4 ½ Dinge, an denen man ein gutes Lokal erkennt

© Mark Ramsay | Flickr | CC BY 2.0

© Mark Ramsay | Flickr | CC BY 2.0

Das Angebot an Restaurants ist groß, ihr kulinarisches Angebot allerdings oft mehr schlecht als recht. BIORAMA hat Gastrokritiker befragt: Woran erkennt man ein gutes Lokal? Worauf sollte man achten?

Was ein gutes Lokal ausmacht, muss wahrscheinlich jeder für sich entscheiden; persönlicher Geschmack und andere Erfahrungswerte fließen maßgeblich in die Wahrnehmung eines Restaurants ein. Immer. Die Beurteilung auf eine Liste einzugrenzen, die abgehakt ein gutes Lokal definiert, ist also kaum möglich. Dennoch haben sich einige Punkte herauskristallisiert, die als Leitfaden dafür gelten können, nach welchen Kriterien die Qualität eines Restaurant zu bewerten sinnvoll ist.

Wir haben sie gefragt – versierte und verdiente Gastrokritiker, die es wissen müssen. Wie man ein gutes Lokal erkennt, erklärt uns Florian Holzer, prominenter österreichischer Gastronomiekritiker und als freier Autor und Kolumnist für den Falter und diverse andere Medien über gutes (und weniger gutes) Essen berichtend. Außerdem ist er Teil der aktuellen vom ORF gezeigten Serie Ochs im Glas. Auch von uns befragt: Katharina Seiser, Kulinarik-Journalistin, Bloggerin und Kochbuch-Autorin aus Wien. Als Dritter im Bunde erklärt Wolfram Siebeck, was er bei der Qualitätsbeurteilung eines Restaurants für wichtig hält. Er widmet sich jetzt, nach 60 Jahren als Restaurant- und Gastronomiekritiker in und um Deutschland – unter anderem für Die Zeit – ganz seinem Blog „Wo isst Siebeck“.

v. l. n. r. Katharina Seiser (© Vanessa Maas) - Wolfram Siebek - Florian Holzer

v. l. n. r. Katharina Seiser (© Vanessa Maas) – Wolfram Siebek – Florian Holzer

Prinzipiell ist das ein sehr subjektives Thema – es ist kommt ganz darauf an, was einem wichtig ist. Es gibt wirklich die unterschiedlichsten Erwartungshaltungen. Es gibt Preis-Leistungsesser, denen eine gewisse Kalorien pro Euro wichtig sind, es gibt die Prestige-Esser, denen wichtig ist, dass es sozial was her macht. Es gibt die Neuigkeits-Esser, für die ein Lokal hip und angesagt und im Trend sein muss. – Florian Holzer

© Laura D'Alessandro | Flickr | CC BY 2.0

© Laura D’Alessandro | Flickr | CC BY 2.0

1. Die Produkte – qualitativ und außergewöhnlich

Womit gekocht wird und woraus die Speisen zubereitet werden, ist einer der wichtigsten Punkte, die in die Beurteilung eines Restaurants einfließen sollten. Dazu müssen es aber keine teuren und extravaganten Zutaten wie Trüffel oder Kaviar sein, „sondern welche, von deren Qualität Koch und Besitzer – in jedem Fall zwei verschiedene Menschen – überzeugt sind. Dass es gute Ware ist, die sie ihren Gästen übermitteln wollen.“ (Florian Holzer).

Auch die Saisonalität der Produkte ist wichtig – dabei gibt es „weit mehr als eine Spargel- und eine Bärlauchsaison, die sich in Speisekarten niederschlagen können“ (Katharina Seiser). So sind außergewöhnliche Zutaten, wie mediterrane Zitrusfrüchte, Waldheidelbeeren oder -erdbeeren ein deutlicher Indikator dafür, dass man in diesem Restaurant Wert auf die Herkunft der Produkte legt und achtsam mit diesen umgeht. „Je kürzer dieser saisonale Zeitraum ist, den eine Karte anpreist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man dort kundig mit diesen kleinen, oft unbemerkten Dingen umgeht“ (Katharina Seiser).

© State Farm | Flickr | CC BY 2.0

© State Farm | Flickr | CC BY 2.0

2. Die Küche – spontan und selbstbewusst

Lokale, die eine ganze Bandbreite an Speisen – von asiatischen Reisgerichten über Pizza, Pasta bis hin zu Käsespätzle und Kaspressknödelsuppe – anbieten, sind keine Seltenheit und oftmals ein Zeichen dafür, dass es sich um kein gutes Lokal handelt. Katharina Seiser meint: „Wenn das Lokal eine sehr kleine Speisekarte hat – je kleiner desto besser –, spricht das für frische Produkte. Auch gar keine Speisekarte ist ein sehr selbstbewusstes Signal, das sehr viel Flexibilität und Frische verspricht.“

Oft richten sich Gastronomen nur nach den Erwartungen des Publikums und versuchen, fern des eigenen Könnens und vorhandener Ressourcen, dieses zufriedenzustellen. Was das Ergebnis dann meist aber nicht ist. „Für mich ist ein Lokal dann gut und interessant, wenn die Küche selbstbewusst ist. Wenn man sich nicht nach dem Rezept „der Gast ist König“ orientiert, sondern „der Gast ist Gast“ und soll sich auch als solcher benehmen. Und die Küche kocht das, wovon sie überzeugt ist.“ (Florian Holzer)

Extravaganz und Interkulturalität garantieren nicht immer, dass gut ist, was am Teller landet. Laut Wolfram Siebeck darf es durchaus auch „eine gute Hausmannskost mit guten Produkten sein. Daran erkennt man wie die Leute denken, ob sie Qualitätsgefühl haben, und nicht irgendwelchen vorgekochten Mist auf den Teller tun.“

© Dolapo Falola | Flickr | CC BY-SA 2.0

© Dolapo Falola | Flickr | CC BY-SA 2.0

3. Der Service – freundlich und kompetent

Einen guten Kellner definiert nicht unbedingt die linke Hand hinter dem Rücken, oder die Stoffserviette, die über dem anderen Unterarm hängt, der das Silbertablett trägt. Vielmehr zeigt der Umgangston die Qualität des Personals an. Für Florian Holzer ist ein Lokal, „wo man nicht devot, sondern freundlich und aufmerksam zu den Menschen ist. Wo man sich auf Augenhöhe begegnet, ein ganz, ganz seltener Fall.“ Soll heißen: leider.

Für Wolfram Siebeck zählt die Kompetenz: „Guter Service ist wichtig und muss gar nicht so schnell und fix sein, sondern freundlich und kompetent“. Auch eine freundliche Reaktion aufs Nachfragen der Gäste gehört da dazu.

Für Katharina Seiser zählt auch die Art der Essenszubereitung zu einem guten Service: „eine sichtbare Küche, samt Zutaten und Handwerk, die stolz auch die Essenszubereitung verrät. Wenn man nichts zu verbergen hat, kann es grundsätzlich nicht ganz schlecht sein.“

© Sonny Abesamis | Flickr | CC BY 2.0

© Sonny Abesamis | Flickr | CC BY 2.0

4. Die Atmosphäre – stimmungsvoll und angenehm

Bei der Bewertung der Atmosphäre scheiden sich die Geister. Ist sie wirklich von Bedeutung, wenn es um die Qualität eines Restaurants geht? Und ist ein Lokal mehr als die servierten Speisen?

„Ich halte ein Lokal für ein gutes Lokal, bei dem sehr viel an der Atmosphäre gearbeitet wird, also wo versucht wird, Wohlgefühl zu generieren. Wo versucht wird, mit sozialen Aspekten zu arbeiten, dass die Leute einander wahrnehmen oder intim sind, je nach Konzept des Lokals. Wo versucht wird mit Räumen, mit Stimmungen, mit Licht und Atmosphäre zu arbeiten. Das finde ich sehr interessant und ein oftmals vernachlässigtes Kapitel.“ (Florian Holzer)

Für Wolfram Siebeck spielt die Einrichtung des Restaurants ein Rolle, wenn es um das Befinden des Gastes geht: „Die Einrichtung sollte nicht ganz übertrieben sein, aber was schön ist, sind bequeme Stühle und anständige Tische.“

Anders sieht das Katharina Seiser. Einrichtung spielt für sie „überhaupt keine Rolle“. Dazu muss man nur „nach Italien fahren – und wenn man nach Asien fährt, ist es noch viel schlimmer. Lokale können so unfassbar hässlich, alt und grindig sein – dass sagt gar nichts über die Qualität des Essens aus.“ Im Bezug auf die Atmosphäre eines Restaurants ist ihr eine Sache aber besonders wichtig: der Geruch. „Ich finde, dass der Geruch ganz viel verrät. Also sowohl der des Essens selbst, als auch der des Lokals selbst, gelüftet, abgestanden oder rauchig, die Putzmittel am WC, das alles fließt mit ein.“

© Marjan Lazarevski | Flickr | CC BY-ND 2.0

© Marjan Lazarevski | Flickr | CC BY-ND 2.0

4 ½. Was die Gastrokritiker sonst noch zu sagen haben

Für Wolfram Siebeck – und für alle Weinliebhaber – spielt die Weinkarte eine wesentliche Rolle bei der Qualität des Lokals. „Bei der Weinkarte muss man zunächst schauen, dass der lokale Wein vertreten ist. Gute deutsche Weine sollten auf der Karte sein, internationale Weine genauso. Was ganz wichtig ist, dass es offene Weine gibt, die auch wirklich gut sind.“

Ein gutes Lokal erkennt man nicht unbedingt daran, dass es auf einem großen Platz ist, oder in jedem zweiten Restaurantführer aufscheint. Katharina Seiser erkennt ein gutes Lokal „zunächst daran, dass es mir ein persönlich bekannter Mensch empfiehlt. Nicht nur eine Zeitungsnennung oder eine Kritik, sondern jemand den ich kenne, und dessen Geschmack ich kenne und schätze“.

Für Florian Holzer muss das Lokal „eine gute Geschichte erzählen, interessant sein und überzeugen wollen. Ein Lokal, das beispielsweise einem Mainstream gehorcht, ist für mich kein gutes Lokal. Ein Lokal wo menschliche Ambition dahintersteckt, ein Lokal wo man eine Geschichte erzählen will, wo jemand seine eigene Begeisterung an Gäste vermitteln will, das halte ich für ein gutes Lokal.“

 

Konkrete Tipps zu Bio-Lokalen in Österreich gibt es im Blog „Richtig gut essen“ bzw. immer wieder auch hier.

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