»Mit dem Rücken zur Wand ist es oft schon zu spät«

 

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Die Enkelin von Jaques-Yves Cousteau produziert Umwelt-Filme für NGOs. Gerade ist Celine Cousteau zu Gast bei den Wiener Erdgesprächen. BIORAMA hat die Wahl-Kalifornierin vorab zum Skype-Interview getroffen. 

Was sind die Vorteile von Film als Medium, um Politik- und Umwelt-Anliegen zu promoten?

Die Kraft von Bildern ist sehr stark, wir sind visuelle Kreaturen. Film ist eine großartige Art und Weise, Menschen wirklich in eine Geschichte eintauchen zu lassen. Wir brauchen mehr Geschichtenerzähler und nicht nur im Film. Wir brauchen mehr Geschichtenerzähler, die von humanitären und Umwelt-Herausforderungen erzählen. Wir brauchen Sänger und Songwriter. Wir brauchen Tänzer. Wir brauchen Schauspieler. Wir alle haben die Möglichkeit zu sagen: »Hey, schau, ich habe diese Message und darum geht es.«

Stellen sie fest, dass ihre Arbeit der letzten Jahre Veränderungen bewirkt hat?

Was ich sehe, ist eine großartige, kontinuierliche Aufnahme der Botschaft. Ich sehe, dass die Menschen immer noch sehr hoffnungsvoll sind, dass sie immer noch für gute Zwecke kämpfen wollen. Mehr und mehr Menschen stellen die richtigen Fragen. Aber: Wir bewegen uns langsam. Wir verstehen langsam. Und wir verändern uns langsam. Darum denke ich, dass wir weitermachen müssen.

Können wir als Gesellschaft überhaupt schnell genug Veränderungen bewirken, oder sind wir zu langsam, um auf die großen Krisen zu reagieren?

Da gibt es einen Gletscherforscher, an den ich immer denke, wenn ich diese Frage gestellt bekomme: Lonnie Thompson. Ich bin mit ihm in Peru auf dem Qori Kalis-Gletscher gewandert und habe ihn dort interviewt. Er sagte, unglücklicherweise würden sich die Leute erst ändern, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Und wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, ist es oft schon zu spät. Das liegt daran, dass die Auswirkungen unseres Handelns lange brauchen, um in der Umwelt eine Reaktion auszulösen. Wir sehen jetzt erst die Auswirkungen der Industriellen Revolution, was Emissionen betrifft. Wenn man diese Art der Verzögerung bedenkt, bedeutet das, dass wir heute große Veränderungen bewirken müssen, sonst dauert es noch viel länger, bis wir Auswirkungen sehen. Manche Menschen glauben, dass es einen Kipppunkt gebe, an dem keine Erholung mehr möglich sei. Ich weiß es nicht, ich bin keine Wissenschaftlerin, aber ich glaube, dass wir in der Lage sind, uns zu ändern und dass wir das einfach müssen. Vielleicht sind wir auch bereit dazu, wenn wir realisieren, dass es um Leben und Tod geht.

Sie haben Cause Centric Productions gegründet, um kleinen NGOs zu ermöglichen, ihre Message mit den Mitteln des Films zu erzählen. Daraus ist inzwischen die Celine Cousteau Film Fellowship entstanden. Worum geht es dabei?

Cause Centric Productions wurde ursprünglich erschaffen, um Multimedia Content für kleine Non-Profit-Organisationen, die kein großes Budget haben, zu erstellen. Das war selbst jahrelang eine Non-Profit-Organisation. Inzwischen ist Cause Centric Productions keine Non-Profit-Organisation mehr, weil wir diesen Status eigentlich gar nicht gebraucht haben. Wir können nun kommerzielle Sponsoren nutzen, was uns erlaubt, Spenden von wirtschaftlichen Drittpartnern anzunehmen. Im Non-Profit-Bereich bleibt die neue Celine Cousteau Film Fellowship aktiv, mit der Idee, meinen Namen weiterzugeben und mit der gleichen Philosophie, dass wir als Kollektiv wichtige Stimmen unterstützen können, indem wir visuelle Kommunikationswerkzeuge herstellen.

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Wer arbeitet mit Ihnen? Sind das Freiwillige?

Das sind ich selbst und mein Partner, Çapkin van Alphen. Er ist mein Kameramann, übernimmt die Buchhaltung und er hilft mit der Logistik während der Produktion. Wir zwei arbeiten beinahe Vollzeit. Bei der Celine Cousteau Film Fellowship habe ich mit Adam Benton einen Geschäftsführer, der die Organisation leitet. Die Mitglieder der Fellowship müssen sich bewerben. Im Moment ist das eine bezahlte Mitgliedschaft, aber wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren Stipendien für die Studierenden anbieten können, sodass sie aufgrund ihrer Leistung in die Gemeinschaft aufgenommen werden, und nicht wegen ihrer ökonomischen Möglichkeiten.

Das heisst, man bezahlt dafür, mit Ihnen zu arbeiten. Was kann man denn dabei lernen?

Wir sind keine Filmschule. Wir erwarten, dass sich Bachelor- und Masterabsolventen aus unterschiedlichen Disziplinen bewerben. Also, wer sich für die Kameraführung bewirbt, sollte wissen, wie man filmt. Wer sich für Filmschnitt bewirbt, sollte wissen wie man schneidet. Was wir bieten, sind Möglichkeiten unter unserem Namen zweckorientierte Geschichten zu erzählen, mit voller Ausstattung von Anfang bis Ende.

Und wie sieht es bei Cause Centric Productions mit der Finanzierung aus?

Also im Moment arbeite ich schon seit vier Jahren an einem Film über den brasilianischen Amazonas. Ein Teil der Arbeit ist selbstfinanziert, manches sind Spenden, manches ist geliehen. Für den Filmbearbeitungsprozess haben wir einen einzelnen Spender, also das, was man in den USA einen Angel Donor nennt, gefunden, der sich dafür entschieden hat, diesen Prozess zu finanzieren. Wir suchen noch nach genossenschaftlichen und möglicherweise subventionierten Geldern für unsere Promotion-Kampagne. Dafür werden wir auch eine Crowdfunding-Kampagne starten.

Whale Rescue/Juan Fernandez Archipelago, Chile

Glauben Sie, dass kleine Film-NGOs den großen PR-Kampagnen und dem Lobbying großer Firmen wie Monsanto oder Nestlé unter diesen Bedingungen etwas entgegensetzen können?

Das ist schwierig. Ich würde sagen, ihnen etwas entgegenzusetzen, ist nicht das Ziel. Wenn man nicht dasselbe Budget hat, kann man nicht dieselbe Zahl an Menschen erreichen und typischerweise wird man wahrscheinlich nur sein eigenes Netzwerk erreichen. Und das ist bereits überzeugt von dem, was man tut. Obwohl ich hier wirklich positiv in meiner Antwort klingen möchte, die Wahrheit ist, dass wir durch die Filme nicht einmal unsere Marketingkampagnen refinanzieren können. Es ist eine schwierige Arena, in der wir da spielen.


Celine Cousteau ist als Keynote-Speakerin Gast bei den Wiener Erdgesprächen 2016. 

Die Erdgespräche finden dieses Jahr zum ersten Mal im Wiener Museumsquartier (und nicht in der Hofburg) statt. Das Workshop-Programm findet im Impact Hub statt. 

Erdgespräche 2016
2. und 3. Mai

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