wenig Fleisch und viel Gemüse gegeben. Bei einer Schulfreundin, deren Familie Schweinebauern waren, hat Clara dann gesehen, wie die Tiere gehalten werden. »Für heutige Verhältnisse hatten die es eh traumhaft. Weil damals wurde ja noch am Hof geschlachtet und es gab wenigstens keine großen Transporte. Ich war jedenfalls entsetzt. Die Tiere sind nie draußen gewesen. ››Das ist ja ein Wahnsinn!‹, hab ich mir gedacht. Und dann hab ich sie halt beim Schlachten schreien gehört …« Das war’s dann mit dem Fleischessen.

Seit drei, vier Jahren lebt die Musikerin nun vegan. »Aber ich bin jetzt nicht dogmatisch. Grad auf Tour. Ich bin nicht so eine gute Organisatorin, dass ich mir das Essen für die nächsten drei Wochen mitnehmen würde. Und da ess ich schon öfters auch vegetarisch. Also, da gibt es sicher Korrektere als mich. Bei vielen Sachen weiß ich es halt auch nicht. Jetzt hab ich zum Beispiel erfahren, dass der Kleber in den Schuhen nicht vegan ist. Es ist einem ja leider nicht so klar, dass da überall Viechzeug drinnen ist.«

Sojasachen und Fleischbrocken

Und dann gibt es ja noch die beiden Mitbewohner: »Also die Cathi isst Fleisch, und unser Hund isst Fleisch. Das kommt mir auch immer komisch vor, wenn ich da meine Sojasachen einkaufen geh und dann kommen die Fleischbrocken für den Hund … Wir haben Lotti aus dem Tierheim und die isst uns halt nix anderes. Ich hätte sie, glaub ich, nicht vegan ernährt, aber ich hab schon am Anfang mehr probiert – mit Gemüse und Flocken und so. Aber das rührt sie nicht an. Wie gesagt: Mir ist schon klar, dass das nicht ganz stringent ist … Und die Cathi ist halt das ganze Gegenteil von mir: Ich war recht früh Vegetarierin, und sie ist damit aufgewachsen, dass es jeden Tag Fleisch gibt. Und wenn sie kein Fleisch isst, schlägt ihr das auf’s Gemüt. Ich vermiss es halt überhaupt nicht.«

Beim Essen im Wohnzimmer dreht sich die Testpressung des neuen Albums auf dem Plattenspieler. Versierter Songwriter-Pop, mal mit richtig Punch, mal nachdenklich vorgetragen – ganz so wie man es von Clara Luzia gewohnt ist und schätzt. »Also meistens sag ich: ›Ja, passt eh.‹ Aber mit der neuen Platte bin ich wirklich sehr zufrieden.« Ob sich neben der künstlerischen Zufriedenheit endlich auch der nötige kommerzielle Erfolg einstellt, wird sich zeigen. Zwar ist Clara Luzia nach landläufiger Einschätzung »erfolgreich« – ihre Musik wird von Kritikern gelobt, von den coolen Radiostationen gespielt, immer wieder geht sie auf Tour und wird für Konzerte gebucht –, tatsächlich passiert das allerdings, gar nicht unüblich, unter eher prekären Bedingungen. Und das obwohl die Musik auf ihrem eigenen Label Asinella Records erscheint und ihre Arbeit daher keinen großen Apparat durchfüttern muss.

Ob sie sich denn vorstellen könne, ewig auf diesem Level weiterzumachen? »Nein, ich glaub auch, dass das meine letzte Platte ist. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich das für mich beschlossen habe, ging es mir so viel besser. Dann hat es mir auch wieder Spaß gemacht – davor war ein bisschen die Luft draußen. Ich meißle da jetzt nix in Stein, aber es fühlt sich grundsätzlich nicht schlecht an, zu sagen, es ist die letzte.«

»Man muss halt recht viel dafür tun und es kommt nicht so viel dabei rum – da stimmt die Balance nicht ganz, um das ewig auf dem Niveau zu machen«, sagt sie und wirkt – nach ihrem Kocheinsatz für BIORAMA – tatsächlich mit sich und ihrer Entscheidung im Reinen. Dass die Karottensuppe in ihrer unbekümmerten Variation auch mit Äpfeln gelungen ist, passt da wunderbar ins Bild.

»Here’s To Nemesis« erscheint am 9. Oktober auf Clara Luzias eigenem Label Asinella Records. Konzerte Ende 2015 / Anfang 2016 führen die Musikerin durch ganz Österreich, Deutschland und in die Schweiz.

VERWANDTE ARTIKEL